So kam die Gondel nach Bamberg

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Jürgen Riegel fährt immer noch die erste Gondel, die ein venezianischer Baumeister in den 90er Jahren für Bamberg gefertigt hat. Foto: Matthias Hoch
Jürgen Riegel fährt immer noch die erste Gondel, die ein venezianischer Baumeister in den 90er Jahren für Bamberg gefertigt hat.  Foto: Matthias Hoch
Sebastian Martin durfte in der Gondel von Jürgen Riegel Probe sitzen. Eine wacklige Angelegenheit. Im Hintergrund Norbert Jobst Foto: Matthias Hoch
Sebastian Martin durfte in der Gondel von Jürgen Riegel Probe sitzen. Eine wacklige Angelegenheit. Im Hintergrund Norbert Jobst Foto: Matthias Hoch
 

Er bringt ein wenig venezianisches Flair in die Domstadt: Jürgen "Luigi" Riegel ist seit 22 Jahren Gondoliere.

Jürgen Riegel, 57 Jahre, hatte früher ein Modehaus am Kranen. Inzwischen ist er wie sein Geschäftspartner Norbert Jobst hauptberuflich Gondoliere in Bamberg. Die Geschichte, wie alles angefangen hat, ist ziemlich abenteuerlich.

Ihr Spitzname ist Luigi, wo kommt der eigentlich her?
Das ist schon eine längere Geschichte (lacht). Jeder denkt ja, dass die Gondoliere in Venedig singen, aber meistens ist es so, dass Musiker an Bord sind.

Sie singen in Ihrer Gondel nicht?
Nein. Der Spitzname hat auch damit zu tun: Es gibt ein Kinderbuch über einen Gondoliere der Luigi heißt, der absolut nicht singen kann, der macht eine Gesangsausbildung, aber lernt dennoch nur das laute Schreien. Aber er ist der beste Gondoliere von Venedig. Als ein Sturm die Kapelle der Gondolieri in Brand setzt, ist Luigi der einzige, der mit seiner Gondel über sieben Meter hohe Wellen überwindet, um das Feuerwehrboot zu holen, damit die Kapelle gelöscht wird. Aus Dank haben alle anderen Gondoliere auf das Singen verzichtet, weil Luigi auch nicht singen kann...

Sind Sie jetzt der beste Gondoliere von Bamberg oder einer, der nicht singen kann?
Sagen wir beides! (lacht) Ich bin eben kein ausgebildeter Sänger und deshalb singe ich nicht.

Wie kamen Sie auf die Idee, in Bamberg Gondel zu fahren?
Das ist eigentlich aus einer Bierlaune heraus entstanden. Ich war früher in der Mittelalterszene und habe mit einem Freund zusammen Dracula-Shows gemacht. Als wir mal unten am Alten Kanal saßen und ein paar Bierchen getrunken haben, kamen wir irgendwann auf die Idee: Um Mitternacht legen wir einen Sarg ins Wasser, verkleiden uns als Graf Dracula und Krolock und fahren den Kanal runter. Und wo wir im Geiste so an Klein-Venedig vorbeigefahren sind, haben wir gesagt: Eigentlich müssen wir es mit einer schwarzen Gondel machen. So wurde die Idee geboren.

Wann war das?
Das war 1992 oder 1993. Aber die Idee musste noch etwas reifen. 1994 haben wir dann die Gondel gekauft.

Woher bekommt man eine Gondel?
Die Gondel wurde original in Venedig in San Trovaso in der Werft gebaut. Einer, der sie mit uns gekauft hat, ist im März 1994 nach Venedig runter gefahren. Er ist einfach in die nächstbeste Werft, die er gerade gesehen hat. Das war im Stadtteil Dorsoduro. Er geht also zum Gondelbaumeister und sagt ihm, dass er gerne eine Gondel für Bamberg kaufen wolle. Der Baumeister hat gelacht. Aber er hat gesagt: "Bamberg kenne ich, das ist eine wunderschöne Stadt, Ihr habt ein gutes Bier, das Schlenkerla-Rauchbier, euch baue ich eine." Daraufhin hat er uns diese Gondel gebaut.

Wie kam die Gondel dann hierher?
Wir sind damals runter gefahren, haben die Gondel in Empfang genommen und haben sie per Sattelschlepper nach Bamberg bringen lassen.

