In einem Zivilstreit um Schmerzensgeld zwischen zwei unterfränkischen Fußballern hatte jetzt ein Orthopäde und Unfallchirurg das Wort. Die Verletzung des Klägers kann demnach auch ohne das Zutun Dritter entstanden sein.
Der Sachverständige kam mit einer Aktentasche und - einem halben Bein. An dem Stück von einem menschlichen Skelett - Fuß, Knöchel, Waden- und Schienbein - veranschaulichte Professor Wolf Strecker das Gutachten, das er am Mittwoch in Sitzungssaal 1.104 im Justizgebäude am Bamberger Wilhelmsplatz erstattete.
Der Orthopäde und Unfallchirurg, Chefarzt am Bamberger Klinikum, war der vorerst letzte (sachverständige) Zeuge in einem langwierigen Zivilverfahren um Schmerzensgeld zwischen zwei unterfränkischen Fußballern.
Es geht um 10.000 Euro. Ein heute 21-Jähriger erlitt im Dezember 2010 bei einem Jugendfußball-Hallenturnier in Eltmann eine erhebliche Verletzung am Bein und gibt einem ein Jahr jüngeren Sportler die Schuld daran. Angeblich wurde er von diesem übel gefoult und absichtlich von hinten in die Wade getreten.
Gleichwohl: Der Beweis dafür fehlt bisher. Der Schiedsrichter hatte nur ein "normales" Foul gesehen und ein Einzelrichter am Landgericht Bamberg wies die Klage in erster Instanz im September 2012 ab. Der Geschädigte ging in Berufung, weshalb jetzt der 3. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) die Sache zu klären versucht.
Nachdem die Zeugenaussagen nicht wirklich weiterhalfen, den genauen Hergang des Zweikampfs zu rekonstruieren, sollte ein medizinischen Gutachten die Frage klären, ob die Verletzung von einer massiven Gewalteinwirkung herrührt.
Doch der Sachverständige verneinte dies unmissverständlich. Im Gegenteil: Ein Haarriss-Bruch des Wadenbeins, wie er damals bei dem Geschädigten diagnostiziert wurde, ist laut Strecker "ganz typisch für Kontaktsportarten" und soll sogar häufig ohne Fremdeinwirkung passieren.
Solche Verletzungen entstünden, wenn die Energie beim abrupten Abbremsen aus dem schnellen Lauf nicht abgeleitet werde. Was wiederum auf dem Rasen seltener vorkomme, als in einer Halle, wo der Sportschuh dem Fuß Haftung am Boden verleihe. Da bleibe die ganze Energie im Bein und könne zu einem Knochenbruch führen.
Die Fraktur ist dabei, wie der Orthopäde erklärte, die Folge dessen, was landläufig als "Umknicken" umschrieben wird: "Ein ganz typischer Mechanismus, der beim Abbremsen eintritt." Was der Sachverständige noch klar machte: Auch ein gesunder durchtrainierter junger Mensch ist vor solchen Sportverletzungen nicht gefeit.
Geht ein Bruch, wie er in diesem Verfahren eine Rolle spielt, auf eine massive Gewalteinwirkung von außen zurück, wäre laut Strecker auch die Muskulatur vor dem Knochen zerstört. Das sei aber nicht der Fall gewesen.
Unbeantwortet im Raum stehen blieb die Frage, was den Spieler seinerzeit bewogen hat, so plötzlich aus dem Lauf heraus anzuhalten, dass er sich womöglich selbst dabei verletzt hat.
Wollte er auf das gegnerische Tor schießen und stoppte deshalb ab? "Es ist eine alte Erfahrung im Fußball, dass dann, wenn ein Spieler schießen will, das Standbein steht", gab der Vorsitzende Richter Erhard Götz zu bedenken.
Vielleicht sei er ja auch unfair vom beklagten Spieler gebremst worden, hielt Rechtsanwalt Willy Marquardt dagegen, der den Kläger vertritt. Obwohl es nach dem Gutachten aus Sicht von Prozessbeobachtern eher 1:0 für den Beklagten steht, geben der Kläger und sein Anwalt die Sache noch nicht verloren.
Dagegen rechnet Rechtsanwalt Gerold Windfelder, der den angeblich unfairen Spieler vertritt, damit, dass die Klage wieder abgewiesen wird. Er bestätigte am Rande der Verhandlung, dass es Vergleichsangebote der gegnerischen Seite gab, er seinem Mandanten aber geraten hat, sie auszuschlagen. Grund: Er habe sich ja nichts zu schulden habe kommen lassen.
Möglicherweise geht der Zivilstreit noch vor Weihnachten zu Ende. Der nächste Termin am 18. Dezember könnte der letzte sein.