Mobilfunkmast statt Erweiterung

3 Min
Wie in der Abteilung für den Fränkischen Kreis leidet das Staatsarchiv und das Team um Stefan Nöth (Bild) unter großer Raumnot. Foto: Barbara Herbst
Wie in der Abteilung für den Fränkischen Kreis leidet das Staatsarchiv und das Team um Stefan Nöth (Bild) unter großer Raumnot. Foto: Barbara Herbst
Die Antennen stehen auf dem Magazinbau an der Sodenstraße. Links daneben ist das historische Hauptgebäude zu erkennen.
Die Antennen stehen auf dem Magazinbau an der Sodenstraße. Links daneben ist das historische Hauptgebäude zu erkennen.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Blick aus der Schützenstraße auf die Montageabeiten. Foto: T.C. Reiser
Blick aus der Schützenstraße auf die Montageabeiten. Foto: T.C. Reiser
 
 
 
 
 
 

Auf dem Dach des Magazins wurde jüngst eine zweite Antenne errichtet. Auf diese Baustelle hätte der Hausherr gern verzichtet. Dagegen scheint sich der Erweiterungsbau zu verzögern.

"Wir haben nichts damit zu tun, aber wir müssen es hinnehmen." Stefan Nöth lässt keinen Zweifel daran: Die neue Mobilfunkantenne auf dem Magazingebäude des Staatsarchivs an der Ecke Hainstraße/Sodenstraße hätte er als Hausherr nicht gebraucht. Erstens, weil er um die Missklänge weiß, die solche Anlagen in der Nachbarschaft hervorrufen, und zweitens, weil er, wie er sagt, selbst gar kein Handy besitzt.

Eine andere Baustelle, die der 61-jährige Archivleiter dagegen seit langem herbei sehnt, scheint auf sich warten zu lassen: der geplante Erweiterungsbau. Anfang 2013 waren die Politik und die Generaldirektion der Staatlichen Archive in Bayern mit der Nachricht an die Öffentlichkeit gegangen, dass ein Neubau auf der Archiv-Wiese an der Schützenstraße beschlossene Sache sei. Im Staatlichen Bauamt rechnete man mit einem Planungsauftrag aus dem Wissenschaftsministerium noch im Lauf des vergangenen Jahres.
Er ist aber bis heute nicht bei Amtsleiter Fritz Angerer eingegangen.

Bei Stefan Nöth wächst inzwischen die Sorge, dass die letzten noch freien Regalmeter erschöpft sein könnten, bis das neue Gebäude steht.

Er bräuchte lieber heute als morgen zusätzliche Kapazitäten. Bei einem Rundgang durch das historische Magazin von 1905 und im Magazinbau von 1962 wird schnell deutlich: Der Raum ist ausgereizt, vieles lagert provisorisch. Unübersehbar ist auch der Sanierungsbedarf im ältesten Bauwerk: An der Innenwand entlang der Sodenstraße bröckelt der Putz in etlichen Ecken. Die Schäden seien auf einen Bombenabwurf 1945 in der Nähe zurückzuführen, sagt der Hausherr. Das Gebäude sei seinerzeit repariert, aber seither nichts mehr investiert worden.

An die - auch energetische - Sanierung des Denkmalbaus ist aber auch erst zu denken, wenn der Neubau steht. Der Plan ist, die Bestände aus dem historischen Trakt in den Erweiterungsbau zu verlagern, sobald er bezugsfertig ist, und anschießend den frei geräumten Altbau zu sanieren. Erst wenn dort die Arbeiten zu Ende sind könnte der Erweiterungsbau seine eigentliche Aufgabe erfüllen: die Kapazitäten des Staatsarchivs zu erhöhen.
Im Durchschnitt wachsen die Bestände des Staatsarchivs um 300 Meter im Jahr. Für Nöth ist absehbar: "In drei Jahren sind wir voll." Gäbe es nicht ein provisorisches Depot im Landkreis Bamberg hätte man wohl schon vor Jahren an der Hainstraße einen Aufnahmestopp erlassen müssen.

