Pflege: Versorgung daheim rund um die Uhr

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Projektleiter Josef Noppenberger und Casemanagerin Diana Büttner stellten stellvertretend für alle Bamberger Wohlfahrtsverbände das Modellprojekt vor. Foto: Marion Krüger-Hundrup
Projektleiter Josef Noppenberger und Casemanagerin Diana Büttner stellten stellvertretend für alle Bamberger Wohlfahrtsverbände das Modellprojekt vor.  Foto: Marion Krüger-Hundrup

Die Bamberger Wohlfahrtsverbände starten gemeinsam ein Modellprojekt in der Stadt, um hilfsbedürftigen Menschen ein Bleiben daheim zu ermöglichen. Der GKV-Spitzen- verband fördert das Projekt mit 290 000 Euro.

Bis zu ihrem schweren Schlaganfall konnte sich die 78-jährige Emma Mayer recht gut allein in ihrer Wohnung versorgen. Doch nach Krankenhaus, Reha, Pflegestufe stand fest, dass es so nicht weitergeht.

In ein Pflegeheim wollte Emma Mayer auf keinen Fall, obwohl ihr bewusst war, dass ihre berufstätige Tochter mit eigener Familie sie nicht rund um die Uhr daheim versorgen kann. Immerhin sprang die Sozialstation morgens und abends ein, drei Mal in der Woche verbrachte die alte Dame eine gewisse Zeit in der Tagespflege. Aber in den vielen anderen Stunden und in der Nacht blieb Emma Mayer auf sich gestellt.


Pflegelücke füllen

Genau diese Pflegelücke wollen die Bamberger Wohlfahrtsverbände Arbeiterwohlfahrt (AWO), Bayerisches Rotes Kreuz (BRK), Caritas und Diakonie füllen.
Dieses ambitionierte Vorhaben ermöglicht das "Modellprojekt 24 Stunden Versorgung/Pflege im Quartier in Bamberg", das vom Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV) mit 290 000 Euro gefördert wird. Grundlage dafür ist das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz, das - kurz gesagt - ambulante Konzepte vor stationären ermöglichen will.

Der GKV-Spitzenverband ist mit der Umsetzung des Modellprogramms beauftragt. Aus bundesweit mehr als 200 Bewerbern wurden 54 Projektorte ausgewählt, in Bayern nur München und Bamberg. Als Projektträger fungiert die "In der Heimat wohnen Verwaltungsgesellschaft mbH", die zum kirchlichen Wohnungsunternehmen Joseph-Stiftung und zum Caritasverband für die Erzdiözese Bamberg gehört.

"Das Modellprojekt ist eine Innovation, weil die Wohlfahrtsverbände verpflichtet werden, eine 24-Stunden-Versorgung auszubauen", erklärt Projektleiter Josef Noppenberger vom Diözesan-Caritasverband. Ziel sei, trägerübergreifende Netzwerkstrukturen zu schaffen, um diese Versorgung zu gewährleisten.

Zu diesem Netz würden alle gehören, die im Stadtteil aktiv sind: Angehörige, Bürgervereine, Ärzte, Selbsthilfegruppen, Altenheime, Ehrenamtliche, Seelsorger, Hospizvereine und mehr. "Alle können dazu beitragen, die Lebensqualität sicherzustellen, die Betroffene in ihrem gewohnten Zuhause wollen", betont Projektleiter Noppenberger.

Er nimmt auch die Stadt Bamberg in die Verantwortung: "Die Kommune ist ein wichtiger Kooperationspartner in der Weiterentwicklung von Infrastruktur und Netzwerk für Senioren." Jedenfalls würde die Stadt durch das laufende Projekt Hinweise für eine planvolle Gestaltung von Stadtteilen oder über bürgerschaftliches Engagement erhalten.

Bis zum Projektende im Februar 2018 sollen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, dass sich das Modell als feste Einrichtung etablieren kann. "Der Zukunftsbedarf ist da", weiß Sozialpädagogin Diana Büttner.


"Casemanagerin" kümmert sich

Offiziell am 1. November startet sie als sogenannte Casemanagerin mit Büro in der Fachstelle für pflegende Angehörige (Hainstraße): Für zunächst 70 bis 100 konkret Betroffene, die den Sozialstationen bekannt sind, will Diana Büttner "individuelle Lösungen für ein Verbleiben in der eigenen Häuslichkeit bis zu 24 Stunden finden". Also im persönlichen Gespräch ausloten, welche Ressourcen ein Pflegebedürftiger noch mobilisieren kann, welche Personen im Stadtteil für ihn etwas zu leisten vermögen, welche Pflegeleistungen und Angebote kombinierbar sind.

"Dabei will ich neue Wege und Versorgungsmöglichkeiten finden", so Büttner. Und zwar stets aus dem Blickwinkel des Betroffenen und seiner entsprechenden Bedürfnislage heraus. Auch die Familien könnten durch so ein individuelles Pflege- und Hilfsarrangement entlastet werden.

Die Casemanagerin berät und steuert auch die Projektgruppe, die sich aus Vertretern der Wohlfahrtsverbände zusammensetzt. Die wiederum sorgen mit dafür, dass zunächst Fachkräfte etwa aus Sozialstationen geschult werden, "um die Herausforderung einer neuen Herangehensweise an die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen bewältigen zu können", sagt Projektleiter Noppenberger.

Diese Schulungen werden von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena durchgeführt, die die spezielle Sichtweise von Unterstützungs- angeboten im Einzelfall in dem Projekt "Koproduktion im Welfare Mix der Altenarbeit und Familienhilfe" entwickelt hat.


Modellphase

Josef Noppenberger führt ein weiteres Instrumentarium an, das in der Modellphase aktiviert werden soll: eine umfassende Erfassung der Situation von Betroffenen und deren Bewertung. Diese Aufgabe wird die Katholische Akademie für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen, Regensburg, erfüllen. Die Joseph-Stiftung als Projektträger führt eine Sozialraumanalyse durch, auf deren Basis die Wohnquartiere in Kooperation mit der Stadt Bamberg weiterentwickelt werden sollen.

Für die Wohlfahrtsverbände bleibt nach den Worten Noppenbergers die Frage spannend, ob der Ansatz "ambulant vor stationär" funktioniert. Und ob Finanzierungssysteme entwickelt werden können, um etwa die Nachtpflege daheim zu sichern.

"Eine 24-Stunden-Pflege durch die Sozialstation kostet 6000 bis 8000 Euro im Monat", hat Josef Noppenberger errechnet. Ihm ist klar, dass das ganze schöne Modellprojekt "letztlich am Geld scheitern kann". Auch darüber müsse nachgedacht werden. Und Visionen seien vonnöten: Wie wird Pflege in zwanzig, dreißig Jahren möglich sein?