Punkrockband Broilers: "Mal aufs Bandimage scheißen"

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Früher haben die Broilers in kleinen Clubs gespielt, mittlerweile füllen sie ganze Hallen wie hier in Dortmund. Foto: Jessika Wollstein/Annother Dimension
Früher haben die Broilers in kleinen Clubs gespielt, mittlerweile füllen sie ganze Hallen wie hier in Dortmund.  Foto: Jessika Wollstein/Annother Dimension
Sänger Sammy Amara live in Dortmund Foto: Jessika Wollstein/Another Dimension
Sänger Sammy Amara live in Dortmund Foto: Jessika Wollstein/Another Dimension
 
Die Broilers live in Dortmund Foto: Jessika Wollstein/Another Dimension
Die Broilers live in Dortmund Foto: Jessika Wollstein/Another Dimension
 
Das Cover des aktuellen Albums "Noir" Foto: Another Dimension
Das Cover des aktuellen Albums "Noir" Foto: Another Dimension
 

Die Sänger der Band "Broilers", Sammy Amara, hat zusammen mit anderen Musikern die stark kritisierte, deutsche Version von "Do they know it's christmas" veröffentlicht. Die Gründe dafür verrät er im Interview. Am 22. Dezember spielen die Punkrocker in Bamberg.

Du hast kürzlich "Do they know it's christmas" aufgenommen. Das ist musikalisch ein großer Kontrast zu dem, was du sonst machst. Wie kam es denn dazu?
Sammy Amara: Bob Geldof hat Campino verpflichtet, sich in Deutschland darum zu kümmern. Und er hat es dann genauso weitergegeben. Natürlich habe ich mir es am Anfang überhaupt nicht leicht gemacht mit der Entscheidung, weil ich ja eben weiß, das Ding ist alles, aber nicht cool. Uns, also den Broilers, bringt es so gesehen gar nichts. Es schadet unserem Bandimage - aber da muss man eben auch mal aufs Bandimage scheißen. Und auch darauf, ob man cool und authentisch ist, wenn es dadurch eine Möglichkeit gibt, dass man vielen, vielen Menschen hilft. Weil man eben damit Vereine und Aktionen unterstützt, die dort, wo es Probleme gibt, helfen können. Da muss eben mal die Coolness im Keller bleiben.




"Alle sollen den Song kaufen, auch wenn du den Song selbst doof findest." - Teilst du diese Äußerung mit Campino?
Sammy Amara: Wenn die Leute den Song nicht kaufen wollen, dann soll er zumindest ein Bewusstsein bei den Menschen wecken, und die können gerne auf anderem Wege spenden oder helfen. Aber zumindest soll den Leuten klar werden, dass es da draußen Menschen gibt, denen es nicht so gut geht wie uns. Und deswegen kommt der Song natürlich zu Weihnachten, wo tendenziell die Herzen ein bisschen offener sind.




Der Song hat große Diskussionen ausgelöst - Sänger Patrice hat sich öffentlich darüber geärgert, dass er überhaupt mitgemacht hat. Aber ich höre raus, dass du deine Teilnahme nicht bereust oder?
Sammy Amara: Nein, ich bereue das nicht. Und bei Patrice war es so, dass er es nicht gut fand, dass im Intro des Videos die Frau im Sterben gezeigt wird und nur leicht bekleidet war. Das sind überhaupt keine schönen Bilder, das ist richtig, aber diese Bilder sind wichtig. Es bringt auch nichts, dass man da grinsende Stars und Sternchen sieht. Es muss klar sein, um was es geht. Und da sterben Menschen, in diesem Fall auf ganz ekelhafte Art und Weise. Ein Kuss kann tödlich sein - was erst nach Schlager klingt, das ist auf einmal ganz greifbar, weil es eben so ist. Die Leute sterben, ohne dass jemand Abschied nehmen kann, ohne dass sie ihre Familie sehen dürfen, weil die Familie eben Gefahr läuft, sich zu infizieren. Ich glaube, solche Bilder braucht's halt, damit sie mal klar machen, was das Problem ist.




Wie war es denn, mit Musikern ganz anderer Musikrichtungen den Song aufzunehmen?
Sammy Amara: Das war eine schöne Erfahrung, weil - egal wie lange die Leute im Geschäft sind - jeder ist am Anfang erst einmal nervös. Jeder tastet sich an seine Strophe heran. Über diesen Weg lernt man viele geile Menschen kennen und natürlich auch viele, die nicht so geil sind.

Wer hat dich denn besonders begeistert?
Sammy Amara: Mich hat besonders Wolfgang Niedecken von BAP begeistert, das ist zwar überhaupt nicht meine Musik, aber der Typ ist so entspannt und so sympathisch. Das hat mich sehr gefreut, ihn kennengelernt zu haben. Zumal er ja auch mit meinem großen Idol Bruce Springsteen zusammenarbeitet, und wenn ich Wolfgang die Hand schüttele, dann schüttele ich auch indirekt Bruce die Hand.

Anfang November hattet ihr bei einem Konzert in Siegen nicht nur Fans, sondern auch Polizisten und eine Diebesbande im Publikum. 40 Mobiltelefone wurden beim Tanzen geklaut. Habt ihr davon auf der Bühne etwas mitbekommen?
Sammy Amara: Auf der Bühne bekommen wir von so etwas überhaupt nichts mit. Außer in den Momenten, wenn unser Security-Chef mir ein Portemonnaie zeigt, das bedeutet für mich immer, okay, da ist irgendwas los, ich mache jetzt eine Ansage. Wir kriegen das natürlich nach dem Konzert mit. Das ist vor allem ein Phänomen, das in diesem Jahr häufig bei größeren Konzerten auftritt. Da sind organisierte Banden, die sich zu diversen Punk, Rock und Popkonzerten verabreden und dort gezielt Menschen beklauen und das ist natürlich totale Scheiße.