Mit einem Sattelschlepper?
Ja, die Gondel hat schließlich elf Meter Länge. Auf dem Weg zum Bootshaus, wo die Gondel liegt, war in der Hainstraße Schluss für den Sattelschlepper. Wir haben dann mal vorsichtig den ganzen Biergarten im Bootshaus gebeten, mit anzupacken. Dann haben 30 Leute die 600 Kilogramm schwere Gondel zum Bootshaus getragen. So ist die nach Bamberg gekommen - aber fahren konnten wird zu dem Zeitpunkt nicht.

Wie lernt man das?
Wir hatten anfangs keine Ahnung, dass die Gondeln elf Meter lang und sündhaft teuer sind, auch nicht, dass es ungefähr drei Jahre braucht, um das Fahren zu lernen. Als wir die Gondel abgeholt haben, hat mir aber der Baumeister eine Telefonnummer von einem seiner Freunde aus Nürnberg gegeben. Den habe ich angerufen, dann kam ein Männlein an, der Ehrengondoliere von Venedig war. Der ist dort selber 30 Jahre Gondel gefahren. Er hat sich gefreut, dass in Bamberg eine Gondel steht und hat mich ausgebildet. Ich bin mit ihm oft nach Venedig gefahren, er kannte viele Gondoliere dort. Ich habe mich bei den Alten in die Gondel gestellt, die haben mich weitergebildet.

Ist das kraftaufwändig?
Es ist ein Ausdauersport. Man stützt sich mit dem ganzen Körpergewicht auf das Ruder und durch die Ruderdolle hat man einen enormen Druck. Aber man muss die Technik beherrschen, weil es sonst enorm Kraft kostet.

Ist es auf der Regnitz besonders anspruchsvoll?
Anspruchsvoll ist es, weil es durch die Gegenströmung anstrengender ist, aber in Venedig hat man die engen Wasserstraßen, den enormen Verkehr, da wird auf den Zentimeter gefahren. Ich fahre lieber hier.

Wie oft sind Sie im Wasser gelandet?
Ich bin tatsächlich nur ein Mal ins Wasser gefallen.

Nur ein Mal?
Das war im März, es war noch sehr kalt. Ich wollte einem Kollegen beim Abdecken helfen, doch da war hinten etwas Eis auf der Gondel, ich bin ausgerutscht und reingefallen. Ich habe mich so geärgert, dass ich klatschnass nach Hause gelaufen bin, die Leute haben mich nur angeschaut, weil mir das Wasser aus den Schuhen gelaufen ist. Aber ich muss dazu sagen, es ist keine Schande, jeder Gondoliere ist schon mal reingefallen.

Wer bucht Fahrten bei Ihnen?
Wir haben mindestens genauso viele Einheimische wie Touristen. Ein Teil der Touristen kommt sogar gezielt zum Gondelfahren nach Bamberg. Das sind meist ältere Pärchen, deren Traum immer eine Hochzeitsreise nach Venedig war. Weil sie sich den nie erfüllen konnten, kommen sie nach Bamberg. Die Bamberger selbst wollen gerne mal ihre Stadt vom Wasser aus sehen. Viele verschenken eine Fahrt zum Geburtstag, wir haben auch viele Heiratsanträge, jedes Wochenende mindestens einen und eine Hochzeit - mindestens!

Werden sie darauf vorbereitet?
Die sagen das schon vorher. Manchmal sprechen wir ab, dass wir Blumen und eine Flasche Sekt in die Gondel legen. Ich reiche das dann im richtigen Moment vor. Und bei den Hochzeiten wird das Boot ein wenig geschmückt. Im Bootshaus sind ja viele Hochzeiten, bei denen wir auch die Gäste fahren. Oder es gibt die Möglichkeit im Alten Rathaus standesamtlich zu heiraten. Danach kommen die Leute oft zu unserem Anlieger und machen noch eine Rundfahrt.

Ist also alles möglich?
Grundsätzlich ja. Es gibt auch Leute, die nehmen sich etwas zu essen mit auf die Gondel und fahren eine gute Stunde. Die ideale Dauer für eine Gondelfahrt ist aber eine dreiviertel Stunde.

Wie oft fahren Sie am Tag?
Mein Kollege und ich sind mit ganzem Herzblut Gondoliere. Wenn sie mich nach meinem Beruf fragen, dann bin ich Berufsgondoliere. Aber die Freude darf nicht verloren gehen. Deshalb nehmen wir nur so viele Gondelfahrten an, wie es uns Spaß macht. Drei bis vier Stunden sind ideal, sechs Stunden am Tag machen wir noch, aber acht Stunden Gondel fahren ist einfach zu viel.