"Es ist halt trotzdem mein Verein"

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Student, Autor und Basketballfan: Linus Müller Foto: privat
Student, Autor und Basketballfan: Linus Müller Foto: privat

Linus Müller hat Geschichten aus der über 40-jährigen Bamberger Basketballtradition in einem Buch zusammengetragen.

Die nun schon über 40 Jahre währende Basketballtradition in Bamberg hat Geschichten produziert, die jedem, der dabei war, im Gedächtnis bleiben. Linus Müller, 24 Jahre jung, Student und Journalist, hat sie in einem Buch gesammelt: "111 Gründe Brose Bamberg zu lieben" (Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin). Im Interview spricht er auch darüber, warum das heute mit der Liebe nicht so einfach ist.

Wie kam es zu dem Buch?

Linus Müller: Ich habe fürbasketball.deüber Bamberg geschrieben und war auch ab und an für Spielberichte in der Halle. Der Verlag hat sich dann an unseren Chefredakteur gewandt, der das an die Bamberger Autoren weitergegeben hat. Ich habe ein bisschen überlegt, aber dann doch gesagt, ich mach's. Man muss aber dazu sagen: Ich hatte seit 2014 keine Dauerkarte mehr. Das war das Jahr, als Fleming gegangen wurde. Danach war ich ein bisschen distanzierter. Ich habe also ein bisschen überlegt, weil der Titel mit der Liebe ist für einen Sportverein übertrieben, ganz ehrlich. Also habe ich gesagt, ich nutze es als Geschichtensammlung. Ich schreibe gerne, und ein Buch ist eine Herausforderung. Aber mit Leuten zu sprechen und mich selbst auch einzulesen und am Ende eine Geschichtensammlung zu haben, in der der ein oder andere vielleicht etwas findet, das neu für ihn ist, das ist schon schön.

War es schwierig, an die Teile der Vereinsgeschichte ranzukommen, die vor Ihrer Geburt liegen?

Das muss man schon sagen. Ich war es gewohnt, Texte zu schreiben über Spiele, bei denen ich in der Halle war. Das war nun deutlich schwieriger. Ich hatte großes Glück, dass Fritz Hofmann gesagt hat, er hilft mir. Er legt für Brose Bamberg gerade anlässlich 50 Jahre Bundesliga-Basketball in Bamberg ein Archiv an. Das heißt, er hat Zeitzeugen angeschrieben und auch privates Material gesammelt. Mit ihm durfte ich einen Nachmittag verbringen und das dann für mein Buch auswerten. Sehr geholfen hat auch die Chronik, die nach 40 Jahren Bundesliga-Basketball herausgegeben wurde und die viele alte Zeitungsartikel beinhaltet. Ich bin all meinen anderen Gesprächspartnern sehr dankbar, dass sie mir lebhafte Bilder aus früheren Zeiten vermittelt haben.

Wie lange haben Sie am Buch gearbeitet?

Natürlich immer mal mehr, mal weniger, weil ich neben dem Studium noch andere Aufgaben habe. Es hat sich schon über zehn Monate hingezogen, mit Recherche vielleicht sogar ein Jahr.

Erinnern Sie sich an Ihr erstes Basketball-Erlebnis?

Ich hab noch ganz, ganz verschwommene Bilder aus der Graf-Stauffenberg-Halle, weil unsere Eltern meinen Bruder und mich da mit hingenommen haben. Da war ich drei Jahre alt. Ich weiß noch, ich fand das wahnsinnig laut. Später ist Dirk Bauermann zu uns in die Siedlung gezogen. Irgendwann haben wir uns mit den anderen Kindern getraut, bei ihm zu klingeln und nach Autogrammen zu fragen. Er hat das gerne gemacht und uns noch Freikarten mitgegeben. Ich glaube, es gab danach einen kleinen Basketball-Boom in der Siedlung. Die Eltern haben zusammengelegt und einen Korb hingestellt, der nicht weit weg von der Wohnung von Dirk Bauermann stand. Ich glaube, das war ein Mit-Grund dafür, dass er dann lieber wieder weggezogen ist (lacht). Wir haben da nämlich oft und viel gespielt...

In der Hoffnung, entdeckt zu werden?

So ungefähr. Nee, gut gespielt habe ich nie. Aber ab der Zeit hat Basketball Fußball in unserer Siedlung abgelöst. Das war so 2004, und von da an sind wir auch wieder in die Halle gegangen.

Woran erinnern Sie sich als Fan dieser Mannschaft am liebsten?

Das fünfte Finalspiel gegen Berlin 2011. Das war auch deswegen besonders, weil 700 Berliner nach Bamberg gekommen sind. Und es war halt der Erzgegner. Stimmungsmäßig und von der Spannung her war das auf jeden Fall ein besonderes Spiel. Was ich als Kind geliebt habe, waren die Domreiter-Turniere. Da gab es immer die Möglichkeit, sich Autogramme von den Spielern zu holen, weil die da auch einfach in der Halle rumsaßen. Mit unserem bisschen Englisch: Good luck for the game.

Sie haben schon angedeutet, dass sich der Verein verändert hat. Wie haben Sie es aufgenommen, als zuletzt Rolf Beyer geschasst wurde?

