Rolex, Oldtimer oder doch die Wohnung?

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Was passiert, wenn 50 Menschen öffentlich um eigene vier Wände in Bamberg buhlen.

Die Stühle im großen Sitzungssaal des Amtsgerichtes Bamberg sind an diesem Morgen so heiß begehrt wie der Wohnraum in der Stadt. Auf die eine Wohnung, die versteigert werden soll, kommen rund vier Dutzend Interessenten: ein Buhlen um eine Rarität. Mittendrin der Mieter, der mit sichtlich gemischten Gefühlen verfolgt, wer nach 16 Jahren sein neuer Vermieter werden wird. Gut möglich, dass der neue Eigentümer mit 350 Euro Kaltmiete für 60 Quadratmeter nicht mehr zufrieden ist und von dem Sonderkündigungsrecht nach einer Zwangsversteigerung Gebrauch machen wird.

Die Stühle im Zuschauerraum füllen sich trotz der vielen Interessenten nur langsam. Die Einlasskontrolle mit kleiner Leibesvisitation erweist sich als Nadelöhr. Die Steigerwilligen stehen dort Schlange. Der Start für die Zwangsversteigerung verzögert sich. Zeit für diejenigen, die bereits Platz genommen haben, die Lage zu sondieren. Gesprochen wird - wenn überhaupt - nur im Flüsterton. Schließlich ist der Unbekannte auf dem Stuhl nebenan der direkte Konkurrent, den man nicht in seine Karten blicken lassen will.

Der einzige offenere Smalltalk findet in der hinteren Reihe statt. Man(n) unterhält sich zunächst zwanglos darüber, zu welchem Anlass man(n) eine Rolex oder eine Breitling über das Armgelenk streift. Zwischendurch ein zaghaftes Abtasten in Richtung der zu versteigernden Wohnung, heutiges Objekt der Begierde.

Der Wortwechsel hört sich an, als wolle man(n) den Gesprächspartner in Sicherheit wiegen: Eigentlich hat der Herr mit dem Karohemd ja gar keine Zeit, bis zum Ende der Versteigerung zu bleiben. Sein groß gewachsener Gesprächspartner scherzt: "Ich kann ja leider dann nicht für dich bieten!" Nicht so schlimm, wiegelt Ersterer ab: Wenn es heute die Wohnung nicht wird, wird der ,Schotter‘ eben morgen in einen Oldtimer investiert.


Bieten gegen Vorauskasse

Mit jeder Minute ihres Zwiegespräches und mit fortschreitender Bietzeit werden die beiden Experten mehr und mehr zu Konkurrenten. Bis sie sich schließlich in der Schlussphase der Versteigerung mehrfach gegenseitig überbieten. Zwischendurch haben die "Hinterbänkler" Zeit für einen kritischen Blick auf die Mitbewerber. "Für Modeschmuck hat es noch gereicht", geleiten sie die ersten Bieter, die den Sitzungssaal verlassen, mit Worten hinaus.

Von der letzten in die erste Reihe. Dort wird das erste Gebot abgegeben. 80 000 Euro bietet eine Frau für die Wohnung, die laut Gutachten 105 000 Euro wert ist. Ein Zehntel dieses Verkehrswertes muss sie, wie jeder andere Bieter auch, per Barscheck auf den Tisch des Vorsitzenden legen. Immer mehr Bieter zücken einen solchen Scheck und treten vor. Die Gebote steigen um 5000 und dann nur noch um je 1000 Euro. Schnell wird der Verkehrswert erreicht und sogar übertroffen. Knappes Angebot und hohe Nachfrage bestimmen auch hier den Preis. Nun steigen auch die Herren auf den rückwärtigen Stühlen aktiv ins Geschehen ein. 120 000 und 125 000 Euro werden aufgerufen, die 130 000-Euro-Marke geknackt.

Mehrfach setzt der Vorsitzende zum verheißungsvollen "zum Ersten, zum Zweiten und zum ..." an. Selbst das "zum Dritten" bedeutet im Gegensatz zu anderen Auktionen jedoch noch nicht, dass der letzte Bieter jubeln darf. "Der Zuschlag ist erst erteilt, wenn die Bietzeit geschlossen ist", hat der Vorsitzende schon zu Beginn erläutert.
Bei der Versteigerung an diesem Morgen ist nach dem ersten Aufruf "zum Dritten" bereits Schluss. Keiner bietet mehr als 132 000 Euro. Auch nicht unsere "Hinterbänkler". Die Frau in der ersten Reihe, die das erste Gebot abgegeben hat, hat auch das letzte Wort am Bietertisch.

Ob sie die Wohnung selbst nutzen will, weiter oder neu vermieten will, ist nicht Teil des Versteigerungsverfahrens. Haben also nach 70 Minuten 49 von 50 Anwesenden Klarheit über die neuen Eigentumsverhältnisse, so muss der Mieter noch bangen.