Klaus Florian Vogt hat seine neue Wagner-CD mit den Bamberger Symphonikern unter Jonathan Nott eingespielt. Er tritt am Sonntag und Montag mit Gustav Mahlers "Lied von der Erde" in der Konzerthalle auf.
Der Mann ist ein Phänomen.
Klaus Florian Vogtist zweifellos ein Star der Opernwelt, aber er ist frei von jeglichen Allüren. Im Gegenteil: Eigentlich wundert er sich immer noch, warum und wie das Publikum ihn feiert. Mittlerweile zählt er zu jener Handvoll an Wagnertenören, die an allen großen Bühnen das Vorurteil widerlegen, dass Wagner nicht singbar sei. Am 14. Oktober bekommt er für seine erste Solo-CD "Helden" den
Echo-Klassik-Preis als "Sänger des Jahres", diese Woche hat er mit den
Symphonikern unter Jonathan Nott seine zweite CD eingespielt und ist am Sonntag und am Montag mit Gustav Mahlers "Lied von der Erde" wieder in der Konzerthalle zu erleben.
Dass ältere Opernfreunde den neuen Tenorstar gerne mit Peter Hofmann vergleichen, kommt nicht von ungefähr. Klaus Florian Vogt ist äußerlich ein ähnlicher Typ wie sein Kollege, der ab 1976 von Bayreuth aus so erfolgreich war. Er ist groß, blond, gut gebaut und ein in jeder Hinsicht beweglicher Darsteller. Er hat es zwar sportlich nicht zu einem Meistertitel gebracht, ist aber auch noch mit seinen 42 Jahren überaus aktiv - als passionierter Flieger in seinem einmotorigen Viersitzer, als Surfer und Schwimmer, als gelegentlicher Fußball- und Tennisspieler, als einer, der an seinen Gastspielorten zumindest joggt, um sich körperlich und mental frisch zu halten.
Bodenhaftung und Stimmpflege Was ihn wesentlich vom damaligen Wagnerstar unterscheidet, ist, dass der gebürtige Holsteiner seine Boden- und Familienhaftung nicht verloren hat und seine Stimme eben nicht nur als gegeben hinnimmt, sondern intensiv pflegt. "Ich hatte das große Glück", sagt er, "Lehrer zu finden, die mir beigebracht haben, wie man diese Stücke singen kann. Ich arbeite auch aktuell mit Irmgard Boas in Dresden, die mir eine Technik vermittelt hat, auch über lange Strecken nicht so schnell zu ermüden. Es wäre fürchterlich für mich, wenn es nur darum ginge, durch die Partien irgendwie durchzukommen."
Ob sein erster Beruf - Vogt ist ausgebildeter Hornist und begann seine Sängerlaufbahn 1997 als beurlaubter Musiker der Hamburger Philharmoniker - auch für die Solistenkarriere dienlich war, weiß er auf Anhieb gar nicht, aber: "Der lauteste Ort in einem Opernhaus ist nun mal der Orchestergraben. Und so ein richtig kräftiger Orchesterklang kann mich vielleicht nicht so sehr schrecken und irritieren wie andere."
Ohne Technik geht es nicht Weil gerade bei Wagner, Strauss und Mahler die Gefahr für jeden Sänger groß ist, gegen das manchmal übermächtig wirkende Orchester kämpferisch ansingen zu wollen, geht er durchaus taktisch vor. "Man muss schon seinen Kopf einschalten und darf sich nicht so sehr von diesem Sog ergreifen lassen. Es ist wichtig, dass man in jedem Augenblick weiß, was man tut. Man muss diese Partien schon ökonomisch singen, nur darf das natürlich niemand hören."
Technisch an jeder Stelle richtig zu singen, steht für ihn im Vordergrund - nur daraus kann auch schöner Gesang entstehen. "Ich versuche, sehr bewusst und mit Bedacht zu singen. Da steckt viel Arbeit drin. Selbst wenn man ein Partie und ihre Schwierigkeiten sehr gut kennt, muss man vor jedem heiklen Detail in Habachtstellung gehen."
