Wer kein Geld hat, bekam bei Norbert Ruß auch für die "Vergelt's-Gott-Währung" medizinische Hilfe. Dafür wurde der Bamberger Arzt jetzt geehrt.
Norbert Ruß heißt der siebte Empfänger des Bamberger Sozialpreises. Die Arbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände würdigte mit ihrem Votum die Verdienste eines Allgemeinmediziners, der in seiner Praxis in der Schützenstraße 30 Jahre lang auch Obdachlose und andere bedürftige Menschen kostenlos behandelt hat.
Nach dem Verständnis des inzwischen pensionierten Arztes war das, wofür er nun geehrt wurde, eine Selbstverständlichkeit. Doch das sei es eben nicht, betonte der Laudator, Klaus Otto, Kreisgeschäftsführer des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK). Sonst hätte sich unter der Ärzteschaft vermutlich längst ein Nachfolger für Ruß gefunden, der Ende März aus Altersgründen aufgehört hat.
So verbinden der Geehrte und die Arbeitsgemeinschaft mit der öffentlichen Aufmerksamkeit für die Preisverleihung nicht zuletzt die Hoffnung, dass sich doch noch ein
Mediziner finden möge, der neben barer Münze auch die "Vergelt's-Gott-Währung" (Ruß) zu schätzen weiß.
Die Preisverleihung fand im Beisein vieler Repräsentanten des öffentlichen Lebens aus Stadt und Landkreis
Bamberg in der Rettungszentrale statt. Zu den Gästen, die der stellvertretende BRK-Kreisvorsitzende Pius Schiele begrüßte, gehörte eine kleine Delegation aus dem Treffpunkt "Menschen in Not". Auch um dessen Besucher hatte sich Ruß bis März 2016 gekümmert, wenn sie medizinische Hilfe benötigten.
Klaus Otto berief sich in seiner Laudatio wiederholt auf einen Artikel, der am 29. Februar 2016 im Fränkischen Tag erschienen war. Unter dem Titel "Seine Praxistür stand allen offen" hatte die Lokalredaktion berichtet, dass mit dem Ruhestand von Ruß Menschen ohne Krankenversicherung eine Versorgungslücke droht, wenn sich kein Nachfolger findet.
Dieser Fall ist vor fast sieben Monaten eingetreten. "Zum Glück" komme es nicht oft vor, dass einer seiner Gäste einen Arzt braucht, sagte Treffpunkt-Leiter Peter Klein am Rand der Feierstunde im Gespräch. Trotzdem wäre er froh, wenn es bald wieder eine unbürokratische medizinische Hilfe für Bedürftige gäbe.
Ruß wollte den Preis erst nicht annehmen. Wie er in seiner Dankesrede sagte, hat er sich dann aus drei Gründen doch dazu entschlossen. Erstens, weil es eine Möglichkeit sei, um seinen Mitarbeiterinnen Petra Ankenbrand und Susanne Bräcklein für Jahre und Jahrzehnte lange Unterstützung zu danken.
Ankenbrand, die rund 25 Jahre bei Ruß beschäftigt war, nannte ihn am Rand der Veranstaltung "den besten Chef, den man sich vorstellen kann".
Der Preisträger dankte - zweitens - allen Kollegen, die bereit gewesen seien, "in der Vergelt's-Gott-Währung mitzuarbeiten". Es habe eine ganze Reihe gegeben, an die er sich wenden konnte, wenn er für bedürftige Patienten ein Röntgenbild, eine Zahnbehandlung oder anderes brauchte, das er nicht selbst leisten konnte.
Der dritte und ihm wichtigste Grund: Ruß warb für die Aufgabe, die er so lang im Stillen erfüllt hat. "Es ist ja net mit so wahnsinnig viel Arbeit verbunden" und "Hausbesuche unter Brücken und in Garagen" seien selten. Die Tätigkeit sei aber "ganz wichtig" und die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung werde noch steigen.