Die Pflanze, die Jahrhunderte lang ein Exportschlager der Bamberger Gärtnerei und nach 1945 fast in Vergessenheit geraten war, erlebt eine neue Blüte. Vom Likör bis zum Schinken reicht die Palette moderner Süßholz-Erzeugnisse.
"Die Bamberger suchen eine Identität außerhalb vom Bier." So erklärt sich Heiner Wohlfahrt, Konditor und Inhaber des Cafés Riffelmacher, die Renaissance des Süßholzes in Bamberg. Er ist einer von mehreren Bambergern, die mit Süßholz experimentieren.
Die schon im Altertum geschätzte Heil-, Genuss- und Gewürzpflanze war bis ins 20. Jahrhundert ein Exportschlager der Bamberger Gärtner. Durch die industrielle Herstellung von Süßigkeiten verlor das Süßholz, dessen Wurzeln die 150-fache Süßkraft von Zucker besitzen, an Bedeutung. Ihr Anbau lohnte sich nicht mehr und so geriet sie auch in Bamberg fast in Vergessenheit.
Inzwischen ist sie wieder gefragt - ob pur in Form von gereinigten Wurzelstücken, die man einfach auskaut, oder als Zutat, die Pralinen und sogar Wurstwaren ein besonderes Aroma verleiht. Die Palette wächst, weshalb dieser Beitrag nicht den Anspruch erhebt, alle Süßholzprodukte zu erfassen, die es aktuell gibt.
Wohlfahrt entwickelt gerade ein Süßholz-Eis auf Milchbasis. Bis spätestens Mai will er die optimale Mischung gefunden haben. Sie soll dezent nach Süßholz schmecken, nicht penetrant nach Lakritz - auch wenn es diese ohne den Süßholz-Wirkstoff Glycyrrhizin wohl nicht gäbe.
Alle hiesigen Hersteller neuer Süßholz-Produkte, mit denen wir gesprochen haben, arbeiten an Erzeugnissen, die den typischen Geschmack von
Glycyrrhiza glabra nur ahnen lassen. Das scheint ein Erfolg versprechender Weg zu sein: Ausnahmslos berichten unsere Gesprächspartner von einer Nachfrage, die ihre Erwartungen übertrifft.
Zum Beispiel Michael Kalb. Der Metzgermeister aus der Theuerstadt dachte, er würde mit seiner Süßholzwurz, einer Art Rohwurst, und seinem rohen Süßholzschinken Nischenprodukte für wenige Liebhaber herstellen. Tatsächlich brachten die beiden Sorten dem Betrieb den "Erfinder- und Designpreis des oberfränkischen Handwerks 2013" und Nachfrage aus der halben Republik ein. Die "1. Bamberger Süßholzmetzgerei", wie der Familienbetrieb mittlerweile für sich wirbt, beliefert inzwischen auch ein auf Katenschinken spezialisiertes Geschäft im schleswig-holsteinischen Quickborn. Einen Süßholzsenf gibt es bei Kalb schon, ein Tomatenketchup mit Süßholznote soll demnächst folgen.
Am Experimentieren ist man nach eigenen Angaben auch wieder bei der Spezialitäten-Manufaktur Kramer. Sie hat vor einem Jahr einen Süßholz-Likör auf den Bamberger Markt gebracht und berichtet von einer "super" Nachfrage. Er verkauft sich offenbar gut an Touristen als Souvenir und auch in der örtlichen Gastronomie: Mit Prosecco und einer bestimmten Limonade gemischt gibt der Likör dem Bamberger "Süßholzspritz" das Aroma und den Namen. Bei Kramer glaubt man fest an den Erfolg weiterer Süßholz-Erzeugnisse, weshalb die Inhaber eigenen Worten zufolge an weiteren Formen der Veredelung tüfteln. Mehr verraten sie noch nicht.
Ein Markt für Süßholz ist wieder da. Das bestätigt Anna-Maria Schühlein, die Pressesprecherin des städtischen Tourismus- und Kongress-Services (TKS), wo sich Süßholz-Erzeugnisse offenbar ebenfalls gut verkaufen. Im Angebot hat man neben dem Likör die Klassiker, gereinigte und abgepackte Wurzelabschnitte, wie sie die Bamberger Süßholz-Gesellschaft auf den Markt bringt. Schühlein sieht für alles aus Süßholz viel Potenzial und würde sich wünschen, "dass Produkte gefunden werden, die in der ganzen Bamberger Gastronomie einsetzbar wären". Etliche Köche probieren ihren Angaben zufolge derzeit selbst aus, wie sich das alte Gewürz in der heutigen Küche einsetzen lässt.
Erfolgreich experimentiert hat man auch bei der Confiserie Storath (Stübig). Sie entwickelte die Praline "Michelsberger Engel", deren Trüffelmasse einen Hauch von Süßholz enthält. Die neue Spezialität verkaufe sich sehr gut, hieß es im Bamberger Geschäft.
Link zur Bamberger Süßholz-Gesellschaft
Bamberger Süßholz wird neuerdings auch in der Hauptstadt verkauft
Was man hier liest, ist alles erfreulich: Rückbesinnung auf eigene Traditionen, kreativer Umgang mit einem aus heutiger Sicht ungewöhnlichen Produkt! So kann eine Förderung der Bamberger Gärtnerschaft stattfinden; mit Gemüse verdient sie schon lange nichts mehr.