Ein Familienmensch durch und durch Die sängerischen Probleme sind eine Herausforderung, die Karrieremechanismen genauso. Er fühlt sich von Rudi Meindl, seinem Manager von der Agentur Hilbert, gut betreut. Und natürlich von seiner Frau, der Sängerin Silvia Krüger. Dass er jetzt mit seinen Traumrollen, diesen Helden in Anführungszeichen, an allen großen Opernhäusern der Welt gefragt ist, empfindet er als riesiges Privileg. So gerne er - bei längeren Aufenthalten auch mit dem eigenen Campingwagen - durch die Gegend reist, es bleibt ein großer Nachteil. "Ich bin unheimlich viel von zuhause weg."
Klaus Florian Vogt ist ein Familienmensch durch und durch - und seine Familie war es letztlich auch, die die Weichen zur Sängerlaufbahn stellte. Als der Hornist für eine Familienfeier mit seiner Frau Rossinis Katzenduett einstudierte und vortrug, befand seine Schwiegermutter, lange Jahre Chorsängerin in Bayreuth, seine Stimme als besonders schön und fragte, ob er damit nicht etwas anzufangen wolle. "Ich habe Unterricht genommen - und es hat mir sehr schnell sehr viel Spaß gemacht."
Ein Star, der auf dem Teppich geblieben ist Dass er demnächst mit dem Echo-Klassik-Preis sogar als "Sänger des Jahres" geehrt wird, empfindet er nach wie vor als Überraschung - und ganz weit weg von dem, wie er sich selber sieht. "Ich bin kein Star. Das sagen Leute von außen, aber ich empfinde das nicht so." Erst recht nicht, wenn er mit seinen vier Söhnen im Alter von fünf bis zwanzig Jahren zusammen sein kann. "Für die ist nur wichtig, dass ich für sie der Papa bleibe."
Vier Kinder und zwei Sängerkarrieren: Es versteht sich von selbst, dass das nicht unbedingt zusammengeht. "Meine Frau hat da zurückgesteckt - und zwar nicht nur ein bisschen. Das ist ein großes Opfer, das man erst mal bringen können muss, einfach zu sagen: Du machst das jetzt und ich bleibe zuhause. Und auch nur deshalb gelingt mir das alles so, wie es gelingt. Es ist unheimlich wichtig für mich, den Rücken frei zu haben und zu wissen, dass die Familie gut läuft."
Nur Wagnerhelden auf der nächsten CD Momentan hat er den Rücken frei für die CD-Einspielung, die zwei Mahler-Konzerte in Bamberg und das Gastspiel am 3. Oktober im Festspielhaus zu Baden-Baden. Wie seine zweite Recital-Scheibe heißen wird, die wieder bei Sony herauskommt, weiß er noch nicht. Diesmal sind es jedenfalls ausschließlich Wagner-Helden, "nicht mit den ganz großen Highlights aus meinem Repertoire", sondern mit anderen Stellen, dazu das Gebet des Rienzi, eine Partie, von der er ansonsten noch die Finger lässt.
Ob es auch bei Mahlers "Lied von der Erde" Töne gibt, vor denen er sich fürchtet? "Nein", sagt er und lacht, wie so oft im Verlauf des Gesprächs. "Aber vor allem im ersten Lied kann die Wucht des Orchesters auch mörderisch sein. Das ist für mich eine schöne Herausforderung." Die ihm umso leichter fällt, als er schon als Horn-Student das Gefühl hatte, dass ihm gerade die Musik Mahlers mit ihren vielen Anspielungen an und Stimmen aus der Natur besonders nahe kommt.
Interview mit Klaus Florian Vogt
Was ist schön daran, ein Wagnertenor zu sein?Klaus Florian Vogt: Zunächst mal sind die Partien, die ich singe, durchweg absolute Traumpartien. Dann ist so schön an Wagner, dass jeder Abend, jedes Konzert mit diesem Repertoire auch immer eine Herausforderung ist. Und überhaupt Bestandteil dieser tollen Musik sein zu können! Dieser großartige Orchesterklang, in dem man sich eingebettet fühlt. Auch die Stoffe mag ich, die da behandelt werden, die Figuren, die ich verkörpere, sind ja immer in Anführungsstrichen "Helden". Ich finde, es ist ein absolutes Privileg, sie verkörpern und darstellen zu dürfen. Noch eine ganz andere Seite ist die, dass man in diesem Fach eben auch viel herumreisen kann, was ich auch ganz gern mache.