Mir war immer wichtig, dass das ein sympathischer Verein ist. Weil es sonst schwer zu rechtfertigen ist, dass man so viel Zeit und Geld da reinsteckt, dass ein paar Männer einen Ball in einen Korb werfen. Seit 2014 ist das für mich ein bisschen gekippt: Meinetwegen entscheidet Michael Stoschek, dass der Trainer geht, aber die Art und Weise, über jeden im Nachhinein schlecht zu reden, fand ich nicht gut. Auch bei Rolf Beyer habe ich keine Ahnung, was da im Hintergrund gelaufen ist. Die Außendarstellung ist aber auf jeden Fall problematisch. Ich finde es sympathisch, dass viele in Bamberg gesagt haben, dass sie den Umgang nicht okay fanden, dass das so nicht geht, verstehe aber auch, wenn die Leute sagen, ich gehe weiterhin hin und jubel für den Verein.

Sie waren zuletzt für ein Semester in Indien und studieren in Erfurt Internationale Beziehungen. Wie intensiv verfolgen Sie die jetzige Saison?

Man kommt nicht davon weg. 2014 - das muss ich immer anführen, weil das die Trotzphase war - da wollte ich wirklich erstmal Abstand vom Geschehen. Aber das kriegt man ja auf Dauer nicht wirklich hin. Wenn man zehn Jahre für den Verein gejubelt hat ... Ich gucke es noch immer gern an, ich freue mich, wenn sie gewinnen. Aktuell ist es wieder etwas schwierig. Wir haben eben gar keine Identifikation mehr. Wir versprechen irgendwas im Sommer, was dann überhaupt nicht eintritt. Also mich lässt es schon deutlich kälter als früher, wenn sie mal ein Spiel verlieren. Aber Hoffnung auf Besserung ist immer da. Klar kann man Herrn Stoschek aber auch dankbar sein, dass wir in den vergangenen Jahren so irre erfolgreich sein konnten. Das wäre ohne ihn nicht mal annähernd möglich gewesen.

Was würden Sie sich für die Zukunft von Brose Bamberg wünschen?

Ich fand die ersten Worte von Arne Dirks recht vielversprechend: Dass man wieder ein bisschen versteht, wo der Verein herkommt. Gerade jetzt, wo man sich an die Champions League gebunden hat, könnte man auch in der Liga gegen die Bayern wieder mehr das Underdog-Image spielen. Dass man sich wieder auf die Stärken besinnt, die Bamberg seit Jahrzehnten ausmachen. Also wenn der Verein wieder ein bisschen mehr zurück zu den Wurzeln geht, das fände ich schön. Ich weiß aber nicht, ob das mit dem Selbstverständnis des Vereins zusammenpasst.

Haben Sie das Buch auch nutzen können, um solche Kritik unterzubringen?

Das war für mich das falsche Format dafür. Das ist ein Schmökerband für alle Bambergfans. Und dann kann man sich alles, was passiert, selber anschauen und sich eine Meinung bilden. Vieles klang jetzt so negativ, ich bin ja trotzdem ein großer Fan des Vereins und des ganzen Drumherums. Ich habe selbst auch mal ein Praktikum dort gemacht und es war wirklich beeindruckend, wie viel sie machen und dass sie auch noch aufs letzte Dorf fahren mit irgendeinem Jugendtrainer. Und das als kostenloses Angebot. Wolfgang Heyder hat immer viel dafür getan, um in der Stadt präsent zu sein. Deswegen war es mir auch wichtig, solche Geschichten wie das Benefizdinner unterzubringen oder die vielen Freizeitturniere, die von Ehrenamtlern gestemmt werden. Der Verein hat sich in den vergangenen Jahren etwas von seinen Wurzeln wegentwickelt im Zuge der Professionalisierung, aber man muss auch sagen: Die Professionalisierung führte zu Erfolgen und wunderschönem Basketball, auch gegen Europas Topteams.

Wen würden Sie als Ihren Bamberger Lieblingsspieler bezeichnen?

Ich fand immer Peja Suput großartig. Er hat eigentlich immer eher den Eindruck gemacht, als wäre er ein Familienvater, der freizeitmäßig ein bisschen mitspielt. er war körperlich nicht in der besten Form und hat auf der Bank so oft einfach gute Laune gehabt. Aber dann ist er aufs Feld gegangen und hat 30 Punkte gemacht. Er war so gut. Und John Goldsberry: Ihn hast du 40 Minuten kaum gesehen, aber er hat verteidigt wie ein Wahnsinniger, hat alles sehr ernst genommen, ein bisschen das Gegenteil von Suput. Und alles ganz einfach, nie spektakulär, keine Traumpässe, er hat einfach gemacht, was nötig war.

Wann waren Sie zuletzt selbst in der Halle?

Gegen Athen. Ich hole mir schon noch Tickets. Ich bin weit weg davon zu sagen, ich bin kein Fan mehr des Vereins, aber nicht mehr so wie früher. Mit dem Buchtitel wird man halt schnell als größter Liebhaber des Vereins dargestellt, das passt einfach seit ein paar Jahren nicht mehr. Deswegen kann man den Verein aber mit allem, was er sonst noch macht, und seine Geschichte total großartig finden. Aktuell ist es eine schwierige Phase, aber wie alt ein Spieler ist und welche Statistiken er auflegt, kann ich trotzdem noch jederzeit aufsagen. Es ist halt trotzdem mein Verein.