Wie war eure Reaktion darauf, dass sie gefasst worden sind?
Sammy Amara: Ich freue mich. Das ist ganz wichtig, zum einen möchte ich, dass unsere Fans wissen, dass uns das nicht kalt lässt, und dass wir alles versuchen, dass man etwas dagegen tun kann. Wir können keine Ausgangskontrollen machen. Das darf aus sicherheitstechnischen Gründen gar nicht sein. Aber wir versuchen trotzdem alles, damit so etwas nicht mehr passiert.

Früher habt ihr eher in kleinen Clubs gespielt, heute auf großen Bühnen. Wie erklärt ihr euch diese Entwicklung?
Sammy Amara: Verbissen und zugleich entspannt, einfach weitermachen. Wir machen das jetzt seit 20 Jahren und hatten nie den Anspruch kommerziell völlig durchzustarten. Das ist tatsächlich versehentlich passiert. Ein großer Luxus ist, dass wir einfach weiterhin das machen konnten, worauf wir Bock hatten und es trotzdem Anklang gefunden hat oder vielleicht auch gerade deshalb. Das ist schon geil.

Habt ihr noch die Fans, die auch am Anfang dabei waren?
Sammy Amara: Ja, es sind noch welche dabei. Und das freut mich immer sehr, wenn ich sie kommen sehe. Aber es hat sich generell sehr viel mehr geweitet, also sowohl alters- als auch szenetechnisch. Das sind ganz normale Menschen, da steht die Büroangestellte neben dem Punk, und der Banker neben traditionellen Skinheads. Also alles ist am Start und so soll das auch sein.

Was bedeuten dir persönlich die Oi-Szene und der Punkrock?
Sammy Amara: Das ist für mich ganz wichtig. Das hat meine Jugend komplett geprägt, musikalisch und auch mich als Mensch. Es ist immer noch meine Lieblingsmusikart und dieser Gedanke, der dahinter steht, das Do-it-yourself, und dass jeder mitmachen kann, egal wie gut er ausgebildet ist, das ist einfach geil. Es nimmt jungen Menschen den Schrecken, selbst eine Band zu gründen. Du kannst halt nicht anfangen und gleich Pink Floyd sein, aber du kannst vielleicht die Sex Pistols sein.

Eure Musik hat sich verändert, aber der Name der Band bleibt. Warum haltet ihr daran fest?
Sammy Amara: Wir waren nie mit dem Namen zufrieden, schon zwei Tage nach Benennung der Band nicht. Der Name ist halt komisch, klingt aber einerseits ganz gut. Ich ändere mich auch, aber deswegen ändere ich meinen Nachnamen auch nicht. Das Ding bleibt so.

Mit eurem Song "Ich will hier nicht sein" nehmt ihr Bezug auf Asyl in Deutschland. Wieso hast du dieses Thema musikalisch aufgegriffen?
Sammy Amara: Ich war und bin angewidert und genervt, was im Moment immer stärker in Deutschland und in ganz Europa passiert. Das war ausschlaggebend für den Song. Da ist ein massiver Rechtsruck. Das fing mit Berlin-Hellersdorf an und das hat mich so an die 80er- oder Anfang der 90er-Jahre erinnert, als dort Idioten vor Flüchtlingsunterkünften standen und gebrüllt haben. Und es geht hier so weiter, es ist gang und gäbe, dass die Leute hier sagen: "Ich will keine Ausländer hier haben, aber ich bin nicht rechts." Ich fange an zu fragen: "Was bitte bist du, wenn nicht rechts?" Ich glaube, den Leuten muss mal bewusst werden, was für eine Scheiße sie da von sich geben. Wie kann man so kleingeistig und herzlos sein, dass man Menschen, die um Hilfe bitten, die Tür vor der Nase zuknallt? Das verstehe ich nicht.




Statt gängige Klischees zu bedienen, habt ihr die täglichen Probleme der Asylbewerber in eurem Video aufgezeigt. Warum?
Sammy Amara: Wir haben lange überlegt, wie wir das Video umsetzen. Und wir wussten ziemlich früh, dass wir überhaupt nicht auftauchen sollten. Wir wollten aber auch nicht die totalen Klischees bedienen. Wir wollten einfach unverändert das Leben und den Alltag in Flüchtlingsunterkünften zeigen. Und das ist es eben: ein Porträt von den Menschen, die da leben - sehr, sehr unterschiedliche Menschen, die auf engstem Raum zusammenleben und bestimmt versuchen, das Beste daraus zu machen. Wir haben all die Leute aus dem Video kennen gelernt, die haben wir nach Berlin eingeladen. Das war ein extrem schöner Moment, das war auch ein Highlight für mich in diesem Jahr: Als die ganze Gruppe um die Ecke kam, die Kids völlig mit Cola abgefüllt, die sind dann wie Flummis rumgesprungen, die haben gegessen und sich das Konzert angeguckt... das war wirklich schön.

Euer Album "Noir" ist insgesamt sehr nachdenklich. Was erwartet die Fans auf eurem Konzert in der Bamberger Brose Arena?
Sammy Amara: Wir werden natürlich vom neuen Album spielen. Aber wir werden auch - weil es uns schon 20 Jahre gibt - die ganze Bandbreite der Band abdecken. Wir werden ganz alte Lieder herauskramen. Wir werden Lieder aus der mittleren Zeit herauskramen. Bei Konzerten bin ich mir immer ziemlich sicher, dass da keiner mit einem schlechten Gefühl nach Hause geht. Da geht jeder mit einem Grinsen nach Hause und hat eine gute Party gehabt.


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