Also sind Sie in die ganze Welt durch Wagner gekommen? Oder hätten Sie das anders auch geschafft?Das kann ich nicht sagen. Aber ehrlich gesagt, weiß ich manchmal nicht so genau, was ich wohl machen würde, wenn es Wagner nicht gegeben hätte. Ich weiß nicht, ob ich den Schritt gewagt hätte ohne Wagners Musik und ohne diese Möglichkeit, in dieses Fach als Tenor zu kommen. Wer weiß? Vielleicht wäre ich im Orchester geblieben?
Was ist weniger schön am Dasein als Wagnertenor. Was macht Ihnen Probleme?Die vielen Reisen haben einen großen Nachteil, nämlich, dass man unheimlich viel von der Familie weg ist und wenig zuhause.
Hat das nicht vor allem damit zu tun, dass Sie als Opernstar im heutigen Musikbusiness bestimmte Dinge einfach bedienen müssen?Wenn man ein gewisses Niveau an Karriere erreichen möchte, ist man natürlich gezwungen, auf Reisen zu gehen. Und speziell als Wagnertenor ist man vielleicht doch nicht so sehr der Abräumer, wie es teilweise im italienischen Fach läuft. Die meisten Stücke enden nicht so glücklich - und so sehr man ein Held sein mag, es ist meistens ein tragischer Held. Aber Sie merken schon, es fällt mir schwer, da irgendwelche Nachteile zu finden.
Warum gibt es dann so wenig Wagnertenöre?Das kann ich nicht beantworten. Möglicherweise liegt das an der Länge der Stücke. Das erfordert natürlich eine gewisse Kondition und Konstitution.
Warum macht es Ihnen keine Schwierigkeiten, diese Rollen zu singen und auch über ein großes lautes Orchester zu kommen?Ich hatte das große Glück, dass ich Lehrer und aktuell eine Lehrerin habe, die mir das beigebracht haben. Auch aktuell arbeite ich mit Irmgard Boas in Dresden. Sie hat mir gezeigt, wie das geht, hat mir eine Technik vermittelt, auch über lange Strecken nicht so schnell zu ermüden. Es wäre für mich fürchterlich, wenn jeder Abend in diesen Partien ein Kampf und eine Qual wären, wenn es nur darum ginge, durch die Partien irgendwie durchzukommen. Das wäre nicht mein Ziel - und das wäre bestimmt auch nicht so schön.
Wagnertenöre, die scheinbar mühelos durchhalten, kann man an einer Hand abzählen - und Sie zählen seit einigen Jahren dazu. Ist es die Technik allein? Nein, ich empfinde das als ein großes Geschenk ist. Und ich versuche, dieses Geschenk auch zu pflegen.
Hat es vielleicht damit zu tun, dass Sie vorher Bläser waren, dass Sie ein atembewusster Musiker sind?Das kann ich nicht sagen. Möglicherweise hat es damit zu tun, auch mit dieser orchestralen Vergangenheit. Der lauteste Ort in einem Opernhaus ist nun mal der Orchestergraben. Und insofern bin ich, auch bei Wagner, mit der Bühne als Standort eigentlich schon verwöhnt. So ein richtig kräftiger Orchesterklang kann mich vielleicht nicht so sehr schrecken und irritieren wie andere. Die große Gefahr bei diesem Repertoire liegt ja darin, dass man versucht, gegen das Orchester anzusingen und mit dem Orchester eine Art Kampf aufzunehmen. Die Musik, die Lautstärke verleitet ja auch dazu. Man muss schon seinen Kopf einschalten und auf Distanz gehen, darf sich nicht so sehr von diesem Sog ergreifen lassen. Zu diesen Partien gehört eine gewisse taktische Herangehensweise. Es ist wichtig, dass man in jedem Augenblick weiß, was man tut.
