Überfall auf Tankstelle in Bamberg: Räuberin verurteilt, Rätsel bleiben

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Tatort Tankstelle: Als die Stationsleiterin die Einnahmen wegbringen wollte, wurde sie in ihrem Auto überfallen Foto: FT-Archiv
Tatort Tankstelle: Als die Stationsleiterin die Einnahmen wegbringen wollte, wurde sie in ihrem Auto überfallen  Foto: FT-Archiv

Die Zweite Strafkammer des Landgerichts verurteilte eine 45 Jahre alte Frau aus dem Landkreis wegen schweren Raubes.

Susanne G. (Name von der Redaktion geändert) hat 45 schwere Jahre hinter sich. Sie ist in Sachsen-Anhalt in einer Patchwork-Familie mit elf Kindern und einer alkoholkranken Mutter aufgewachsen, wurde selbst in jungen Jahren Mutter von vier Kindern, musste die Zwangsadoption eines Sohnes und den Tod einer Tochter verkraften und hielt sich finanziell immer nur mit großer Mühe und in wechselnden Jobs über Wasser. Doch egal, ob sie in einer Spielhalle, als Haushaltshilfe, in der Gastronomie oder im Zeitungsvertrieb tätig war: Sie hat sich nie strafbar gemacht.

Nun aber sitzt sie seit fast sieben Monaten in Untersuchungshaft und wurde gestern zu drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wegen schweren Raubes, räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer und gefährlicher Körperverletzung.


Pfefferspray ins Auto gesprüht

Die Tat geschah am 24. Februar dieses Jahres in der Michel-Raulino-Straße an der Kreuzung Hallstadter Straße. Dorthin war Susanne G. mit einem Rad gefahren, das sie am Abend zuvor am Bamberger Bahnhof gestohlen hatte. Sie lauerte vor der OMV-Tankstelle der Stationsleiterin auf, die gegen 11.30 Uhr mit den Einnahmen der letzten Tage in Höhe von 10.000 Euro und fast 1200 Euro eigenem Geld in ihrem Auto nach Hallstadt zur Sparkasse fahren wollte.

G. riss die Beifahrertür auf, sprühte Pfefferspray ins Auto und riss den roten Einkaufskorb an sich, in dem sich das Geld befand. Kurz nachdem sie sich wieder auf das Rad geschwungen hatte, fiel das Geld auf die Straße. Die Täterin flüchtete ohne Beute auf der Hallstadter Straße stadtauswärts und entledigte sich dabei ihrer Tarnkleidung - Jacke, Sturmhaube, Handschuhe - sowie eines Etuis mit dem Handy der Stationsleiterin.

Noch am selben Tag erhielt sie in ihrer Wohnung im westlichen Landkreis Bamberg "Besuch" von der Polizei und wurde festgenommen. Eine Mitarbeiterin in der Tankstelle hatte den Verdacht geäußert, dass es sich bei der Täterin um ihre frühere Kollegin G. handeln könnte.

So war es auch: G. hatte ein Jahr lang in dieser Tankstelle gearbeitet , bis sie des Diebstahls von 2000 Euro überführt worden war. Deswegen war sie auch schon vor dem Amtsrichter gestanden. Den Raub beging sie noch während der laufenden Berufung. Es muss ein ungeheuerer Druck auf der Angeklagten gelastet haben, betonte Vorsitzender Richter Manfred Schmidt in der Urteilsverkündung. Die Zweite Strafkammer gehe von einem minderschweren Fall aus. Eine Bewährungsstrafe, wie der Verteidiger, Rechtsanwalt Christian Barthelmes, gefordert hatte, sei angesichts der schweren Verbrechen aber ausgeschlossen.

Das Geständnis brachte Susanne G. einen Bonus bei der Strafzumessung ein, warf andererseits aber Fragen auf, die am ersten und einzigen Verhandlungstag unbeantwortet bleiben mussten und neue Ermittlungen nach sich ziehen werden. Ihre Geschichte, wie es zu dem Raub kam, ist mysteriös, und sie wäre geradezu märchenhaft, gäbe es nicht mehrere Fakten, die von den Ermittlungsbehörden als zutreffend bestätigt wurden. Deshalb sei diese Vorgeschichte auch nicht zu widerlegen, war sich der Vorsitzende Richter mit Staatsanwalt Peter Braun einig.

Und das hat Susanne G. dem Gericht gesagt: Nach ihrer Entlassung aus der Tankstelle im Jahre 2015 kam sie in einem Bamberger Café zufällig mit einer Prostituierten aus Dortmund ins Gespräch. Die neue Bekannte bot ihr einen Kredit über 3000 Euro an, als sie von den Geldnöten der Bambergerin erfuhr. G. nahm an und quittierte die Summe auf einem Zettel.


Mit 1000 Euro nach Dortmund

Im Dezember 2015 sollte der erste Teil der Summe zurückerstattet werden. Susanne G. hatte 1000 Euro zusammengekratzt und fuhr mit dem Zug nach Dortmund. Dort wartete sie eine ganze Nacht auf dem Bahnhof, bis am nächsten Morgen endlich die Gläubigerin erschien und das Geld in Empfang nahm.

Dann hörte sie einige Wochen nichts mehr, bis am 23. Februar 2016 ein schwarzer BMW mit Dortmunder Kennzeichen in ihrem Wohnort auftauchte. Er war mit drei Leuten besetzt: der neuen "Freundin" und zwei Männern. Diese verlangten die sofortige Rückzahlung der restlichen 2000 Euro. Wenn sie das nicht könne, solle sie doch einen Überfall machen: "Du hast doch an einer Tankstelle gearbeitet." Mit Schlägen und Tritten auf die Beine machten sie Druck. Richtig Angst bekam Susanne G. aber erst, als ihr auf einem Handy ein Foto ihres Enkelsohnes gezeigt und angedeutet wurde, man werde dem Jungen etwas antun.

Die Drohung saß: Noch am selben Abend klaute Susanne G. ein plattes Fahrrad, fuhr es nach Hause, pumpte es auf und brachte es am nächsten Tag mit zum Treffpunkt am Laubanger. Dort nahm sie von den Dortmundern Tarnkleidung in Empfang, radelte los und überfiel ihre ehemalige Kollegin. Den Korb mit dem Geld will sie anschließend nicht verloren haben, sondern bewusst auf die Straße geworfen haben - zum Protest gegen die Leute, die sie zu dieser Tat gezwungen haben. "Ich lass' mich doch nicht erpressen."

So unglaublich die Geschichte klingt: Die Personen mit den sehr komplizierten ausländischen Namen, die Susanne G. als Hintermänner und treibende Kräfte für den Raub benannt hat, existieren wirklich. Die Fahrkarte nach Dortmund hat sie wirklich gekauft - was in ihrem Computer nachzuweisen war - und ihre Beine waren wirklich von Hämatomen gekennzeichnet, die von stumpfer Gewalteinwirkung herrühren könnten, wie eine Gutachterin der Kammer bestätigte. Die ominösen Personen sollen jetzt genauer unter die Lupe genommen werden. Möglicherweise haben auch sie sich strafbar gemacht. Zur Aufklärung der Tat von Susanne G. waren ihre Aussagen aber nicht vonnöten.


Zauberei mit Haaren

Ein Ermittlungsansatz wird dann ein Haarbüschel sein, das angeblich von der Frau aus Dortmund stammt. Es wurde in einem Schrank von G. gefunden. Mit Hilfe der Haare und eines Fotos aktivierte sie auf Bitten ihrer Bekannten magische Kräfte und wandte einen Zauber an, um die Freundin vom Fluch einer bösen Magierin zu befreien.