Mit enorm viel Kraft flitzen die Poldis über das Spielfeld und werfen auf die gleichen Körbe wie die "Fußgänger". Aber wehe es hebt einer die Pobacke.
Auf ihren Trikots steht Sabine, Mary oder Dr. Bob, und sie alle haben in ihrem Leben bereits einen Schicksalsschlag erlebt. Das Gros der Rollstuhlbasketball-Mannschaft der "Bamberg Poldis", bei der ich auf meiner Tour durch die Sportarten zu Gast bin, ist auch im normalen Leben an den Rollstuhl gefesselt. Doch das ist im Team kein Thema. "Den Spielern ist egal, ob ihr Kamerad durch einen Unfall oder seit der Geburt behindert ist", erklärt Trainer Günther Vogel. Er coacht mit viel Herzblut sein Team, auch wenn er selbst "Fußgänger" ist. Sein folgender Satz liegt wie ein Motto über der ganzen Mannschaft. "Egalwas dein Schicksal ist. Du bist hier, um Basketball zu spielen."
Das merkt man auch sofort im Training. Mit großem Engagement und viel Spaß sind die Spielerinnen und Spieler der gemischten Bayernliga-Mannschaft dabei. Manchmal ist es etwas zu viel Spaß - und dann muss Vogel kurz den Übungsleiter heraushängen lassen. Doch im gleichen Atemzug erklärt er, dass seine Mannschaft keinen Leistungssport betreibt, sondern Breitensport. "Wir nehmen hier jeden gerne auf."
So auch mich. Vogel setzt mich in einen Rollstuhl und schnallt mich fest. Doch wer jetzt denkt, Rollstuhl ist gleich Rollstuhl, hat sich geirrt. Die Rollis sind Hochleistungs-Sportgeräte mit angewinkelten Reifen, kleinen Rädern für bessere Wendigkeit und einem Schutzring rund um den Rollstuhl für mehr Sicherheit beim Kontakt. Den gibt es auch beim Rollstuhl-Basketball oft. Körperbetont ist die Sportart allemal und so kommen auch die Poldis im Spiel nicht ohne Rempler, Blocks und Karambolagen aus. Doch wenn es kracht, hört sich das meist schlimmer an, als es tatsächlich ist - dem Schutzring sei Dank. Die Jagd nach dem Ball Aber zurück zum Training. Nachdem ich ein paar Runden im Rollstuhl gedreht habe und mich von der Wendigkeit überzeugen konnte (in der ersten Kurve hätte es mich beinahe geschmissen), bekomme ich schon einen Ball. Aber nicht in die Hand. Coach Vogel rollt ihn von mir weg. Ich soll ihn aufheben. Leichter gesagt als getan. Immerhin bin ich angeschnallt und darf nicht einmal mit dem Hintern aus dem Sitz. "Wer die Arschbacke anhebt kassiert ein Technisches", ruft mir Vorstand Rainer Linz noch zu. Also versuche ich, den Ball mit einer Hand und mit Hilfe des Rollstuhl-Reifens hochzuheben. Und tatsächlich, nach einigen Versuchen klappt es auch.
Stolz komme ich aufs Spielfeld, schließlich will ich jetzt auch mitspielen. Aber irgendwie geht mir das zu schnell. Die Spieler flitzen die Halle rauf und runter. Von Behinderung keine Spur. Bin ich dann an einem Korb angekommen, muss ich schon wieder wenden. Ich kann nur hinterhersehen, wie die Spieler den Ball ein bisschen vor sich werfen, zweimal kräftig anschieben, sich dann das Spielgerät schnappen und wieder auf den Schoß legen. Sehr rasant geht es zu. In einen Zweikampf komme ich gar nicht, was aber auch besser ist. Immer wieder kracht es gewaltig, wenn die Sport-Rollis zusammenprallen.
Verletzungen gibt es trotzdem kaum, aber vor Stürzen schützt es nicht. "Klar kann es passieren, dass man mal aus dem Rollstuhl fällt oder umkippt, aber wir helfen uns dann gegenseitig wieder rein", sagt Sabine. Sie gehört zu den kleineren Spielerinnen, setzt sich aber immer wieder - auch gegen männliche Kontrahenten - durch und kommt zum Korberfolg. Dabei braucht sie eine Menge Kraft in den Armen. Denn ein Dreier im Sitzen will erst einmal in Richtung Korb gebracht werden.
