Nach kurzer Rotation steigen sie in schnellem Tempo auf, um den Aufenthalt in der Höhe zu verkürzen. Von Lager 3 geht es über die sogenannte Schulter zu Lager 4. Und dann baut er sich vor ihnen auf, dieser gewaltige Serac, ein 100 Meter hoher Hängegletscher und Ort großer Tragödien. Jederzeit können Eisbrocken abbrechen, groß wie Häuser. Oder wie 2008, als sich eine Eislawine löste, die Fixseile abtrennte und elf Bergsteiger innerhalb weniger Stunden starben. "Man steht davor, blickt hinauf - und will nur noch nach Hause. Ich hatte die Hosen gestrichen voll", sagt Hellmuth. Selbstverständlich geht er nicht nach Hause.
Auf etwa 8200 Metern beginnt das knüppelhart gefrorene Blankeis, er schwingt die zwei Pickel - und erstarrt, als das Eis klirrend aufspringt. Nur die Eisschraube hält das Seil. "Und 2000 Meter unter mir ist das schwarze Nichts", sagt er. Er und Sherpa Ksang Dawa meistern auch diese Stelle - und stehen um 3 Uhr morgens bei absoluter Dunkelheit tatsächlich auf dem höchsten Punkt. "Stehen ist der falsche Begriff. Man kriecht und krabbelt, sonst weht es einen vom Gipfel", sagt Hellmuth.
Den Moment seines größten Erfolgs kann er aber nicht ausreichend genießen, zu rau sind hier die Verhältnisse, zu viel Kraft hat der Aufstieg gekostet. Und der lebensbedrohliche Abstieg stand ja noch bevor. "Wir waren fünf Minuten auf dem Gipfel. So sehr ich auf den Berg wollte, so schnell wie möglich wollte ich auch wieder runter." Schnell ist aber relativ: 26 lange Stunden haben Auf- und Abstieg in Anspruch genommen, weitere sieben Tage dauert die Rückreise durch die pakistanische Wüste. "Zuhause bin ich als Erstes in die Kirche, habe dem Messner eine riesige Kerze in die Hand gedrückt und ihn gebeten, sie für meine Familie und mich anzuzünden. Ich glaube, das war auch nötig."
Interview: "Ich habe noch nie eine solche Angst gehabt"
Der K2 ist zwar nur der zweitgrößte Berg hinter dem Mount Everest, gilt aber als wesentlich schwerer zu besteigen. Im Interview spricht Herbert Hellmuth aus Hallstadt (Landkreis Bamberg) über das größte Abenteuer seines bisherigen Lebens.
Der Tod ist am K2 ein ständiger Begleiter. Haben Sie keine Angst, nicht mehr nach Hause zu kommen?
Herbert Hellmuth: Jeder kennt die Gefahren. Man kann nur für sich selbst so viele Gefahrenquellen wie möglich ausschließen. Hier oben gibt es keine Rettung. Ein Beinbruch oder ein Bänderriss kann schon genügen. Unmöglich, jemanden eine hunderte Meter lange Steilwand hinunterzuschleppen, zumal man körperlich selbst völlig erschöpft ist. Ich müsste meinen besten Freund zum Sterben zurücklassen, sonst ist es auch mein Ende. Das sind ganz schwere Entscheidungen, die ich glücklicherweise noch nie treffen musste.
Sie haben auf zusätzlichen Flaschensauerstoff zurückgegriffen, viele Extrembergsteiger sehen das kritisch. Doping sei es, das unerfahrene Kletterer erst auf die Berge spüle und die Todeszahlen in die Höhe treibe. Wie stehen Sie dazu?
Ohne zusätzlichen Sauerstoff gehe ich ein solches Wagnis nicht ein, mir würden Hände und Füße abfrieren. Dafür bin ich leider anfällig, andere Menschen vertragen die Kälte besser. Der Sauerstoff hat die Funktion, sich schneller bewegen zu können - und er hält den Körper warm. Erfrierungen habe ich bereits bei früheren Touren an den Zehen davongetragen. Die Nerven bilden sich zwar langsam nach, diese Stellen sind aber sehr anfällig für erneute Erfrierungen. Meine Zehen und Finger sind mir zu wichtig, um darauf verzichten zu wollen. Zusätzlich benutze ich beheizbare Socken und Einlagen, die per Akku betrieben werden. Alles ist volle Pulle aufgedreht. Teilweise habe ich trotzdem noch kalte Füße.
Ab welcher Höhe haben Sie zusätzlichen Sauerstoff benötigt?
Ich habe mir eine fiese Magen-Darm-Infektion eingefangen und hatte zehn Kilo verloren, bevor wir überhaupt auf den Gipfel sind. Daher habe ich bei 6700 Metern mit Sauerstoff angefangen, üblich ist es sonst zwischen 7500 und 8000 Metern. Auch nachts habe ich mir eine geringe Dosis verabreicht, damit der Körper nicht auskühlt.
Sie haben die höchsten Gipfel der sieben Kontinente erklommen, nun den K2. Was folgt als Nächstes? Alle 14 Achttausender?
Niemals, davor habe ich viel zu viel Respekt. Und ich fühle mich mit 50 auch zu alt. Der K2 war eine absolute Grenzerfahrung. In meinem Leben habe ich noch nie eine solche Angst verspürt. Dort oben habe ich mir geschworen: Das war es, Schluss, nie wieder auf so einen Berg.
Und wie denken Sie jetzt, mit dem Abstand von ein paar Wochen?
Jetzt warte ich ab und schaue mal, was meine Kumpels im nächsten Jahr so planen. Ausschließen kann ich nichts. Vielleicht ist ja was Nettes dabei.