"Polizisten" waren hochkriminell

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Am 31. Januar wird die Verhandlung vor der 3. Strafkammer des Landgerichts fortgesetzt. Foto: Archiv
Am 31. Januar wird die Verhandlung vor der 3. Strafkammer des Landgerichts fortgesetzt. Foto: Archiv

Zwei Männer müssen sich vor dem Landgericht wegen Betrugs verantworten. Unter anderem erleichterten sie eine Seniorin in Bamberg um fast 50 000 Euro.

Weil sie sich im Mai 2018 als Polizisten ausgegeben und so eine ältere Frau in Bamberg um 48 000 Euro betrogen haben, stehen zwei Männer (30 und 28 Jahre) vor dem Landgericht Bamberg. Auch eine Reihe weiterer vergeblicher Versuche in Hof werden dem Duo aus Cuxhaven zur Last gelegt. Im Prozess spielen ein RTL-Fernsehanwalt, eine Salatgurke und Hintermänner in der Türkei eine Rolle.

Als kurz vor 22 Uhr das Telefon klingelt und sich bei Helga D. (Name geändert) eine "Frau Bach von der Kriminalpolizei" meldet ist die 67-jährige Rentnerin erst einmal erschrocken. Am Hörer erfährt sie von angeblichen Einbrechern, die ihre Umgebung in der Gartenstadt unsicher machten.

Ob sie Bargeld, Schmuck oder andere Wertgegenstände im Hause habe? Um ihrer Lügengeschichte weitere Autorität zu verleihen, spielen zwei weitere Gauner am anderen Ende der Leitung dann einen "Kriminaler" und einen "Staatsanwalt". Sie bringen die ehemalige Strickerin dazu, die im Hause aufbewahrten rund 48 000 Euro in eine Plastiktüte zu geben, "um sie in Sicherheit zu bringen". Schließlich sei das ihr Notgroschen. Im Beutel befindet sich vom letzten Einkauf noch eine Salatgurke, die später auf einem Handyfoto eines der beiden Angeklagten zu sehen sein wird. Sogar ein Gurkenglas mit etwa 700 Euro Kleingeld verschmähen die Gauner nicht. Ein Kurier, der sich mit einem Kennwort ausweist, holt die Beute dann an der Haustür ab. "Schmuck habe ich keinen, sonst hätte ich den auch noch reingetan," so Helga D.

Rund zwei Wochen später wird es mit der gleichen miesen Masche in Hof nicht so rund laufen. Dort bekommen die Täter, die vorgeben, "eine Weltreise" zu machen und dabei ausgerechnet im Fichtelgebirge landen, keinen müden Euro. In sechs Fällen werden die Seniorinnen (68 bis 89 Jahre) misstrauisch, rufen ihrerseits die richtigen Gesetzeshüter an. Bei mehr als einem Dutzend weiterer ähnlicher Taten in Bamberg wird noch ermittelt.

In einem Fall hatte die Rentnerin bereits 10 000 Euro von der Bank geholt, um die Summe, die sie vor siebzehn Jahren bei Günther Jauch gewonnen hatte, in Sicherheit zu bringen. Dann kommen ihr aber ein Konzert- und ein Theaterbesuch dazwischen - und dann sind die Geldabholer bereits in Polizeigewahrsam. Die hält Oberstaatsanwalt Matthias Bachmann für Mitglieder einer Bande, die mindestens zu acht gemeinschaftlich und gewerbsmäßig vorgeht.

Obwohl beide den Eindruck erweckten, dass bei ihnen nichts zu holen sei, haben sie dennoch gleich drei Rechtsanwälte verpflichtet. Zum einen den Lokalmatador Jochen Kaller (Bamberg), dann Harald Lemke-Küch (Hannover) und zuletzt den durch zahlreiche TV-Formate bei RTL und Sat1 bekannten Christopher Posch (Kassel).

Wie ein echter Kriminalkommissar erläuterte, sitzen die Hintermänner in der Türkei. In großen Callcentern würden aus Deutschland heimgekehrte Türken geradezu generalstabsmäßig eine Stadt ins Visier nehmen. "Dann werden dort alle Annemaries angerufen." Weil man sich davon ältere Damen erhoffe.

Mithilfe einer Software, die am Display die "110" aufscheinen lässt, erwecken die Betrüger den Eindruck, es handle sich um einen offiziellen Anruf. "Solche Anrufe macht die Polizei aber nicht," so der Kriminalbeamte im Zeugenstand. Man könne die Fake-Anrufer auch nicht anhand gebrochenem Deutsch oder einem besonderen Akzent entlarven.

Stets Ersatz zur Hand

Sogenannte "Logistiker" in der Region kümmerten sich um das Fußvolk, das ja auch rekrutiert, betreut und befehligt werden müsste. Sie informierten ihre Komplizen: "Du musst wieder Geld abholen. Die Frau wird gerade von uns vorbereitet." Wenn einer ausfalle, etwa durch Verhaftung, dann hätte man stets Ersatz zur Hand. Deshalb seien die Fake-Anrufe in der Region auch nach der Verhaftung des Duos aus Cuxhaven weitergegangen. Einen Teil des Geldes dürften die Handlanger vor Ort behalten, hier war die Rede von 2000 Euro, den Rest müssten sie in Bremen persönlich übergeben. Dort verliere sich jede weitere Spur. Auf die beiden Angeklagten, die gemeinsam einen rund um die Uhr geöffneten Kiosk in Cuxhaven betrieben, einen sogenannten Spätkauf, war die Polizei in Hof gekommen. Bei der Durchsuchung des Fahrzeugs fanden sich nicht nur rund 2600 Euro Bargeld, Reste von Kokain und Marihuana, sondern auch illegale "Polenböller" und ein Teleskop-Schlagstock.

Am 31. Januar wird das Verfahren vor der 3. Strafkammer fortgeführt. Dann haben der Vorsitzende Richter Markus Reznik und seine Kollegen ein echtes Dilemma zu lösen: Verurteilt man das Duo mit der ganzen Härte des Gesetzes, um Nachahmer abzuschrecken und der Bevölkerung die Wehrhaftigkeit des Rechtsstaates zu zeigen; oder geht man auf einen Vorschlag der Verteidigung ein: Geständnis und ratenweise Rückzahlung der gesamten Summe "aus legalen Quellen" und dafür eine Bewährungsstrafe, so dass beide Angeklagten den Gerichtssaal als freie Menschen verlassen können.