Seit Ihrem Bayreuth-Debüt bei den "Meistersingern" 2007 hatte ich noch nie den Eindruck, dass Sie ökonomisch singen bzw. ökonomisch singen müssen.Ökonomisch muss man diese Partien schon singen. Aber das darf natürlich niemand hören. Ökonomisch singen bedeutet ja nicht sparen, sondern es bedeutet für mich, an jeder Stelle richtig zu singen. Wenn man technisch nicht ganz richtig singt, rächt sich das irgendwo - vielleicht nicht gleich, aber später schon. Und das versuche ich von vornherein zu vermeiden, ich versuche, sehr bewusst und sozusagen mit Bedacht zu singen. Da steckt natürlich viel Arbeit drin. Selbst wenn man eine Partie und ihre Schwierigkeiten sehr gut kennt, muss man vor jedem heiklen Detail in Habachtstellung gehen. Für mich ist das Wichtigste, möglichst sauber und technisch gut zu singen. Wenn einem das gelingt am Abend, wird man auch einigermaßen zurechtkommen.
War es früher leichter, ein Sänger zu sein?Landläufig wurde zwar schon immer gern behauptet, Wagner würde die Stimme schnell verschleißen und ruinieren, aber das glaube ich nicht. Wenn man Wagner technisch richtig singt, ist das genauso förderlich und umgekehrt schädlich wie jedes andere Repertoire. Man muss eben versuchen, es richtig zu machen. Dass die Karrieren heutzutage relativ kurz sind, liegt glaube ich daran, dass der Markt wahnsinnig schnell zugreift, wenn ein Talent auftaucht. Die Verlockungen sind sofort sehr groß. Vielleicht ist auch niemand mehr da, der einen vor solchen Mechanismen schützt, vielleicht fehlen Leute, die junge Sänger bei der Hand nehmen, ihren Aufbau gewährleisten und vor allem auch Geduld haben. Zu einer soliden stimmlichen Ausbildung gehört das einfach dazu. Es kostet viel Zeit, wenn man vermeiden will, Dinge zu tun, die man lieber noch nicht machen sollte. Insofern hatte man es früher auch ein bisschen leichter, weil man als Sänger lange nicht so unter Beobachtung stand, wie das heute ist. Durch das Internet, durch Youtube undsoweiter ist man ja sofort mit jedem Ton, den man öffentlich von sich gegeben hat, präsent - auch wenn man das gar nicht möchte. Diese Gefahr war früher nicht gegeben. Man konnte mit mehr Ruhe und auch beschützter wachsen.
Wer passt auf Sie auf? Sie selber und Ihre Frau?Zu guter Letzt muss jeder auf sich selber aufpassen - andere muss es aber auch geben. In meinem Fall ist es meine Frau, aber auch mein Manager, Rudi Meindl von der Agentur Hilbert, der das Ganze glücklicherweise eher langfristig sieht. Und es ist nach wie vor wichtig, mich stimmlich kontrollieren zu lassen und technisch weiter zu arbeiten, denn als Sänger hört man die eigene Stimme nicht so wie alle anderen. Die beiden passen mit auf mich auf sagen mir ganz klar, wenn etwas nicht mehr so ist, wie es sein sollte.
Haben Sie schon Partien gesungen, bei denen Sie hinterher dachten, dass es zu früh war?Eigentlich nicht. Es war vielmehr so, dass es Rollen gab, vor denen ich wirklich viel Respekt hatte und wo dann es viel besser ging, als ich dachte. Das war zum Beispiel bei Matteo in "Arabella" so, der mir in Dresden relativ früh angetragen wurde. Die Strauss-Partien haben es eben in sich, auch da muss man technisch versiert sein, damit man die Stimme nicht beschädigt.
Wie wichtig ist Ihnen das Darstellen?Sehr wichtig. Das ist auch ein Großteil der Faszination, die dieser Beruf auf mich ausübt, dass man in andere Rollen schlüpfen, sich völlig in eine Figur hineinbegeben kann und teilweise auch ganz anders benehmen darf, als man das sonst tun würde.
Lernen Sie etwas von diesen Figuren für Ihr Leben? Zum Beispiel von Lohengrin?Das ist so ein Geben und Nehmen mit diesen Partien, speziell auch mit Lohengrin. Den mag ich ja so gerne, weil er viel von dem hat, was auch meine Werte sind, die auch ich, soweit es geht, zu leben versuche: Aufrichtigkeit, Ehrlichkeit, vertrauenswürdig zu sein und Vertrauen zu verlangen, eine gewisse Offenheit und überhaupt eine Haltung zu haben.
