Der Bamberger Domkapitular Norbert Jung ist historischer Gutachter im Seligsprechungsverfahren für Schwester Aloysia Luise Löwenfels.
Herr Domkapitular, Sie sind als historischer Gutachter in dieses Verfahren berufen worden. Worin besteht Ihre Aufgabe?
Jung: Aufgabe der historischen Kommission ist es, alle Schriften von Luise Löwenfels und alle Dokumente, die ihr Leben betreffen, zu sammeln bzw. schon bestehende Sammlungen historisch zu bewerten. Es geht dabei zunächst nicht um eine theologische Einschätzung, sondern um Vollständigkeit und um die Sicherstellung eines fachlich korrekten Vorgehens, damit nichts Relevantes übersehen oder unterschlagen wird.
Welche Voraussetzungen müssen für eine Seligsprechung von Sr.
Aloysia erfüllt werden? ?
Neben dem Nachweis eines heiligmäßigen Lebens und ihres bestehenden Rufs der Heiligkeit unter den Gläubigen muss vor allem ihr gewaltsamer Tod als Martyrium anerkannt werden, was aber möglich erscheint, da dies im Parallelfall Edith Stein bereits geschehen ist.
Welche Bedeutung hätte eine Selige Aloysia für das Erzbistum Bamberg?
Der Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime von Seiten der Bamberger Kirche hielt sich in Grenzen, insbesondere was den Einsatz für die verfolgten Juden betrifft. Es erschiene mir daher im jesuanischen Sinn angemessen, wenn nicht ein Vertreter der Hierarchie, die damals ihre Kompromisse schloss oder schließen musste, sondern eines der vielen kleinen Opfer zur Ehre der Altäre erhoben würde.
Da in Bamberg meist die großen Heiligen unserer Geschichte wie Heinrich, Kunigunde und Otto im Mittelpunkt stehen, wäre das eine zeitgemäße Ergänzung des "lokalen Heiligenhimmels", auch wenn der Schwerpunkt der Verehrung Sr. Aloysias natürlich in Limburg und Holland liegt.
Sr. Aloysia war gebürtige Jüdin, ist als solche in Auschwitz ermordet worden. Welche Konsequenz soll daraus heute gezogen werden?
Sr. Aloysia wurde nach Auschwitz gebracht, unmittelbar nachdem die holländischen Bischöfe in einem Hirtenbrief gegen die Judenverfolgung protestiert hatten; bis dahin waren jüdisch stämmige Ordensleute verschont worden. Insofern ist sie auch aus Hass gegen den Glauben bzw.
Rache gegen die Kirche umgebracht worden, was die damaligen Wärter den Gefangenen auch klar gesagt haben: "Ihr wisst, dass Ihr das Euren Bischöfen zu verdanken habt!" Die Konsequenz daraus muss der gemeinsame Widerstand der Gläubigen aller Religionen gegen Menschenrechtsverletzungen aller Art sein, ohne Unterschiede in der Weltanschauung zu machen oder gar gegeneinander zu arbeiten.
In welcher Hinsicht ist Sr. Aloysia ein Vorbild?
Sie ist ihren Weg konsequent gegangen, ohne sich durch Widerstände in der eigenen Familie oder der damaligen Gesellschaft beirren zu lassen und wusste sich dabei durch den Glauben an Jesus Christus gestärkt. Das Wissen darum kann uns heute auch in weniger dramatischen Lebensumständen hilfreich sein.