Mit dem Wiener Tex Rubinowitz begann das "kleine" Bamberger Literaturfestival. Hinter den Kulissen wird um das viel größere "Literaturfestival Bamberg" gestritten.
"Ich lese nicht gern. Ich erzähle lieber." Mit diesem für eine Dichterlesung höchst destruktiven Satz stellte sich Tex Rubinowitz am Dienstagabend im E.T.A.-Hoffmann-Theater vor. Der Gewinner des Ingeborg-Bachmann-Preises von 2014 eröffnete "Bamberg liest" und sparte nicht mit - allerdings recht versöhnlichen - Verbalattacken "auf die Honoratioren links vorne".
Die saßen naturgemäß in der ersten Reihe, vor allem verkörpert durch den Bamberger Kulturreferenten Christian Lange. Der ebenso naturgemäß die "institutionelle Kulturförderung" der Stadt lobte. Dazu muss man wissen, dass in der Bamberger Kulturszene einige Unruhe entstanden ist. "Bamberg liest", vor fünf Jahren ins Leben gerufen von Martin Beyer und mittlerweile gut etabliert, hat Konkurrenz bekommen.
Das heißt: Viele würden bestreiten, dass das "Bamberger Literaturfestival" (BLV), dessen Premiere geplant ist für den 21. Januar bis 6. Februar kommenden Jahres, überhaupt mit der kleinen Reihe "Bamberg liest" mit kleinem Etat konkurriert. Manche sehen das anders. Vor allem die Grünen im Bamberger Stadtrat und im Kreistag protestieren vehement gegen das "Event" mit großen Namen wie Martin Walser und Donna Leon. Das BLV wird von einer eigens gegründeten Unternehmergesellschaft veranstaltet. Beteiligte: der Verein Bamberger Stadtmarketing, das Medienhaus Hübscher und der Bamberger Veranstaltungsservice. Gefördert wird es in beträchtlicher Höhe aus öffentlichen Mitteln, die von der EU, von Stadt und Landkreis stammen. Das passt den Grünen nicht: Ein "vorwiegend privatwirtschaftliches Event" werde "zu etwa 90 Prozent aus öffentlichen Mitteln gefördert", damit "das Risiko minimiert" werden könne. Zudem kollidierten die Termine des BLV mit denen der Bamberger Kurzfilmtage vom 25. bis 31. Januar 2016. Deren Sprecher befürchtet bereits, die 26. Version des regionalen Filmfestivals absagen zu müssen.
Versuchte Risikominimierung bestreiten die Veranstalter des BLV gar nicht. Sie beteuern, eventuell erwirtschaftete Überschüsse in weitere Festivals zu stecken. Die Terminierung will man noch überdenken, und Landrat Johann Kalb weist auf die vielen Veranstaltungen im Kreis, die Bamberg gar nicht tangierten. Wie dem auch sei, die Angelegenheit wird in der Bamberger Kulturszene noch einige Zeit kursieren.
Steifer als in Klagenfurt
Der kauzige Autor aus Wien, in Lüneburg 1961geboren, dürfte diese fränkischen Kabalen belächeln. Mit dem Bachmann-Preisträger hatte Beyer für die Eröffnung seiner "Bamberg-liest"-Reihe einen Knalleffekt geplant, der leider nicht so recht zünden mochte. Das lag nicht an Rubinowitz, nicht an dem für Max Müller von der Berliner Rockband "Mutter" kurzfristig eingesprungenen Audio- und Videokünstler DJ Kermit, nicht an den Schauspielern Eckhart Neuberg und Daniel Seniuk, die eine Passage aus Rubinowitz' Roman "Irma" lasen, ein Therapiegespräch. Es lag an dem einschüchternd kathedralenartigen Theatersaal, "so steif war es nicht mal in Klagenfurt", spottete der Gast aus Wien.
Zu seinem Auftritt hätte Kneipenatmosphäre besser gepasst. Denn Rubinowitz tut man sicher nicht unrecht, ihn im weiteren Sinn als Popliteraten einzuordnen, im Umfeld des leider verblichenen Literaturmagazins "Der Rabe", als dessen Herausgeber er zweimal fungierte, der Satirezeitschrift "Titanic", als Geistes- und Seelenverwandten solcher Autoren wie Max Goldt, Wiglaf Droste oder Harry Rowohlt. Ebenso wie dieser brilliert Rubinowitz als Meister der Digression, als Paganini der Abschweifung, als nervös vibrierender Ex-Cartoonist, geschmäcklerischer Musikkenner und manischer Reisender. So oszillierte er zwischen Reminiszenzen an seine Zeiten als Werbetexter ("Flugzeuge stürzen dauernd ab, Flughäfen nie"), Reflexionen über das Phänomen des vagabundierenden Drecks ("So verhält es sich auch mit der Sehnsucht") und Einlagen wie einer "Milieustudie des Hasses". Mit dem Motto des diesjährigen "Bamberg-liest"-Festivals, "Standortbestimmung", hatte dies nur nach einiger interpretatorischer Anstrengung zu tun, außer dass die Standorte literarische Fiktion und autobiografische Realität ("auf eine gute, solipsistische Art verbittert") flottierten. Es war kein Pointenfeuerwerk, doch hatte auch Interviewer Beyer Probeme, die sprudelnden, teils anscheinend frei assoziierten Wortkaskaden des Tex Rubinowitz zu bändigen. Ach ja, aus dem Roman "Irma", der
auch eine Liebesgeschichte ist, irgendwie, las er dann doch, quasi nebenbei. Dabei ist es eher "eine Verweigerung der Liebesgeschichte", erläuterte der Wiener. Und deshalb unbedingt lesenswert.
Das Programm von "Bamberg liest" ist einzusehen unter www.bamberg-liest.de.