Der Sassanfahrter Sitz der Grafen von Soden wurde mit Millionenaufwand saniert. Der prächtige Bau wird nun Kultur- und Bildungszentrum.
Gestürmt haben die Sassanfahrter ihr Schloss nicht - aber mit großer Freude Einzug gehalten! Altbürgermeister Andreas Schlund und der frühere Gemeinderat hatten sich so manche Kritik der Ortsbewohner am Kauf der Immobilie (2002 für 475 000 Euro) und an der Absicht, den Sitz der Grafen von Soden mit Millionenaufwand zu sanieren, gefallen lassen müssen. Am Sonntag aber, als sich die Türen für alle Interessierten nach dreijähriger Bauzeit öffneten, waren nur noch versöhnliche Töne zu hören. Begeistert von dem "Schmuckkästchen" ergriffen die Sassanfahrter Besitz von "ihrem" Schloss.
Kindheitserinnerungen wurden wach und es wuchs die Vorfreude auf die kulturellen Veranstaltungen, denen das Baudenkmal künftig einen würdigen Rahmen verleihen wird.
Dafür geeignet ist auch der vom Architekturbüro Plaß konzipierte "geschlossene Paradiesgarten".
Bürgermeister Klaus Homann (CSU) nahm bei der Einweihung- und Eröffnungsfeier am Samstag viele Glückwünsche entgegen: Hirschaid habe mit der Erneuerung und dem Nutzungskonzept den richtigen Weg beschritten, versicherten die Ehrengäste, an der Spitze Oberfrankens Regierungspräsident Wilhelm Wenning. Er bezeichnete das in alter Pracht wiedererstandene Schloss als "Schmuckschatulle". Genutzt wird es fortan als "Julius von Soden - Kultur- und Bildungszentrum" (KUBIZ). Schüler aus der ganzen Region sollen hier unter anderem Geschichtsunterricht "zum Anfassen" erhalten. Das Anwesen kann ebenso für Tagungen und Schulungen aus der Verwaltung oder Wirtschaft gebucht werden.
Darüber hinaus eignet es sich für kulturelle Veranstaltungen für bis zu 100 Besucher, oder es gibt den dekorativen Rahmen für standesamtliche Trauungen und Familienfeste.
In einem Nebengebäude soll die Schlossverwaltung mit Annette Schäfer an der Spitze untergebracht werden. Altbürgermeister Schlund geht als Vorsitzender der Kunst- und Kulturbühne Hirschaid davon aus, dass sein Verein die Kultur-, Bildungs- und Begegnungsstätte wie vorgesehen betreuen darf.
Zusammen mit bürgerlichen Arbeitskreisen hatte sich der Verein ja schon erfolgreich in das Gestaltungs- und Nutzungskonzept eingebracht. Dass das Schloss alsbald mit Leben erfüllt wird, diese Hoffnung sprachen auch Landrat Johann Kalb (CSU) und Bezirkstagspräsident Günther Denzler (CSU) aus, die sich sichtlich über diese Bereicherung des Bamberger Landes freuten.
MdL Heinrich Rudrof will sich dafür einsetzen, dass für die schulische Nutzung eine volle Lehrerstelle bewilligt wird; momentan ist nur eine halbe Kraft in Aussicht gestellt.
"Schlunds Baby" Bürgermeister Homann erklärte die feste Absicht der kommunalpolitisch Verantwortlichen, "das Baby von Andreas Schlund zum Laufen zu bringen". Schlund hatte vergeblich gehofft, die Einweihung noch in seiner Amtszeit feiern zu dürfen. Doch hatten, wie Architekt Plaß darlegte, eine Reihe von unvorherzusehenden Hindernissen den Zeitplan gehörig durcheinander gebracht. Komplikationen gab es vom unerwarteten Hangwasser mit Hangbruchgefahr bis hin zur Pleite einer der beteiligten Baufirmen etliche.
Andererseits hatte Hirschaid auch "großes Glück", so Andreas Schlund, dass das Projekt 2009 von der EU berücksichtigt und vom "Europäischen Fonds für regionale Entwicklung" gefördert worden sei. Bei Gesamtkosten von 4,3 Millionen Euro flossen aus dem EU-Programm 1,1 Millionen Euro; dazu kamen noch 222 000 Euro Kofinanzierung des Freistaates Bayern. Die Oberfrankenstiftung, berichtete Regierungspräsident Wennig, steuerte 750 000 Euro bei. Aus dem Entschädigungsfonds wurden 320 000 Euro bereitgestellt, die Landesstiftung gab 240 000 Euro und der Landkreis spendierte 5000 Euro. Aus der LEADER-Förderung der EU wurde zuletzt die Ausstattung des Schlosses mit 140 000 Euro bezuschusst. Und dann übergab der Regierungspräsident dem Bürgermeister Homann noch einen Bewilligungsbescheid über 325 500 Euro. Ein freilich noch siebenstelliger Betrag bleibt der Gemeinde Hirschaid zu finanzieren.
Mit dem Dank an alle beteiligten Behörden, Politiker, Baufirmen und kulturell engagierte Bürger wurde die Feierstunde abgeschlossen.
Am Sonntag waren ein Chorkonzert, das wegen des Regens in den Saal verlegt werden musste, und die Präsentation einer neuen Ortschronik die Programmhöhepunkte. Stundenlang nutzte die Dorfbevölkerung die Gelegenheit, das runderneuerte Schloss Sassanfahrt kennenzulernen. Beim gemütlichen Plausch im Schlossgarten wurden schon Zukunftspläne geschmiedet, wo ein Adventsmarkt stattfinden könne und wie toll sich die Anlage für ein schönes Weinfest nutzen ließe.
Skepsis gewichen Die Sassanfahrter Günter und Juliane Schramm bestätigten, dass ihre ursprüngliche Skepsis der Begeisterung gewichen sei.
Nun liege es am Marktgemeinderat, die Bedingungen für die Nutzung des Schlosses durch kulturelle Vereine so zu gestalten, dass möglichst viel Ortskultur ermöglicht wird. Andernfalls drohe Leerstand.
Edda Ruderich saß still in einer Ecke des Küchentraktes und erinnerte sich, wie sie als "Kriegskind" Ende der 1940 Jahre in den Schlossgarten geschickt wurde, um Bucheckern zu sammeln und die Früchte zusammen mit einem Stück Brot zu essen. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass aus dem "alten Gerutsch", das später noch vollständig abgewohnt worden sei, ein solches Schmuckstück werden würde. Und statt Bucheckern gab's nun leckeren Kuchen, Kaffee und edle Tropfen. "Jetzt sind wir Sassanfahrter alle richtig stolz und zufrieden," behauptete Edda Ruderich. Keiner widersprach.