So ein Moratorium birgt nach Einschätzung des Archivleiters freilich eine große Gefahr: Es könnten wertvolle Dokumente für die Nachwelt verloren gehen. Schon heute entgeht dem Staatsarchiv wohl manches. Sein Leiter deutet an, dass anscheinend nicht alle Behörden ihrer gesetzlichen Pflicht nachkommen, alle ihre Akten am Ende der 30-jährigen Aufbewahrungsfrist den Archivaren zum Sichten anzubieten. Müsste er eines Tages aus Raumnot Material ablehnen, wächst aus Nöths Sicht das Risiko, dass wichtige Papiere in der Tonne landen. Und bis das "papierlose Büro" sich auf den Materialfluss auswirkt, werde es noch dauern.

An archivwürdigen Dokumenten wird es nach Einschätzung des Fachmanns auch in Zukunft nicht fehlen. So sorgt jede Reform in der staatlichen Verwaltung für Nachschub. Als vor einigen Jahren die rund 50 oberfränkischen Forstämter aufgelöst wurden, landeten deren Unterlagen im Staatsarchiv.

Auch eine Landratswahl lässt gewöhnlich die Papierfülle ansteigen. So hat das Staatsarchiv alle Landräte Oberfrankens, die am 16. März nicht mehr kandidieren, angeschrieben und gebeten, dass sie ihre Handakten, auch ihre E-Mail-Accounts, am Ende der Amtszeit zur Verfügung stellen.

Nöth setzt, wie er sagt, weiter auf die Unterstützung der beiden örtlichen Landtagsabgeordneten, Melanie Huml und Heinrich Rudrof (beide CSU). Die Noch-Stadträtin und bayerische Gesundheitsministerin hat erst dieser Tage an ihren zuständigen Ministerkollegen Spaenle geschrieben und ihn gebeten, sich für einen zügigen Baustart einzusetzen.


Unten Engpass, oben Ausbau

Noch kann man im Staatsarchiv von mehr Stauraum nur träumen. Ausgebaut wird mit Hilfe der staatlichen Liegenschaft im Hain dagegen ein anderes Ziel, das sich die Staatsregierung auf die Fahnen geschrieben hat: die flächendeckende Versorgung des Landes mit Telekommunikationsdiensten.

Wie Rückfragen bei der Stadt Bamberg und im Finanzministerium ergaben, hängt die Montage des neuen Mobilfunkmastes mit einer zwölf Jahre alten "Rahmenvereinbarung über die Benutzung von Grundstücken und Gebäuden des Freistaats Bayern für die Errichtung und den Betrieb von Funkstationen" zusammen: 2002 wurde sie zwischen dem Freistaat und mehreren Telekommunikationsunternehmen geschlossen.

Beide Anlagen auf dem Dach des Magazingebäudes - die ältere betreibt Vodafon, die neue die Deutsche Funkturm/Telekom - sind nach Angaben aus dem städtischen Umweltamt genehmigungsfrei. Wohl auch deshalb hat die Nachbarschaft von den Arbeiten in der vergangenen Woche nichts von der bevorstehenden Montage erfahren. Einer der ersten, der Alarm schlug, war Thomas C. Reiser. Zufällig sah er beim Blick aus dem Fenster seiner Wohnung in der Schützenstraße die Arbeiten auf dem Beständehaus. Dass niemand informiert wurde, empört ihn. Auch die Nachbarn, mit denen er gesprochen hat, seien überrascht worden: "Keiner von uns weiß irgendwas!"

Im Rathaus befasste man sich laut Presse-Sprecherin Ulrike Siebenhaar wiederholt mit dem Staatsarchiv als Mobilfunk-Standort - nicht zuletzt wegen des historisch bedeutsamen Haupthauses: "Die Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis wurde in den Jahren 2004 bis 2006 mehrmals in den Gremien behandelt." Demnach haben Vodafon und Telekom parallel im Jahr 2005 Anlagen auf der staatlichen Immobilie geplant. Vodafon baute als erster, die Telekom erst jetzt. Die Stadt verweist auch auf ein Prognose-Gutachten, das sie damals in Auftrag gab, um die Immissionswerte zu ermitteln, die von der zweiten Antenne zu erwarten waren. Der Sachverständige schrieb dem Umweltamt, dass "die zusätzlichen Immissionen durch die Mobilfunkstation auf dem Staatsarchiv . . . als eher gering einzustufen" seien.