Trotz wenig Übung gelingen mir ein paar Treffer und so verlasse ich nach zwei Stunden Training kaputt und um einige Erfahrungen reicher die Halle. Die Poldis betreiben einen intensiven Sport und nehmen auch Neulinge offen im Team auf. Denn es ist egal wer man ist, man soll hier Basketball spielen - Schicksalsschlag hin oder her.
Die Sportart: Trainer mit mathematischen Kenntnissen "Es gibt kaum Unterschiede zum Fußgänger-Basketball", erklärt Rainer Linz, der Vorsitzende der Bamberger Rollstuhl-Basketballer. Und tatsächlich: Alle gängigen Regeln und Spielzeiten kommen auch bei den "Poldis" zum Einsatz. So gibt es sämtliche Sekunden-Regeln, Aus-Bälle und sogar Schrittfehler.
Okay, mit Schritten hat das weniger zu tun, dennoch ist es auch im Rollstuhlbasketball wichtig, dass der Ball gedribbelt wird. Anstelle der zwei Schritte heißt es hier eben zwei Richtungsänderungen. Das kann Bremsen sein oder das zweimalige Anschieben des Rollstuhls. Spätestens dann muss der Ball wieder einmal den Boden berühren. Gedribbelt wird übrigens, indem der Spieler den Ball vor sich wirft und ihm hinterher fährt. Dann legt man sich den Ball wieder auf den Schoß und fährt weiter.
Der Rollstuhl macht es aber nötig, dass das Spiel um einige Regeln erweitert wird. So ist das Kreuzen eines Gegenspielers sowie das absichtliche Rempeln verboten und wird mit einem Foul bestraft.
Die Anzahl der Spieler pro Mannschaft ist dann wieder gleich. Fünf Team-Kameraden dürfen sich gleichzeitig auf dem Feld bewegen, allerdings ist hier bei der Aufstellung der Trainer noch mehr gefragt als bei den "normalen" Basketballern. Zusätzlich zur Schwierigkeit, jede Position besetzen zu müssen, braucht der Coach noch gute mathematische Kenntnisse, denn die Spieler sind - je nach Behinderungsgrad - klassifiziert. Spieler, die kaum oder gar nicht behindert sind, bringen 4,5 Punkte aufs Feld. Die Skala geht bis hin zu den 1-Punkte-Spielern, die ihre Beine nicht bewegen können und nur geringe oder keine Rumpfkontrolle haben, sich also in schnellen Situationen im Rollstuhl nur sehr eingeschränkt bewegen können. Insgesamt darf ein Team nur 14 Punkte auf dem Spielfeld haben. Damit ist gewährleistet, dass der Sport - obwohl er für Nicht-Behinderte geöffnet ist - vor allem von Behinderten ausgeübt wird.
Der Verein: Der Name stammt vom Burgbär Inzwischen gibt es die Bamberg Poldis seit 23 Jahren. Ihren Namen gaben sich die Rollstuhlbasketballer, die im Verein TTL Basketball Bamberg organisiert sind, nach dem Burgbären auf der Altenburg.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten - man musste erst eine Halle mit Rollstuhlgerechten Toiletten finden - spielten die Poldis mal in der Bayernliga, mal in der Oberliga. "Wir sehen uns mehr als Breitensport-Mannschaft", erklärt Poldis-Vorstand Rainer Linz. Das Team habe lieber Spaß beim Training und bei den Spielen. Dass es für höhere Ziele nicht reicht, liegt auch an der dünnen Personaldecke. Trainer Günther Vogel ist immer bemüht, für die Spieltage ein Team zusammenzustellen, doch manchmal fehlt es einfach an genügend Spielern.
Hinzu kommt, dass selbst in der Bayernliga Auswärtsfahrten bis nach Salzburg anstehen. Dies sind Wochenende für Wochenende strapaziöse Reisen, bei denen die Poldis an viel mehr denken müssen. Anhänger für die Rollstühle müssen organisiert und Zimmer gebucht werden. Außerdem müssen die Spieler regelmäßig untersucht werden, um den Spielerpass auf dem Laufenden zu halten.
Finanzielle Belastungen, die es einer Mannschaft nicht leichter machen, den Spielbetrieb aufrechtzuhalten. "Da sind wir sehr froh, dass wir vom Verein so toll unterstützt werden", sagt Linz. Dennoch wären die Poldis froh, wenn der ein oder andere Sponsor noch an Bord kommen würde...