Und das Frageverbot?Das ist für mich eine Einforderung von Vertrauen. Er fordert für meine Begriffe nur etwas, was er selber versucht, Elsa entgegenzubringen. Deshalb ist der Schluss auch so tragisch, dass es eben nicht gelingt. Gegenseitiges Vertrauen ist ein ganz großer Wert.
Haben Sie Probleme mit dem heutigen Regietheater?Da habe ich - toitoitoi! - bisher Glück gehabt. Glücklicherweise wurde von mit noch nicht etwas verlangt, was ich gar nicht wollte oder konnte. Es gab aber immer mal Momente, wo ich zweifelte. Zum Beispiel bei der "Rusalka" in München, wo ich nach dem Konzeptionsgespräch schon etwas erschrocken war. Nachher war das eine tolle Arbeit, eben weil das so gut gepasst hat auf die Musik. Ich bin nicht jemand, der gleich nein sagt, sondern ich gucke mir erstmal an, ob ich damit klarkommen kann. Und dann betrachte ich das immer auch als Herausforderung.
Wie haben Sie das Spielen gelernt?Im Studium hatte ich das große Glück, dass wir jemanden hatten, der uns beigebracht hat, wie man sich in Situationen und in Figuren reindenkt, welche psychologische Tricks es gibt undsoweiter. Ich muss aber auch sagen, dass ich sehr viel vom guten Auge meiner Frau profitiere, die einfach vieles erkennt, analysieren und korrigieren kann. Sie hilft mir da sehr. Und dann gibt es ja auch immer wieder Regisseure, die auch viel von der darstellerischen Seite verstehen und einem viel beibringen können. Dazu gehört unter anderem Hans Neuenfels mit seinem "Lohengrin" in Bayreuth.
Wann war Ihr erstes Wagnererlebnis?Schon als Orchestermusiker habe ich das Siegfried-Idyll gespielt. Und dann kam auch schon Bayreuth. Durch meine Schwiegereltern hatte ich die Möglichkeit, Generalproben zu besuchen. Mein Schwiegervater ist Kontrabassist und war 33 Jahre im Festspielorchester, meine Schwiegermutter war dort viele Jahre im Chor, dementsprechend hat auch meine Frau ihre Sommer alle in Bayreuth verbracht - und ich dann eben auch.
Und wann kam der Gedanke, da möchte ich auch stehen, auf dieser Bühne? Bayreuth hat mich sofort fasziniert - nur so weit zu denken, hätte ich damals nie gewagt. Das wäre vermessen gewesen. Mein Bestreben war ja zuerst, in den Orchestergraben zu gelangen.
Wann hat sich entschieden, dass Sie singen?Das ist jetzt fast fünfzehn Jahre her, als mir überraschenderweise mein erster Vertrag in Flensburg angeboten wurde. Ich konnte mich vom Orchester in Hamburg beurlauben lassen, so dass es noch eine Rückfahrkarte gab, wenigstens ein Jahr lang. Ich bin noch heute dankbar, dass ich die Möglichkeit hatte, es mit dem Gesang einfach mal auszuprobieren.
Da hatten Sie aber schon eine ausgebildete Stimme. Woher kam der erste Impuls?Das war ein reiner Zufall. Meine Frau, die Sängerin ist, hat mit mir für eine Familienfeier das Katzen-Duett von Rossini einstudiert. Das war mein erster Kontakt mit solistischem Singen. Als meine Schwiegermutter das auf einer Aufnahme hörte, sagte sie, du hast aber eine schöne Stimme, willst du damit nicht was anfangen? Und daraus ist das entstanden. Ich bin daraufhin zu einem Gesangsprofessor gegangen, habe mit dem Unterricht angefangen und das hat mir sehr schnell sehr viel Spaß gemacht.
Singt Ihre Frau noch?Im kleineren Kreis treten wir auch zusammen auf, ein bisschen Operette oder so. Vielleicht kriegen wir das auch noch hin, dass es ein bisschen mehr wird.
