So wurden Baiern zu Franken

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In historischen Festzügen wie hier im Wachenrother Ort Reumannswind dürfen die Germanen nicht fehlen. Ob unsere Vorfahren dereinst so ins Land gekommen sind? Foto: FT-Archiv
In historischen Festzügen wie hier im Wachenrother Ort Reumannswind dürfen die Germanen nicht fehlen. Ob unsere Vorfahren dereinst so ins Land gekommen sind? Foto: FT-Archiv
 
Ortsnamen wie Amlingstadt, das sich von der Bezeichnung Amelungen für das Volk der Ostgoten herleitet, künden bis heute von der Zuwanderung aus dem Süden um das Jahr 500. Foto: Michael Gründel
Ortsnamen wie Amlingstadt, das sich von der Bezeichnung Amelungen für das Volk der Ostgoten herleitet, künden bis heute von der Zuwanderung aus dem Süden um das Jahr 500. Foto: Michael Gründel
 

Der Bamberger Historiker Joachim Andraschke war eigentlich den Bajuwaren auf der Spur. Doch nicht wenige von ihnen haben sich vor 1500 Jahren auch an Main und Regnitz angesiedelt. Da gab es Bamberg vermutlich schon längst.

Böse Zungen behaupten ja, nur der Kaiser Napoleon sei schuld daran, dass der ruhmreiche fränkische Reichskreis vor 200 Jahren zu Bayern kam. Altbairische Schönwetter-Redner weisen da gerne darauf hin, dass eigentlich schon Kaiser Ludwig IV., den seine Widersacher in schlimmer Absicht "den Baiern" nannten, ein großer Förderer Frankens gewesen ist. Näher erforscht hat jetzt der Bamberger Historiker Joachim Andraschke Geschichte und Herkunft der Altbaiern und seine Erkenntnis ist: Gleich am Ende der Völkerwanderung, bevor sich die Strukturen in Süddeutschland um das Jahr 500 nach Christus wieder verfestigten, muss es enge Verbindungen zwischen Baiern und dem damaligen Ostfranken gegeben haben.

Zusammengefasst hat Andraschke seine Erkenntnisse in dem Büchlein "1500 Jahre Ersterwähnung der Baiern und die Fränkische Völkertafel" (gibt es im Bamberger Buchhandel). Eine wichtige Voraussetzung war dabei, überhaupt
eine Jahreszahl für den ersten Auftritt der Baiern in der Geschichte zu finden.

Dies gelang ihm mit Hilfe der "Fränkischen Völkertafel", deren Entstehung bisher erst für die Zeit nach 568 angenommen wurde. Weil darin aber Goten und Vandalen noch erwähnt sind, muss die Vorlage dazu aus früherer Zeit stammen. Die Bezeichnung der Westgoten als "Walagoten", also herumziehende Goten, trifft indes nur für die Jahre 508 bis 512 zu - ergo müsste die Völkertafel, in der auch die "Bajuwarii" erstmals erwähnt sind, in diesen Jahren entstanden sein, vermutlich im Zuge der Bündnisbemühungen des Gotenkönigs Dietrich von Bern. Inzwischen haben sich auch andere Historiker dieser Deutung angeschlossen.

Abgeleitet wird der Name der Baiern oder Bajuwaren - da ist sich der Bamberger Namensforscher mit der Mehrzahl der Historiker einig - von einem Land, das als "Baias" bezeichnet wird und etwa das Gebiet der heutigen Slowakei und Mährens umfasst. In dieser Region hatten sich während der Völkerwanderung etwa ab 460 die Reste verschiedener Völker niedergelassen: Heruler, Skiren, Gepiden, Qua den und andere Germanen.

