Streit unter Senioren, einer stirbt. Nun ist ein 88-Jähriger in der Psychiatrie untergebracht. So wie es momentan scheint für immer.
Es war wohl mehr als eine normale Auseinandersetzung zwischen zwei Senioren. Der Ältere der betagten Zimmergenossen ist jedenfalls zwei Tage nach dem Vorfall im Breitengüßbacher Awo-Seniorenzentrum im Klinikum gestorben. Der Jüngere befindet sich derzeit in einer psychiatrischen Einrichtung und wird nach derzeitigem Sachstand wohl wegen Schuldunfähigkeit nicht vor ein Strafgericht gestellt werden können. Eher dürfte die dauerhafte Unterbringung in der Psychiatrie im Raum stehen.
Nach Auskunft von Oberstaatsanwalt Otto Heyder geht man im Moment von einer Schuldunfähigkeit des 88-Jährigen aus. Gutachten werden noch erstellt. Erst auf deren Grundlage ist zu entscheiden, wie es in dem Fall weitergehen wird.
Sollte sich herausstellen, dass von dem Mann eine Gefährdung ausgeht, wird er vermutlich dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus (meist dem Bezirkskrankenhaus) untergebracht, so die Ausführungen von Oberstaatsanwalt Otto Heyder.
Ein Tötungsdelikt unter Bewohnern einer Senioreneinrichtung ist freilich auch für den langjährigen Staatsanwalt ein "seltener Fall". Die Ergebnisse der Obduktion ergaben den Verdacht, dass der 90-Jährige in Folge ausgedehnter Rippenbrüche gestorben sein dürfte.
Was ist passiert
Was hat sich zugetragen? Wie aus gut unterrichteten Kreisen aus dem Heim zu erfahren war, hatten sich der 88-Jährige und sein zwei Jahre älterer Mitbewohner das Zimmer noch nicht allzu lange geteilt.
Ob sie sich von früher gekannt haben, ist nicht bekannt, jedenfalls stammen beide aus der Gemeinde Rattelsdorf. Der eine direkt aus Rattelsdorf, der andere aus dessen Gemeindeteil Medlitz, beide Orte sind nur wenige Kilometer voneinander entfernt. Ein gewisses Indiz dafür, dass man sich gekannt haben könnte.Der Streit selbst hatte sich in der Nacht des Zweiten Advent zugetragen. Selbst Bewohner der angrenzenden Zimmer hatten davon nichts mitbekommen.
Entdeckt wurde das Geschehen erst, als Personal den Jüngeren, der sich in einem anderen Teil der Einrichtung aufgehalten hatte, ins Zimmer zurückbrachte. Sofort handelten die zuständigen Awo-Kräfte, verständigten Notarzt und Sanitäter. Der 90-Jährige wurde in die Klinik gebracht, auch der 88-Jährigekam ins Krankenhaus. Später wurde er auf Grundlage des Betreuungsrechts und auf Anordnung der Staatsanwaltschaft in einer psychiatrischen Klinik untergebracht, wo er sich noch jetzt befindet.
Die Ermittlungen dauern an. Mangels Zeugen werde es aber sehr schwer sein, den genauen Tatverlauf beziehungsweise das Motiv herauszubekommen, deutet Oberstaatsanwalt Heyder an. Ein derartiger Fall in diesem Umfeld sei doch außergewöhnlich.Dass es Dunkelziffern geben könnte, will Heyder nicht ausschließen. Auch nach der "gefühlten Einschätzung" von Polizeipressesprecher Jürgen Stadter kommen Delikte unter Senioren "eher weniger" vor. Zumindest dringen sie nicht bis zur Polizei durch.
KOMMENTAR:
Mehr Zeit, würde schon ein bisschen helfen
Was spielt sich eigentlich wirklich hinter den Türen der Zweibett-Zimmer unserer Seniorenheime ab? Gibt es hier eine Dunkelziffer, was Gewalttätigkeiten unter meist willkürlich zusammengestellten Zimmer-Genossen anbelangt? Ist Breitengüßbach die Spitze eines Eisbergs, die nur deshalb publik wurde, weil ein Beteiligter verstorben ist, und dadurch öffentliche Stellen einbezogen wurden? Möglicherweise.
Gleusdorf steckt allen in den Knochen. Zu Recht. Gleusdorf hat uns hellhörig gemacht. Das ist gut so, soll aber nicht automatisch heißen, dass jedes Heim ein Horror-Heim ist. Gleich ist jedoch allen Senioreneinrichtungen, dass die Versorgung alter Menschen immer eine Gratwanderung mit vielen Grauzonen ist. Für das Personal, das Emotionen einbringen, sich aber auch selbst schützen und in der Hauptsache dokumentieren muss. Fakt ist auch, dass unser Gesundheitssystem nicht dafür ausgelegt ist, dass alte Menschen genügend von dem bekommen, was sie jenseits medizinischer Versorgung und der mit Nahrung und Haushaltsdienstleistungen benötigen: großzügige Zuwendung und Aufmerksamkeit, kurzum Zeit und Einsatz.
Damit ließen sich mehr Bedürfnisse befriedigen, Wünsche erfüllen, Probleme erkennen und vielleicht größere vermeiden.