Mit vier Kindern ist das schwierig. Da hat Ihre Frau zurückgesteckt.Und zwar nicht nur ein bisschen. Das ist schon ein großes Opfer zu sagen, das man erst mal bringen können muss, einfach zu sagen: Du machst das jetzt und ich bleibe zuhause. Und auch nur deshalb gelingt mir das alles so, wie es gelingt. Es ist unheimlich wichtig für mich, da den Rücken frei zu haben und zu wissen, dass die Familie gut läuft, dass die Kinder versorgt sind. So kann ich beruhigt auf Reisen gehen. Das ist ein wichtiger Faktor.
Gerade nehmen Sie Ihre zweite Solo-CD auf. Wagnerhelden 2?Wie sie heißen wird, wissen wir noch nicht, wann genau im nächsten Jahr sie erscheinen wird, auch nicht. Aber es sind ausschließlich Stücke von Wagner, nicht mit den ganz großen Highlights aus meinem Repertoire, sondern zum Beispiel andere Stellen aus "Walküre" als die Winterstürme und anderes aus "Lohengrin" als die Gralserzählung. Dazu das Gebet von Rienzi, was ein sehr schönes Stück ist, das mir auch schon gut liegt.
Und der Echo-Preis als "Sänger des Jahres" für Ihre erste Solo-CD "Helden", was bedeutet das für Sie?Das kann ich gar nicht sagen. Das ist so außergewöhnlich und so weit weg gewesen für mich, so eine Auszeichnung mal zu bekommen, dass ich davon doch sehr überrascht bin. Und dementsprechend auch stolz. Ich freue mich wahnsinnig darüber, ich sehe es als Anerkennung meiner Arbeit und als Ansporn weiter zu machen.
Wann haben Sie zum ersten Mal realisiert, dass Sie ein Star sind?Das bin ich nicht. Das realisiere ich nicht. Das sagen Leute von außen, aber ich empfinde das nicht so.
Was sagen Ihre Söhne dazu?Eigentlich wenig. Die sind damit aufgewachsen, dass ich singe. Für die ist wichtig, dass ich für sie der Papa bleibe. Ob ich, wie Sie sagen, ein Star bin, das ist ihnen ziemlich egal.
Ihre nächste neue Wagnerpartie?Wahrscheinlich wird das der Tannhäuser sein. Das wäre der nächste Schritt.
Und wann kommen Tristan und Siegfried?Das weiß ich nicht so genau. Das wird noch ein paar Jahre dauern. Einerseits bin ich natürlich scharf drauf, auch das zu singen, andererseits möchte ich mir wirklich noch damit Zeit lassen, um bei diesen Partien wirklich drüberstehen zu können. Außerdem fühle ich mich derzeit mit Lohengrin, Stolzing, Siegmund und Parsifal unheimlich wohl und merke, wie ich mich damit weiterentwickeln kann.
Sie könnten doch wie Alfredo Kraus mit nur einem Dutzend Partien durchs Leben gehen?Ja, das könnte man. Aber ich bin eben sehr neugierig und ich glaube, dass man mit jeder neuen Partie nicht nur etwas Neues lernen kann, sondern dass das auch für die andere Partien gut ist.
Haben Sie als Sänger Vorbilder?Eigentlich nicht. Sicher wird für mich Fritz Wunderlich immer ein Beispiel bleiben, auf natürliche Weise an Gesang und Stimme heranzugehen. Und was die Bühnenwirkung betrifft, habe ich immer schon Kollegen beobachtet. Man guckt sich mal von dem eine Kleinigkeit ab, die man gut findet, oder sieht bei einem anderen, was man so vielleicht nicht machen möchte. Da gibt es immer Elemente, die ich mir nehme, aber ein Vorbild in dem Sinne gibt es nicht.
Welches Ziel haben Sie als Sänger?Mein Ziel ist es, den Zuhörer, das Publikum zu berühren, es an dem Abend mit auf meine Reise zu nehmen.
Warum ist es für Sie schöner, das als Sänger zu tun - und nicht als Hornist?Weil der Gesang noch viel unmittelbarer, viel direkter ist. So zu singen und seine Stimme zu zeigen, ist nicht nur etwas Persönliches, sondern auch etwas sehr Intimes, denn man kommuniziert ja dabei mit fremden Menschen, nimmt mit ihnen Kontakt auf. Wenn es gelingt, dass man die Zuhörer bei sich hat, ist das einfach ein irres Gefühl.