Neue Bewegung kam in die Sache durch das zahlenmäßig viel größere Volk der Ostgoten, die sich in Richtung Italien aufmachten und das Voralpenland für sich beanspruchten. Woher sie damals genau kamen, ist laut Andraschke nicht geklärt. Glaubt man dem historischen Kern des Nibelungenliedes, hatten sie zuvor im Bund mit den Thüringern irgendwo am oberen Main den Burgundern eine Niederlage beigebracht und dabei den Burgunderkönig Gunther getötet. Interessanterweise sind es auch Goten und Thüringer, die den östlichen Teil des Burgunderreiches, das heutige Oberfranken, danach besiedeln. Zahlreiche thüringische und gotische Ortsnamen wie Döringstadt, Kunstadt, Theuerstadt, Pettstadt oder Amlingstadt, Hallstadt, Lonnerstadt geben davon beredtes Beispiel.

Nur eines geht aus den Ortsnamen natürlich nicht hervor: Der Zeitpunkt der Besiedelung. Denkbar sind laut Andraschke zwei Möglichkeiten, bei denen die mächtigen Ostgoten jeweils Regie führten: Entweder die Zeit zwischen 470 und 490 oder eben um das Jahr 508. Spätestens da setzten sich im Sog der Amelungen, die in Richtung Italien gezogen waren, die germanischen Völker in Baias oder zumindest Teile davon in Bewegung und besiedelten das heutige Ober- und Niederösterreich sowie Altbayern.

Doch wie die Pfeile unserer Grafik zeigen, kamen nicht alle in die Reviere südlich der Donau. Denn Dietrich von Bern, der große Gotenkönig, zog die Fäden und wollte den Brückenschlag zu seinem stärksten Bündnispartner nördlich der Alpen, den Thüringern. "Deshalb erhielten die Menschen in Baias eine Art Föderatenstatus und den Auftrag, das Land nach Thüringen hin mit zu besiedeln. Um dem ganzen Stabilität und Zuverlässigkeit zu geben, wurden auch nicht wenige Ostgoten nördlich der Alpen und nördlich der Donau angesiedelt", meint Andraschke.

Spätenstens in dieser Zeit entstanden die gotischen Ortsnamen, aber auch die bairischen, mit einer Ausnahme: Die Wurzeln von Bayreuth reichen nur ins 12. Jahrhundert. Ansonsten zeuge eine Fülle von "Baiersdörfern" von altbairischen Siedlern in Mittel- und Oberfranken. Das Stammland "Baias" indes, das spätere Oberungarn mit der Hauptstadt Preßburg, ging den Baiern in der für sie sehr verlustreichen Schlacht bei Preßburg anno 907 an die Ungarn verloren.

Allerdings wurde die Bevölkerung im heutigen Mittel- und Oberfranken durch den Zuzug aus Baiern nur ergänzt. Lange zuvor waren nach dem Ende der Kelten elbgermanische Sueben und die mit ihnen verwandten Juthungen eingedrungen. Vor allem das Völkchen der Juthungen wird immer wieder genannt, wenn es um den Raum Bamberg geht.

Auch Joachim Andraschke hat die Juthungen auf seiner Rechnung, zum Beispiel bei der Entstehung des Ortsnamens Bamberg. "In sehr frühen Erwähnungen als ,Papenperg' genannt, geht die Stadt vermutlich auf den bei den Juthungen sehr gebräuchlichen Namen Pappo zurück, weil da am Domberg offensichtlich ein bedeutender Träger dieses Namens lebte." Erst in späterer Zeit sei durch "fränkische Lautverschiebung" daraus der Name Bamberg entstanden.

Allerdings erlitten die Juthungen bei einem Beutezug ins römische Imperium um 259/60 eine schlimme Niederlage und werden danach kaum noch genannt. Kurz danach, um 280, tauchen die Burgunder im Maintal auf. "Es war damals üblich, dass sich die Reste stark dezimierter Völker einem stärkeren Partner anschlossen.

Das könnte auch im Falle der Juthungen und der Burgunder so sein", erklärt Andraschke den Niedergang der Juthungen. Ein anderes prominenteres Beispiel für ein solches Verhalten sind die Cherusker: Auch das Volk des Germanen-Befreiers Arminius verschwand nach einer schlimmen Niederlage von der politischen Landkarte.