Einem 60 Jahre alten Mann aus dem Landkreis Bamberg wird vorgeworfen, seine Stieftochter 39 Mal sexuell missbraucht zu haben.
Man kann den 60-jährigen Dieter F. (Name von der Redaktion geändert) eine schillernde Persönlichkeit nennen: Modeberater in Zürich, Inhaber der Markenrechte für "Martini"-Fahrzeuge, die nur bis zum Jahr 1934 gebaut worden sind, "Entwickler" eines "revolutionären Öko-Automobils", Übersetzer der Bibel aus dem Altgriechischen, Aramäischen und Hebräischen, Erfinder eines verbesserten Kaffeekapselbefüllsystems sowie neuartiger Gartenmöbel und - nicht zuletzt - "Chefentwickler" für die Schweizer Regierung.
Die Schweizer Mission ist allerdings strikt geheim, er darf nicht darüber sprechen. Sagen darf er aber, dass ihm die für seine Arbeit zum 60. Geburtstag versprochenen 5 Millionen von den Schweizern noch immer nicht überwiesen worden sind.
In Wahrheit hat Dieter F. in den letzten Jahren überhaupt kein Geld verdient. Er lebte über neun Jahre mit einer Frau zusammen, der es recht war, dass er sich als Hausmann nützlich machte und sie das Geld verdiente. Mit seinem Engagement für die Familie, das er vor Gericht in glühendsten Farben schilderte, scheint er 2013 einen entscheidenden Schritt zu weit gegangen zu sein.
So schillernd Dieter F. sein Leben beschreibt, so kurz, so kühl und geradezu banal ist die Anklage der Staatsanwaltschaft, die ihn vor Gericht gebracht hat. Sie lautet auf sexuellen Missbrauch von Kindern in zehn Fällen und sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in 29 Fällen. Die Unterscheidung rührt vom Alter des Opfers her. Zehn Mal soll sich der Mann an seiner Stieftochter vergangen haben, als diese noch keine 14 Jahre alt war, 29 Fälle sollen nach ihrem 14. Geburtstag passiert sein. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Spanne von drei Jahren aus, in der sich die Übergriffe zugetragen haben, meistens in der Wohnung der Familie im Landkreis Bamberg.
Immer das gleiche Muster
Das Muster war immer gleich: F. fasste das Mädchen unter der Hose an den unbekleideten Schambereich. Es sei immer eine Sache von nur wenigen Sekunden gewesen, sagte der Mann vor Gericht und bestritt, den Finger in die Scheide des Mädchens eingeführt zu haben.
Im Januar 2016 vertraute sich die junge Frau ihrer Mutter an. Beide gingen nicht zur Polizei, denn die Tochter hatte Angst vor dem, was auf sie zukommen würde. Die damals ohnehin schon angeschlagene Ehe nahm durch die Vorwürfe der Stieftochter weiteren Schaden. Im März setzte die Mutter den Mann, mit dem sie seit 2008 zusammenlebte und den sie 2014 geheiratet hatte, an die frische Luft.
Mit dem Reisegeld, das sie ihm gab, fuhr Dieter F. zu einer Bekannten in die Schweiz. Nach wenigen Tagen war die Summe aufgebraucht, doch seine Frau weigerte sich, neues Geld zu schicken. So fuhr er zurück nach Bamberg, wo er mehrere Tage im Klinikum am Bruderwald und in der Klinik St. Getreu verbrachte.
Dann ging er zur Polizei. Seine Begründung vor Gericht: Er habe die Stieftochter wegen ihrer falschen Behauptungen anzeigen wollen. "Sie hat mich benutzt, ausgenutzt, weggeworfen und zusammen mit ihrer Mutter entsorgt." Nicht er habe jeweils die Initiative ergriffen, sondern sie sei es gewesen, die seine Hand genommen und in ihre Hose gesteckt habe.
"Von wegen blonder Engel"
Die junge Frau habe ihn erpresst: Wenn er nicht mitmache, werde sie es der Mama verraten. Dieter F. zeichnete ein wenig schmeichelhaftes Bild der Stieftochter. "Von wegen blonder Engel!" Sie habe ein verzerrtes Weltbild, sei emotional instabil, habe im Sport nachgelassen, habe zunehmend schlechtere Noten geschrieben, leide unter einer Borderline-Störung und so fort. Der Stiefvater ließ kein gutes Haar an dem Mädchen, das heute erst 15 Jahre alt ist.
Dieter F. sagte aus, fieberhaft nach einer Lösung gesucht zu haben, um die Familie zusammenzuhalten. Er habe seine Rettung in einem jungen Mann gesehen, dem ersten Freund der Stieftochter: Durch ihn werde wohl ihr sexuelles Interesse am Stiefvater nachlassen. Leider aber habe sich der junge Mann schnell wieder getrennt.
Die Aussage von Dieter F., in der er seiner Stieftochter einen großen Anteil an der Schuld zuschiebt, ist nicht ganz deckungsgleich mit dem von ihm penibel formulierten Vernehmungsprotokoll bei der Polizei. Damals, so sagte ein im Zeugenstand vernommener Kriminalbeamter, habe sich Dieter F. des sexuellen Missbrauchs seiner Stieftochter bezichtigt. Es sei keine Rede davon gewesen, dass er seine Stieftochter habe anzeigen wollen.
Mehr als 400 Frauen
Mindestens 20 eng beschriebene Seiten las Dieter F. dem Gericht vor. Er zählte seine Erfindungen auf und berichtete von einer schier unerschöpflichen Potenz, die es ihm ermögliche, drei Stunden lang Sex zu haben. Er habe mit mehr als 400 Frauen geschlafen und schon immer reifere Frauen bevorzugt. Und jetzt soll er ein junges, unerfahrenes Hühnchen wie seine Stieftochter begehrt haben? "Der Vorwurf ist schlicht absurd!" Die Verhandlung wird am Dienstag fortgesetzt.
Dieser "anschauliche Bericht" verlangt dem Leser einiges ab. Angesichts der Ausführungen des Angeklagten wird die Anwältin wohl auf Unzurechnungsfähigkeit u. gestörte Persönlichkeit setzen. Das ist wirklich krank, waser von sich gibt.