Am 11. Februar ist "Tag des Notrufs". Die 112 gilt überall in Europa. Doch wo kommt der Anruf an, wenn man im Notfall diese Nummer wählt?
"In echt" testen geht nicht. Hier nicht. Auf keinen Fall. Was muss man sagen? Was wird man gefragt? Das einzige Mal, als für ein gestürztes Familienmitglied ein Rettungswagen angefordert werden musste, liegt lange zurück.
"Dann spielen wir das jetzt mal auf dem Schulungsprogramm durch", sagt Matthias Böhmer. "Sie melden einen Notfall und ich nehme die Informationen so entgegen, wie es unsere Disponenten machen würden."
Allerdings hat der Betriebsleiter der Integrierten Leitstelle des Zweckverbands für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Bamberg-Forchheim an seinem Büro-Arbeitsplatz keine fünf Bildschirme zur Verfügung, so wie die Männer und Frauen im Parterre eines Seitenflügels des BRK-Zentrums am Bamberger Paradiesweg.
Per Telefon: Anleitung zur Reanimation
Zuhören, Fragen stellen, schreiben und Maßnahmen in die Wege leiten muss ein Leitstellen-Disponent er gleichzeitig. Es gibt nicht wenige Fälle, in denen er per Telefon auch bei der kardiopulmonalen Reanimation hilft. "Das heißt, wenn beim Patienten der Verdacht auf Herz-Kreislauf-Stillstand vorliegt, kann der Leitstellen-Disponent dem Anrufer, oder jemand anderem, der am Unfallort ist und sich das zutraut, telefonisch Anweisungen zur Wiederbelebung geben. Bis der Rettungsdienst eintrifft. Diese Maßnahmen haben Ersthelferniveau", erläutert Matthias Böhmer.
Rund um die Uhr besetzt
Die Leitstelle ist rund um die Uhr mit drei Disponenten besetzt und von 9 bis 21 Uhr mit einem zusätzlichen Telefonisten. Bei Großschadensereignissen, wie Unwettern oder Zugunfällen, arbeitet an allen sechs Plätzen jemand. Außerdem gibt es für solche Fälle in einem Nebenraum vier PC-Arbeitsplätze, an denen Mitarbeiter tätig sein können, die ausschließlich Notrufe entgegennehmen.
16 Männer und sieben Frauen stehen für den Disponentendienst bereit. Grundsätzlich kann jeder alles machen, dennoch gibt es in jeder Schicht einen Mitarbeiter, der für den Rettungsdienst und einen, der für die Feuerwehr zuständig ist.
Belastbar und teamfähig
In der Regel ausgebildeter Rettungsassistent und Brandinspektor muss sein, wer diesen Beruf ausüben will. "Ein Disponent muss belastbar und teamfähig sein, Situationen schnell erfassen können, Einfühlungsvermögen mitbringen. Und eine professionelle Distanz zu den Fällen".
Für die Männer und Frauen, die die Hilfe koordinieren, kann die Tätigkeit dennoch an die Substanz gehen. Sie kommen fast alle aus dem aktiven Rettungsdienst. "Hier haben sie nur die Möglichkeit, per Telefon zu handeln.
Es gibt Fälle, in denen sie miterleben, dass es jemandem sehr, sehr schlecht geht. Dann selbst nicht eingreifen zu können, sondern darauf vertrauen zu müssen, dass die Rettungskräfte vor Ort die Lage in den Griff bekommen, kann für die Kollegen manchmal zur Belastung werden", sagt Matthias Böhmer.
Jedes Jahr mehr Einsätze
Die Zahl der Einsätze wächst stetig. "Auch hier findet der demografische Wandel Niederschlag", gibt der Leitstellen-Leiter zu bedenken. "Und - das muss man so sagen - die Leidensfähigkeit der Leute nimmt ab, das Anspruchsdenken zu.
Da ruft schon mal jemand mit einem geschwollenen Auge hier an und verlangt, zur Untersuchung ins Klinikum gefahren zu werden, weil er sich die Kosten für die Busfahrkarte sparen möchte.
Andererseits ist es schon passiert, dass eine Frau mit Oberschenkelhalsbruch per Traktor ins Krankenhaus gebracht wird - mit der Begründung, dass man ,nicht gerne Umstände' machen wolle."
Notrufe aus der Hosentasche
Der Missbrauch des Notrufs ist strafbar. Es kommt aber auch vor, dass er unbeabsichtigt ausgelöst wird. Matthias Böhmer holt sich die Liste aller Fälle vom vergangenen Tag auf den Bildschirm und zählt nach. 35 "Notrufe aus der Hosentasche" gingen am Montag dieser Woche ein.
Wer sein Handy nicht in einer Hülle bei sich trägt, die das Display abdeckt, kann zum Alarmierer wider Willen werden. Der Notruf funktioniert auch bei eingeschalteter Tastensperre. "Wenn wir dann nichts anderes hören, als das Geräusch, mit dem Stoff über das Mikrofon reibt, wissen wir Bescheid."
