Kommentar zu Schäuble-Vorschlag: Benzinsteuer - ein Brandbeschleuniger?

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Symbolfoto: dpa
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble Symbolfoto: dpa

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat gefordert, Autofahrer sollten über eine europäische Benzinsteuer zur Finanzierung der Flüchtlingspolitik beitragen. Diesen Vorschlag hätte er sich sparen sollen, meint Chefredakteur Frank Förtsch. Hier lesen Sie seinen Kommentar zum Thema.

Der Bundesfinanzminister, dem die Lieblingsfloskel "Ein Stück weit ..." zugeschrieben wird, ist am Wochenende nicht nur nach Einschätzung seiner Parteikollegen ein Stück zu weit gegangen. Er schockte die Republik mit dem Vorstoß, die Flüchtlingskrise über eine europaweite Benzinsteuer zu finanzieren. Eine Republik, die bisher auf das Wort der Kanzlerin vertraut hat, dass für diesen Zweck nicht an der Steuerschraube gedreht wird.

Wäre der Vorschlag von einem politischen Grünschnabel gekommen, wäre er wohl nicht der Rede wert gewesen. Jetzt stammt er aus dem Mund eines Mannes, eines Politprofis, der dem Deutschen Bundestag weit mehr als vier Jahrzehnte angehört. Das Wort des 73-Jährigen hat Gewicht. Er weiß, wie sein Wort wirkt. Es wird auf die Goldwaage gelegt. In Deutschland und in Europa. Das schreit danach, über das Motiv für diesen jüngsten Vorstoß zu spekulieren.
Beim dienstältesten Minister des Kabinetts muss man von Kalkül ausgehen.
Von der Absicht, sich selbst vom Thron der derzeit beliebtesten deutschen Politiker zu stoßen, hat Schäuble sich vermutlich nicht leiten lassen. Indem er das Versprechen der Kanzlerin in Zweifel zieht, scheint er eher auf Merkel zu zielen. Deren Sympathiewerte sind im Keller. Sie erwartet im Kanzleramt bereits einen geheimnisumwobenen "Flüchtlingskrisen-Brandbrief" aus der eigenen Fraktion. Die Benzinsteuer wirkt wie ein Brandbeschleuniger.
Nur wenige Wochen vor den Landtagswahlen in drei Bundesländern ist die CDU in heller Aufregung. Die Strahlkraft der Kanzlerin ist verblasst. Wahlerfolge der CDU sind in Gefahr. Die anstehenden Wahlen werden darüber entscheiden, ob die Christsozialen sich inhaltlich und personell neu aufstellen müssen. Nachdem die Flüchtlingskrise alles überschattet, stimmen die Wähler in den Ländern dieses Mal in hohem Maße auch über die Politik von Angela Merkel ab.
Strauchelt die Kanzlerin nach den Landtagswahlen, dann hat auch der mächtigste Bundesminister - von Merkel nach dem Abgang Helmut Kohls zunächst abserviert - ein Stück weit Anteil daran. Und er könnte selbst ein Stück weiterkommen, wird er doch seit geraumer Zeit als Übergangskanzler gehandelt.
Nachvollziehbar ist der enorme Finanzbedarf, den Schäuble für die Bewältigung der Flüchtlingskrise aufzeigt. Volkswirtschaftler gehen inzwischen von Kosten allein für Deutschland von 20 bis 30 Milliarden Euro pro Jahr aus. Weder in der Bundesrepublik noch in Europa ein Fall für die Portokasse. Nachvollziehbar ist auch, dass die Last auf alle Schultern in der EU verteilt werden muss. Allein es fehlt der Glaube, dass sich alle EU-Länder solidarisch zeigen werden. Eine europäische Bezinsteuer schon einmal durch eine "Gemeinschaft der Willigen" starten zu wollen - diesen Vorschlag hätte sich der Hüter der deutschen Finanzen deshalb - ein Stück weit - sparen sollen.