Das "kriminologische Quartett" stritt im Hübscher erstmals über Spannungsliteratur. Es war ein Abend der ehrlichen, harten Haltung.
Man kennt das seit Ende der 80er Jahren aus dem Fernsehen: Vier Menschen, anerkannte Experten, sitzen um einen Bücherstapel und streiten. Das Format um Marcel Reich-Ranicki war lange verschwunden, der Meister ist tot. Nun ist es wieder da, rund um Maxim Biller, bei ZDF. Und im Hübscher Medienhaus, rund um Asli Heinzel.
Nur, dass es nicht um die Lieblinge des Feuilleton, sondern um Spannungsliteratur gehen soll: Krimis, Thriller, Spionage. Hübscher-Chefin Heinzel hat sich dazu drei Autoren des Genres eingeladen: Friederike Schmöe, Horst Eckert und den Initiator des Abends, Lucas Bahl alias Doktor Crime.
Und gerade Bahl weiß, das wird von Anfang an klar, worauf es bei diesem Format ankommt, was auch den Erfolg eines solchen Abends ausmacht: Uneinigkeit.
Wenn auf der Bühne heftig um Geschmacks- und Stilfragen gestritten wird, macht eine solche Veranstaltung deutlich mehr Spaß als ein klassisches, nicht selten ödes Lesungsformat.
Es ist also nur wünschenswert, dass Bahl über das vom Gast, Horst Eckert, mitgebrachte, "Die Unantastbaren" (Richard Price) urteilt: "Das hat mich richtig aufgeregt."
Bahl selbst hat eine Art Nerd-Thriller dabei, über tausend Seiten dick, Dünndruck. Mit der Gestaltung habe der Verlag Geschmacklosigkeit bewiesen, vom Inhalt hingegen ist Bahl begeistert. Es geht um einen Computervirus, der an die russische Mafia gerät und dergleichen mehr.
Friederike Schmöe fällt Doktor Crime bei erster Gelegenheit lustvoll ins Wort: "Dieses Buch ist eine Zumutung! Soll ich das ernst nehmen oder ist das eine Persiflage?"
Spätestens jetzt sind alle Beteiligten warmgespielt.
Der Ton ist gesetzt: Lieber eine ehrliche, harte Haltung, als geheuchelte Hymnen. Fast schade, dass Friederike Schmöe, Linguistin und Krimiautorin, ihr Buch so gut gewählt hat: Bei "Kornblumenblau" des Autorenduos Christian Schünemann und Jelena Volic herrscht auf einmal Einigkeit in der Runde.
"Das hat mir saugut gefallen"
Eckert beschreibt den netten Plauderton, in dem knallharte politische Realitäten Serbiens verhandelt werden. Zwei junge Männer in kornblumenblauen Militäruniformen sind tot aufgefunden worden. Eine junge Kriminologin macht sich auf die Suche nach dem Dritten. "Das hat mir saugut gefallen", so Eckert. Es kommt kaum Widerspruch auf.
Die Harmonie trügt. "Still" von Thomas Raab ist das letzte Buch, das an diesem Abend besprochen wird, ein Vorschlag von Asli Heinzel.
Es handelt sich um die Biographie eines Mörders, einer Figur, offenbar angelehnt an Patrick Süßkinds Jean Baptiste Grenouille, nur dass er eben nicht zu gut riechen, sondern zu gut hören kann. Er morde, so Heinzel, aus Forscherdrang und aus Liebe. "Und das ist absolut nachvollziehbar."
Horst Eckert, der im Anschluss aus seinem Roman "Schattenboxer" lesen wird, kann Heinzels Euphorie angesichts dieses Romans nicht teilen: "Das ist ein Versuch, ,Das Parfüm‘ zu klonen", urteilt er und zückt eine Liste mit Zitaten, die Beleg sein sollen, für die seiner Meinung nach "bürokratische Sprache."
Bahl schließt sich dem vollständig an: Es sei für jedes Buch ein Todesurteil, mit dem "Parfüm" verglichen zu werden, denn da komme keiner ran. Und: "Wer das spannend findet, findet es auch spannend, Akten zu lesen."
Man hätte den Abend kaum besser choreographieren können. Mit dem letzten Buch steigert sich die Diskussion auf einen Höhepunkt. Schmöe versucht Heinzel in Sachen "Still" beizuspringen, doch die weiß sich schon selbst zu helfen: "Vertrauen Sie mir!", fordert sie die Publikum auf. "Ich bin die Buchhändlerin Ihres Vertrauens."