Wer einmal ein faules Ei erwischt hat, vergisst das nie und wünscht sich eine Durchleuchtungsmaschine für den Hausgebrauch. Gibt's aber nicht. Oder doch?
Die Nase hat den Schreck ihres Lebens gekriegt. Und sie wird ihn nie mehr vergessen. Das Letzte war's aus einer Sechser-Packung. Braunschalig, im Kühlschrank gelagert, noch zwei Wochen haltbar - und ganz und gar unverdächtig. Hartgekocht hätte es in den Spargelsalat gesollt.
Jetzt kann ich kein Ei mehr aufklopfen, ohne an den infernalischen Gestank erinnert zu werden, der diesem speziellen Exemplar nach den ersten paar Kontakten der Schale mit der Tischplatte entwich. Nehmen und wegwerfen wäre das Richtige gewesen. Aber nein, man muss ja auch nachschauen ... Grünbrauner Glibber im Gelben und von Schlieren durchzogen das Weiße. Ein "Genuss" auch für das Auge.
Was war los mit dem Ei?
Das wird doch so das Huhn nicht verlassen haben! "Bodenhaltung" stand auf der Verpackung. Könnte es angebrütet gewesen sein? Dass nochmal eine solche Stinkbombe in meiner Küche hochgeht, will ich vermeiden. Aber geht das überhaupt?
Wer, wenn nicht einer, für den 3300 Legehennen arbeiten, weiß es: Rainer Merz, der in Oberzaunsbach in der Fränkischen Schweiz einen Hühnerhof hat, schaut sich das Handyfoto vom faulen Ei an. "Ui, das hat was abgekriegt. Befruchtet und angebrütet war es aber nicht. Das sähe dann doch anders aus."
Haarrisse im Kalk
Den dezenten Hinweis, dass mir ein beschädigtes Ei gar nicht erst in den Kühlschrank kommt, quittiert er mit einem Lächeln. "Ein Knickei kann man schon noch verwenden. Vorausgesetzt, die dünne Haut unter der Schale ist noch intakt." Nur verkaufen darf man diese Eier nicht mehr.
Manchmal sind Haarrisse im Kalk, die man kaum erkennt. "Das wird bei Ihrem Ei der Fall gewesen sein. Durch die verletzte Membran sind Luft und Fäulnisbakterien oder Schimmelpilze eingedrungen."
In der Eierproduktion wird jedes Exemplar vor dem Sortieren durchleuchtet. Auf dem Hühnerhof Merz versieht eine Sortiermaschine aus dem Jahr 1966 wacker ihren Dienst. "Frisch geeicht", sagt Rainer Merz und legt zur Demonstration einige Eier auf die metallenen Förderrollen, unter denen eine helle Leuchtröhre so viel Licht abgibt, dass die Eier fast transparent schimmern.
"Damit hätte man auch das gesehen, was in Ihrem Ei dunkel war. Kleine Blutpunkte, die sich in manchen braunen Eiern befinden, lassen sich so ebenfalls erkennen. Das sind übrigen keine Teile eines Embryos."
Empfindlicher als Wurst und Käse
So einen Eierdurchleuchter gibt es freilich nicht für den Hausgebrauch. Oder etwa doch? "Wer sein Ei unbedingt prüfen will, nimmt einfach eine Taschenlampe", rät Rainer Merz.
Sehr viel wichtiger als das aber ist die richtige Lagerung. "Eier müssen reifen. Wie guter Wein. Etwa sieben Tage nach dem Legedatum schmecken sie am intensivsten. Doch spätestens nach 14 Tagen gehören sie in den Kühlschrank. Dort müssen sie bis zu ihrer Verwendung auch bleiben."
Also nicht rausnehmen, draußen liegen lassen, weil man später vielleicht noch einen Kuchen backen will, und sie dann doch wieder zurückstellen, weil man es sich anders überlegt hat? Rainer Merz schüttelt den Kopf. "Viele Verbraucher wissen gar nicht, wie empfindlich Eier gegen die Unterbrechung der Kühlkette sind. Viel mehr als Wurst und Käse."
Eier kochen ohne grünen Rand
Und wie kriegt der Profi Eier hin ohne den grünen Rand, der sich beim längeren Lagern des gekochten Eis bilden kann? "Eier kocht man doch nicht hart!", wendet er ein. "Und man sollte sie auch gegart nicht lange bei Zimmertemperatur rumliegen lassen. Ab in den Kühlschrank damit. Und das mit dem Abkühlen fragen Sie lieber meine Frau!"
"Schnell und gleichmäßig dafür sorgen, dass das Ei kalt wird", sagt Sibylle Merz. "Das geht am besten unter fließendem Wasser. Den Tipp habe ich von einer alten Bauersfrau. Aber eigentlich kann man ihn nicht ruhigen Gewissens weitergeben, wegen der Trinkwasserverschwendung. Allerdings essen wir gekochte Eier meistens immer gleich auf. Da würde sowieso nichts dunkel."
In der Osterzeit lässt der Oberzaunsbacher Hühnerhof Eier färben. Dazu nimmt der Chef den weiten Weg bis in die Gegend von Tauberbischofsheim auf sich. Dort in der Färberei kann er dabeibleiben, um sicherzugehen, dass er auch wirklich die eigenen Eier wieder mit heimnimmt.
Nicht waschen!
"Diese Ostereier werden nicht gekocht, sondern gedämpft. Deshalb ist der Dotter so gleichmäßig cremig. Da wird das heiße Ei auch ganz anderes heruntergekühlt als in der Küche zu Hause, wo man es zwar mit kaltem Wasser abschreckt, aber meistens nicht bedenkt, dass es innen für lange Zeit doch noch warm ist."
Und was macht man, wenn Hühnerkacke an der Eierschale haftet? "Auf keinen Fall waschen und in den Kühlschrank stellen. Dann ist die natürliche Schutzschicht weg und Schimmelsporen haben es leicht, in die feuchte Kalkschale einzudringen.
Lieber den Kot vorsichtig mit einem Messer abschaben. Waschen sollte man die Eier nur dann, wenn man sie anschließend gleich kochen will. Etwas Salz im Wasser verringert übrigens die Gefahr, dass sie beim Kochen platzen".
Der Fachmann merkt allein schon beim Griff an die Eierschale, wie es dem Huhn geht und was ihm vielleicht fehlt. Rainer Merz baut das Futter für seine Tiere selbst an, erntet und mischt es selbst. "So habe ich von A bis Z Einfluss auf die Gesundheit und die Eierqualität." Bei ihm produzieren die Hennen in Bodenhaltung. "Wir hatten auch schon mal einen Hahn mitlaufen. Aber da passiert nichts in Sachen Befruchtung und Anbrüten", kommt Merz auf die Ausgangsfrage zurück.
Angebrütete Eier gelten in einigen Ländern Südostasiens als Delikatesse und Aphrodisiakum. "Da werden die Embryonen mitgegessen, so lange Knochen und Schnäbel noch weich sind. Das ist schon heftig!"
Eier im Bierkrug
Normale Eier roh verzehren ist aber auch nicht jedermanns Sache. Anbohren und ausschlürfen - es soll genug Leute geben, die das machen. Oder Eierbier trinken.
"Da gibt's bei uns hier in der Gegend eine Gruppe, die schlagen Eier in den Krug und füllen mit Bier auf." Als Mutprobe? "Nein, einfach so. Aber nur einmal im Jahr, glaube ich."