Und die Ovationen, wie heuer bei der Bayreuther "Lohengrin"-Premiere?Das ist ein ganz unbeschreibliches Gefühl. Das trifft, das berührt einen tief.
Warum ist Bayreuth etwas Besonderes?In Bayreuth ist eine besondere Atmosphäre von Kunst und Arbeit zu spüren, die auch einen gewissen Ferien- und Freizeitgenusscharakter hat. Diese Mischung macht es aus. Dazu kommt dieses außergewöhnliche Publikum, das nur wegen dieser Werke nach Bayreuth fährt. Dadurch entsteht eine Atmosphäre, eine Aura um dieses Haus, die einmalig ist.
Sie kennen es auch von oben. Seit wann fliegen Sie?Ich habe damit angefangen, als ich das erste Mal die Möglichkeit finanziell dazu hatte. Bei meinen allerersten Ferien als Orchestermusiker war das nötige Geld da - und die nötige Zeit.
Am Fliegen hat mich gleich fasziniert, dass man innerhalb von so kurzer Zeit in einer völlig anderen Welt, in einem völlig anderen Kontext landen kann. Und das hat sich bis heute auch erhalten.
Der Campingwagen ist inzwischen auch Ihr Markenzeichen.Wenn ich längere Phasen von zuhause weg sein muss, versuche ich, sie so angenehm wie möglich zu gestalten. Der Campingwagen ermöglicht mir, relativ frei zu sein, dazu kommt ein gewisses Feriengefühl während der Arbeit. Außerdem nerven mich Hotelzimmer, die zu klein und dunkel sind. Ich bin ein Draußen-Mensch, ich mag es einfach gerne, morgens erst mal die Tür aufzumachen und frische Luft zu atmen.
Wie halten Sie sich körperlich fit?Ich mache relativ viel Sport. Wenn ich unterwegs bin, laufe ich regelmäßig und mache, was sich gerade bietet: In den Alpen fahre ich Ski, am Wasser surfe ich und schwimme, wenn sich die Gelegenheit bietet, spiele ich gerne Fußball, Tennis, alles Mögliche. Es ist wichtig, sich körperlich fit zu halten. Das hilft auch für diese langen Partien, für die man eine Portion Kondition braucht - und damit auf eine längere Zeit auch eine gewisse mentale Frische bewahren kann. Das hängt alles zusammen.
Jetzt haben wir fast nur über Wagner gesprochen. Aber auch Mahler ist schwer zu singen. Gibt es im "Lied von der Erde" Töne, vor denen Sie sich fürchten?Nein. Aber vor allem im ersten Lied kann die Wucht des Orchesters auch mörderisch sein. Das ist für mich schon eine schöne Herausforderung, es gut hinzukriegen. Aber schon als Horn-Student mochte ich seine Musik. Diese vielen Anspielungen an die Natur zum Beispiel in seiner 1. Symphonie, die vielen Stimmen und Stimmungen aus der Natur, sind mir unglaublich nahe.
Konzerte und Echo-Preis Klaus Florian Vogt und die Mezzosopranistin Doris Soffel sind die Gesangssolisten der Symphoniker-Konzerte am 30. September um 17 Uhr und 1. Oktober um 20 Uhr unter Jonathan Nott. Auf dem Programm stehen das Adagio aus der Symphonie Nr. 10 Fis-Dur sowie "Das Lied von der Erde" von Gustav Mahler. Das Sonntagskonzert ist ausverkauft, für Montag gibt es noch Restkarten. Am 3. Oktober folgt damit auch ein Gastspiel im Festspielhaus Baden-Baden.
Echo-Klassik-Gala Das ZDF sendet am 14. Oktober ab 22 Uhr Ausschnitte der Echo-Klassik-Gala vom selben Abend im Konzerthaus Berlin. Klaus Florian Vogt ist als "Sänger des Jahres" einer der Hauptpreisträger. Die Verleihung des Echo-Klassik-Preises gehört zu den meistgesehenen Klassiksendungen im deutschen Fernsehen.