Warum? Das kann  ich  heute nicht mehr sagen. Das war einfach immer mein Traum. Entsprechend habe ich den Weg eingeschlagen. Ich gehe davon aus, dass das Jurastudium, ähnlich wie die  Medizin oder andere Studiengänge ohnehin nur Menschen wählen, die schon ein gewisses Verantwortungsbewusstsein haben.  Egal ob man Notar ist, Rechtsanwalt, Staatsanwalt oder Richter: Man ist  für das Schicksal von anderen Leuten verantwortlich. 
  Gibt es schöne Momente im Arbeitsalltag, die aus der Verantwortung entspringen? Ein schöner Moment ist dann, wenn man ein Verfahren abschließt und das Gefühl hat, sowohl Opfer als auch Täter gerecht geworden zu sein.  Das muss kein mildes Urteil sein. Das kann auch ein Urteil sein, das, gerade wenn es um die Unterbringung in psychiatrischen Einrichtungen geht, sich im ersten Moment nicht so gut für den Täter anhört,  aber auf lange Sicht gesehen  hilfreich für ihn ist. Ein Verfahren läuft dann gut, wenn sich alle Beteiligten ihrer Verantwortung bewusst sind.  Wenn alle ihre Verantwortung wahrnehmen, kommt am Ende ein vernünftiges Ergebnis heraus.
  Stichwort Verantwortung: Im Hinblick auf die Täter werden Sie im Gericht  doch täglich mit Verantwortungslosigkeit konfrontiert, oder täuscht dieser Eindruck? Das ist ein Eindruck, der nicht allen Fällen gerecht wird. Unter den  Angeklagten, die vor Gericht kommen, können Menschen sein, die eigentlich komplett verantwortungsvoll handeln, Verantwortungsträger sind. Doch auch diese  können selbst in Situationen geraten, in denen die Emotionen überhand nehmen, sie falsch reagieren. Was in diesem Moment dann verantwortungslos ist. Aber man kann nicht sagen, die Menschen sind verantwortungslos, weil sie vor Gericht stehen. 
  
  
  
  
  
    
    
     Können Sie sich an ein solches Verfahren erinnern? Ja. Ich hatte einen Fall, wo man sagen kann: Die Person hat ein komplettes Leben ohne jeglichen Berührungspunkt mit der Strafjustiz hinter sich gebracht. Und dann kommt es aufgrund überschäumender Emotionen zu einer Affekttat, die dann eigentlich am Lebensende noch einmal zur strafrechtlichen  Verfolgung führt. 
 Was hilft Ihnen bei Ihrer Arbeit als Richter? Da gibt es unterschiedliche Elemente, die zusammenspielen müssen. Man braucht eine gute Ausbildung, das Studium und das Referendariat bereiten darauf vor. Wenn man in der Anfangszeit in der Justiz tätig ist, braucht man auch erfahrene Kollegen, die einem Rat geben können. Wenn sich ein Erfahrungsschatz im Laufe der Zeit aufbaut, wird man logischerweise auch sicherer. Was gerade am Landgericht maßgeblich ist und was ich als Gewinn betrachte, ist das Kammersystem. Als Richter stimme ich mich mit meinen Beisitzern  und mit meinen beiden Schöffen ab. Gerade wenn es um die Glaubwürdigkeit von Zeugen geht,  wenn es um hopp oder topp geht,  ist es gut, dass sich mehrere Personen austauschen.  
 Wie groß ist der Spielraum des Richters bei der Auslegung der Gesetze? Der Spielraum ist unheimlich groß, und vieles macht dann die Erfahrung aus, wie man die einzelnen Fälle bewertet. 
 Das Gespräch führte Sebastian Schanz