"Da gibt es schon ein paar tote Ecken"
Wesentlich mehr Kombinationsgabe unter hohem Zeitdruck ist in anderen Situationen gefordert. Zum Beispiel, wenn jemand nicht genau sagen kann, wo er sich befindet. "Nahezu jeder Anruf lässt sich orten - was aber immer Zeitverlust bedeutet und ein erheblicher Aufwand ist. Dennoch gibt es ein paar tote Ecken in unserem Einzugsgebiet. Zum Beispiel in den Klettergebieten der Fränkischen Schweiz.
Manchmal kann ein kann ein Verletzter nur ungefähr beschreiben, wo er verunglückt ist. Oder der Anruf bricht plötzlich ab. Dann müssen alle technischen und einsatztaktischen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um schnellstmöglich Hilfe schicken zu können. Deshalb ist bei uns Teamarbeit so wichtig."
Aus der Statistik
Rund 334.000 Menschen (Einwohner, zuzüglich Pendler und Gäste) halten sich im Einzugsbereich der Integrierten Leitstelle Bamberg-Forchheim auf.
1870 Quadratkilometer Fläche mit einigen topografischen Besonderheiten (zum Beispiel Kletterreviere in der Fränkischen Schweiz) sind von den Rettungsdiensten und Feuerwehren abzudecken.
200 Kilometer Autobahnen (A3, A70 und A73), 95 Kilometer Fern-Bahnstrecke (Nürnberg-Berlin und Nürnberg-Schweinfurt) sowie 41 Kilometer Bundeswasserstraße (Main und Main-Donau-Kanal liegen im Gebiet.
62.000 Rettungsdienstaufträge fallen pro Jahr an. Dazu kommen etwa 2200 Feuerwehreinsätze und etwa 10 000 sonstige Anfragen.
Dem Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung Bamberg-Forchheim gehören die Stadt Bamberg, der Landkreis Bamberg und der Landkreis Forchheim an. Von 2005 bis 2010 betrieb der Zweckverband die Rettungsleitstelle Bamberg und stellte am 16. März 2010 die integrierte Leitstelle in Dienst.
Sprachausgabe und Notfall-SMS: So alarmieren Blinde und Gehörlose die Helfer
Jeder kann in die Situation kommen, einen Notruf absetzen zu müssen. Auch Menschen, die blind oder gehörlos sind. Welche Möglichkeiten haben sie?
"Es kommt darauf an, wie alt derjenige ist", sagt Elisabeth Seemüller, Beraterin bei der Bezirksgruppe Bamberg des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbunds. Sie ist dort zuständig für den Hilfsmitteleinkauf. "Junge Leute nutzen Smartphones. Alle modernen Geräte haben Einstellungen, die Blinden und Sehbehinderten die Handhabung erleichtern.
Ich streiche zum Beispiel über den Startbildschirm und das Gerät sagt mir an, welche App sich wo befindet. Habe ich die gewünschte gefunden, bleibe ich mit dem Finger darauf und öffne sie durch Tippen mit einem weiteren Finger.
Einige Anwendungen funktionieren über Klopfbewegungen mit den Fingern. Mit zweimal Klopfen beispielsweise beendet man ein Telefongespräch. Bei mir ist der Notruf so programmiert, dass gleichzeitig meine Tochter informiert wird. Ein Sehender käme mit den Einstellungen auf meinem Handy wahrscheinlich nicht klar. Sie lassen sich jedoch einfach deaktivieren."
Und wie ist das bei denjenigen, die nur im Festnetz telefonieren? "Hier lassen sich auf den Geräten ja auch bestimmte Tasten als Notruftasten programmieren. Zusätzlich ist immer ein Hausnotrufsystem empfehlenswert. Sehbehinderte kommen, je nach Grad der Einschränkung, zum Teil mit Großtastenhandys klar."
Hilfe per Textnachricht anfordern
Das Smartphone ist auch der wertvollste Helfer für Hörgeschädigte und Gehörlose. Sie können unter der Nummer 112 Hilfe per SMS anfordern. Die Information, dass der Notruf von einer Person kommt, die nicht in der Lage ist, ein Telefongespräch zu führen, muss der Notfallmeldung vorangestellt werden.
"Bei einigen unserer Klienten haben wir im Handy unter ,Entwürfe' einen vorgefertigten Text abgespeichert, der dann um die Schilderung der Situation ergänzt werden muss", berichtet Claudia Schiller vom Sozialdienst für Hörgeschädigte in Oberfranken. "Es gibt aber auch Apps wie ,Handhelp', die im medizinischen Notfall wichtige Informationen mitsenden, die man vorher dort hinterlegen kann. Ferner kann man Telefax-Formulare für Notrufe nutzen", so Claudia Schiller.
"Unser Alarm-Fax gibt ein Signal, sobald ein solcher Notruf eingeht", erklärt Leitstellen-Leiter Matthias Böhmer. "Das Gerät druckt die SMS-Notrufe aus."