Millionenkosten für Anlieger: Muss die Stadt gar nicht kassieren?

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Millionenkosten für wenige Anlieger? Der Ausbau der St.-Getreu-Straße wird zum Politikum Foto: Ronald Rinklef
Millionenkosten für wenige Anlieger? Der Ausbau der St.-Getreu-Straße wird zum Politikum  Foto: Ronald Rinklef

Wird die kostenträchtige Entscheidung doch noch revidiert? Ministerin Huml (CSU) fordert die Stadt dazu auf, eine einvernehmliche Lösung zu suchen.

Können die Anlieger der oberen St.-Getreu-Straße hoffen, von den horrenden Kosten einer so genannten Ersterschließung bis zu 150 000 Euro pro Grundstück doch noch verschont zu werden? Zumindest bekommen sie prominente Schützenhilfe.

Nur zwei Tage nach unserem Bericht vom Freitag, 19. Januar, "Ein Vermögen für den Ausbau" fordert die bayerische Staatsministerin Melanie Huml die Stadt in einem Schreiben dazu auf, das Gespräch mit den Anwohnern zu intensivieren. "Es sollten Möglichkeiten einer einvernehmlichen Lösung geprüft werden", erklärt Huml. D er Abschluss der betroffenen Erschließungsmaßnahmen durch die Kommunen sei nicht verpflichtend.

Wie berichtet, hat der Freistaat 2016 das Kommunalabgabengesetz geändert. Dabei wurde festgelegt, dass ab April 2021 für so genannte Altanlagen keine Erschließungsbeiträge mehr erhoben werden dürfen, wenn seit Beginn der erstmaligen technischen Herstellung 25 Jahre vergangen sind.

Genau das ist bei der St-Getreu-Straße der Fall. In der seit Jahrzehnten bewohnten Straße sind zwar alle Hausanschlüsse vorhanden, doch es fehlt an einem Regenwasserkanal und einem ordentlichen Straßenunterbau. Um das Defizit zu beseitigen und den Stadtsäckel zu schonen, hat der Bausenat in seiner Sitzung am vergangenen Mittwoch den Ausbau der St.-Getreu-Straße beschlossen - mit fatalen Folgen für 23 Anwohner, die aufs Grundstück umgerechnet vor Kosten bis zu 150 000 Euro stehen. Ingesamt handelt es sich um Kosten über 1,5 Millionen Euro.

Als Grund für die Entscheidung nannte Bambergs Baureferent Thomas Beese vor allem das Prinzip der Gleichbehandlung aller Grundeigentümer, die von einer Erschließung betroffen sind. Sollte diese nicht bis zum Stichtag abgerechnet werden könnten, müssten im Falle der St.-Getreu-Straße statt der Anlieger die Steuerzahler einspringen. Außerdem sei man von der Rechtsaufsicht gehalten, die Gesetzesänderung umzusetzen.

Dem widerspricht nun Staatsministerin Melanie Huml, die das Gesetz 2016 mit beschlossen hatte. Es sei gar nicht verpflichtend für die Kommunen, alle Maßnahmen bis zum Auslaufen der Frist abzuschließen.

Doch warum wurde das Gesetz 2016 überhaupt erlassen? Hört man Huml, ging es darum, "Hängepartien" zeitlich zu befristen. "Wer ein Haus in einem neu erschlossenen Gebiet baut, muss die auf ihn zukommenden Kosten auch kalkulieren können. Wenn sich eine Gemeinde mit einer Baumaßnahme jahrzehntelang Zeit lässt, bedeutet das für die Anwohner, dass sie jahrzehntelang nicht wissen, wann sie hierfür welchen Erschließungsbeitrag bezahlen müssen", erläutert die Ministerin.

Von der Verwaltung belogen?

Ob der Appell wirkt, ist aber fraglich. "Das würde ja bedeuten, die Verwaltung hat uns belogen", zeigt sich Heinz Kunte, SPD-Stadtrat, skeptisch. "Sollte die Staatsregierung von ihrer Forderung absehen, dass die Straßen fertiggestellt werden müssen, die fertiggestellt werden können", wäre dies eine komplett andere Faktenlagen, meint der ehemalige Richter. Er fürchtet, dass der schwarze Peter nur an die Kommune weiter gereicht werden soll.

 

Der Stadt würde das Geld fehlen

"Es geht nicht ums müssen, sondern ums können", beschreibt BA-Stadtrat und Jurist Herbert Lauer die Motive, die auch ihn bewogen haben, für den erforderlichen Straßenbau zu stimmen. "Abzuwarten, bis Fristverjährung eintritt, hätte ich nicht verantworten können." Der Stadt fehle das Geld für den nötigen Ausbau, deshalb habe man jetzt tätig werden müssen.

Doch Lauer kann sich auch in die Gefühlslage der Anwohner hineinversetzen, die gleichsam über Nacht mit extremen Kosten konfrontiert sind. Lauer hat deshalb zusammen mit der SPD-Fraktion darauf hingewirkt, dass zumindest der Wanderparkplatz nicht mit einberechnet wird. Auch habe Lauer Verständnis dafür, wenn die Anwohner die Gerichte bemühen würden, um die Sachlage zu klären.

Dass dies so kommt, gilt als sicher. Ein Punkt, auf den sich mögliche Kläger stützen können, ist die unsichere Vorgeschichte der Straßenabrechnung in der St.-Getreu-Straße. So liegen Bernhard und Verena Schmidt Dokumente vor, die nachweisen sollen, dass für den Straßenzug bereits Ende der 40er Jahre Straßenbaukosten in Höhe von 1479 Reichsmark abgerechnet und bezahlt wurden. Dadurch sei klar, dass die Straße bereits erschlossen sei. Eine Ersterschließung scheide aus.