In Steinfeld ist die katholische Welt anscheinend noch in Ordnung. Da die Kirche saniert wird, strömt man zum Gottesdienst in den Saal eines Wirtshauses.
Das altbekannte Klischee ist bestens bedient: Kirche und Wirtshaus gehören immer noch zusammen. Jedenfalls im Juradorf Steinfeld. Nach dem Sonntagsgottesdienst füllt sich die Gaststube des Wirtshauses Schrauder. Auch Pfarrer Michael Hermann bestellt sich ein Bier. Denn "beten macht Durst!" teilt er eine Erkenntnis mit der Gemeinde.
Und die hat im Blick auf Durst gerade erst einen erneuten Härtetest bestanden. Muss sie doch dort die Messe feiern, wo sonst der Bär steppt und der Hopfentee in Strömen fließt: im Saal des Wirtshauses - umfunktioniert in einen sakralen Raum, weil die Pfarrkirche St. Martin derzeit wegen Sanierung geschlossen ist.
"Gott ist überall!" ist sich Pfarrer Hermann sicher. Also ist Gott auch zwischen Bierfässern und Faschingsdeko. Zumal für die Eucharistiefeier alles Erdenkliche getan wurde, um ihr einen feierlichen Rahmen zu geben: Blütenweiße, gestärkte Altarwäsche, brennende Kerzen, ein Standkreuz, ein Seitentisch für Kelch und Hostienschale. Selbst ein Harmonium ersetzt die Kirchenorgel und begleitet den kräftigen Gemeindegesang. "Passt schon!" ist die einhellige Meinung der Gottesdienstbesucher, die sogar noch auf der Bühne Platz suchen mussten. Der wohlig temperierte Saal ist voll. Und zwar mit Jung und Alt.
Eine "Übergangslösung"
Constantin, Daniel, Romina, Tim und Verena sind darunter, die acht- und neunjährigen Erstkommunionkinder aus dem Seelsorgebereich. Obwohl doch ein Schild im Saal unübersehbar mahnt, dass "Jugendlichen unter 16 Jahren der Zutritt bei öffentlichen Tanzlustbarkeiten verboten ist". Frisch und unbekümmert stellen sich die Buben und Mädchen unter dieses Relikt aus früheren Wirtshauszeiten, stellen sich am Mikrofon namentlich vor, und erzählen über ihre Hobbys vom Fußball- und Gitarrespielen bis hin zum Bulldogfahren. Pastoralreferentin Eva-Maria Steltenkamp übersetzt das Sonntagsevangelium von der wundersamen Brotvermehrung in kindgerechte Sprache. Niemand käme da auf die Idee, im Gasthofsaal statt Amen passend zur Fastnacht Helau zu rufen. Würdig, andächtig geht es zu. Auch beim Blasiussegen, den der Pfarrer und die Pastoralreferentin jedem Einzelnen spenden.
"Der Saal ist eine Übergangslösung, aber gut geeignet", erklärt Pfarrer Hermann. Er habe sich "schnell reingefunden", zumal ja ab Ostern die Gottesdienste in der Kreuzkapelle gefeiert werden, die im Winter nicht beheizbar ist. Für den Wirt Wolfgang Schrauder, auch Ortssprecher von Steinfeld, ist es eine Ehrensache, seinen Saal der Pfarrgemeinde zur Verfügung zu stellen. Kostenlos, versteht sich. Schrauder nimmt es gerne in Kauf, dass wegen Geburtstagsfeiern oder Faschingsbällen "öfter umgebaut werden muss". Alles zur höheren Ehre Gottes eben. Na denn: Halleluja! Und Prost!
Steinfelder packen mit an
Pfarrgemeinderatsvorsitzende Maria Kunzelmann und Hans Spörlein von der Kirchenverwaltung gehen davon aus, dass bis zur Martini-Kirchweih im November die Kirche wieder genutzt werden kann. Ein ehrgeiziges Ziel. "Doch wir schaffen das!" sind sich die beiden sicher. Schließlich haben sich etliche Steinfelder für Eigenleistungen zur Verfügung gestellt, die in dem 750 000-Euro-Projekt die notwendigen Eigenmittel der Kirchenstiftung zugrechnet werden. Wahre Kärrnerarbeiten standen und stehen an für die freiwilligen Helfer, die teilweise Urlaub dafür nehmen: die Kirche erst einmal ausräumen, dann die Böden entfernen oder den Putz von den Wänden schlagen. "Ohne Eigenleistung wäre es nicht zu schaffen", sagt Pfarrer Hermann nachdrücklich, "die Leute auf dem Land stehen noch zur Kirche!" Und eben auch zum Wirtshaus!