Feldmäuse richten in diesem Jahr besonders großen Schaden auf landwirtschaftlich genutzten Flächen an. Deshalb dürfen betroffene Bauern noch bis 29. Dezember breitflächig Giftköder gegen die Nager einsetzen.
Loch an Loch auf den Feldern. Maus neben Maus, wenn es dunkel wird. Anton Weig vom Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten in Bamberg hat es gerade erst selbst wieder erlebt. Beim Raps-Aussäen breitete sich vor seinem Schlepper ein beweglicher Teppich aus kleinen Körpern aus. "Man hat nur noch Mäuse rennen gesehen".
Es ist ein Feldmaus-Jahr, wie es schon lange keines mehr gegeben hat. Viele Landwirte fluchen. Die Schäden an Grünlandflächen, aber auch an neu bestellten Feldern mit Raps und Wintergerste sind außergewöhnlich groß. "Man schaut sich um und denkt, die ganze Arbeit war umsonst", sagt Anton Weig.
Äcker werden langfristig geschädigt
"So eine von Mäusen unterhöhlte Ackerbaufläche ist langfristig geschädigt", gibt er zu bedenken. "Wenn die lockeren Boden vorfinden, gehen die da immer wieder rein." Die natürlichen Feinde der Nager wie Greifvögel, Störche, Wiesel, Igel, Füchse und Katzen können diesen üppig gedeckten Tisch nicht ganz abräumen. Die Populationen der Beutegreifer wachsen, bedingt durch das Überangebot an Nahrung zwar auch, aber eben nicht so schnell.
Betroffene Landwirte können seit Kurzem breitflächiger gegen die Nager vorgehen. Für "kritische Fälle" hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in einer Notfallzulassung den Einsatz von Ratron-Feldmaus-Köder genehmigt. Die Regelung gilt bis 29. Dezember.
Normalerweise darf die Bekämpfung der Feldmäuse nur mauslochweise angegangen werden. Doch die Einzelloch-Bekämpfung ist vielerorts gar nicht mehr zu schaffen.
Strenge Vorschriften
Es gelten jedoch strenge Vorschriften. Für jede Flurnummer muss die Ausnahmeregelung beim Fachzentrum für Pflanzenbau in Bayreuth einzeln beantragt werden. Betroffene müssen die starke Feldmauspopulation auf ihren Feldern vor allem erst einmal nachweisen, in dem sie ein 250 großes Areal auf ihren Äckern abstecken, die Mäuselöcher zählen und alle zumachen.
"Nach 24 Stunden wird nachgeschaut, wie viele der Löcher wieder offen sind", erklärt Anton Weig. Sind mehr als 20 Löcher freigebuddelt, gilt die Anzahl der Mäuse als hoch genug, um diese streng reglementierte Art der Schädlingsbekämpfung zu beantragen.
Nur nach diesem Nachweis wird die Ausnahmegenehmigung erteilt. Es muss zudem immer eine Abstimmung erfolgen mit der Höheren Naturschutzbehörde bei der Regierung von Oberfranken. In Schutzgebieten gilt die Sonderregelung nicht, darauf macht Reinhard Ostermeier vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Bayreuth aufmerksam.
In den Köderpellets steckt Chlorphacinon, ein Wirkstoff, der die Blutgerinnung hemmt. Die Mäuse, die ihn aufgenommen haben, verbluten innerlich. Chlorphacinon sei das schwächste Mittel aus dieser Wirkstoffgruppe und für eine 20 Gramm schwere Maus dosiert, antwortet Ostermeier auf die Frage, ob nicht auch die Tiere, die sich an den Mäusen gütlich tun, gefährdet sind, es zur sogenannten Sekundärvergiftung kommt. "Eine Maus, die den Giftköder gefressen hat, zieht sich zum Sterben in der Regel unter die Erde zurück und läuft nicht mehr auf dem Feld herum."
Nicht zu kalt und nicht zu nass
Der warme Winter und das trockene Frühjahr haben den Feldmäusen so gut getan, dass sie zu sich extrem stark vermehren konnten. "Es war nicht zu kalt und es hat vor allem keine größeren Überschwemmungen gegeben. Auf den sonst regelmäßig überfluteten Flächen im Itzgrund beispielsweise sind heuer kaum Mäuse ertrunken", sagt der Pflanzenschutzfachmann.
Naturschützer warnen
Für Menschen wie den Gartenexperten und Naturfreund Jupp Schröder ist "die Vorstellung, Feldmäuse flächenmäßig vernichten zu wollen, ein Horror". Eine vielfältige Natur pendele sich immer wieder selbst ein, gibt er zu bedenken. Dazu brauche es Geduld.
Wenn auch die Fressfeinde der Mäuse, dadurch, dass sich in ihrem Körper Gift anreichere, dezimiert würden, sei das biologische Gleichgewicht enorm gestört. Dann könnten sich die Mäuse in nächster Zeit umso stärker vermehren. Die Beutegreifer brauchten auch eine viel längere Zeit, um eine größere Population aufzubauen.
"Vielleicht müssen wir wieder lernen, mit den Mäusen zu leben und auch die Bewirtschaftung darauf einstellen", meint er. "So sollten auch die verminderten Erträge auf dem Grünland heuer nicht allein den Mäusen angelastet werden, sondern besonders der Trockenheit."
Viele der natürlichen Freßfeinde der Mäuse sind in Folge menschlichen Einflusses stark dezimiert, stehen teilweise auf der roten Liste: Greifvögel, Eulen, Wildkatzen, um nur einige zu nennen. Ob Bejagung - früher legal, heute von der Justiz so manches Mal "geduldet" - oder Zerstörung des Lebensraums (intensive Forst- und Landwirtschaft, ausufernder Straßen- und Wegebau, Gifte mit Langzeitwirkung (DDT) ...) - die Folgen machen sich naturgemäß bemerkbar.
Gleichzeitig bieten großflächige Monokulturen, die für eben diese Beutegreifer eher ungeeignet sind, den vermehrungsfreudigen Schädlingen ideale Lebensbedingungen.
Es ist längst bekannt, daß auf jeden vergifteten "Schadnager" eine zweistellige Zahl anderer Warmblüter (Säuger, Vögel) kommt, welche ebenfalls Opfer wird. Ob sie die Köder direkt aufnehmen (willkürliches Beispiel ohne Berücksichtigung der regionalen Verbreitung: Feldhamster, rote Liste, mäuseartiges Nagetier) oder indirekt konsumieren, ist zweitrangig. Bevor eine Maus sich nach Aufnahme des langsam wirkenden Gerinnungshemmers geschwächt zurückzieht, ist sie noch eine geraume Weile aktiv und wird währenddessen nicht selten zur Mahlzeit. Zudem ist der eine oder andere "Gourmet" durchaus in der Lage, ihr in den Bau zu folgen (Mauswiesel).
Jeder großflächige Gifteinsatz trägt den Keim des nächsten in sich. Denn die Wirkung auf die Schädlingsjäger ist um einiges nachhaltiger als die auf die Schädlinge selbst.