Kampf um die Meinungshoheit im Steigerwald

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Prototyp der etwas anderen Art von "Nationalparkschildern" . Das Schild der Nationalparkfreunde steht in Karbach. Foto: p.
Prototyp der etwas anderen Art von "Nationalparkschildern" . Das Schild der Nationalparkfreunde steht in Karbach.  Foto: p.

Der Kampf um die Meinungshoheit im Steigerwald tobt mit Härte, aber zunehmend auch mit Argumenten. Trotz Anfeindungen bekennen sich immer mehr zum Verein Nationalpark Nordsteigerwald. Die Gegenseite hält sie für " Exoten".

Eine ängstliche Frau ist Ingrid Michel (55) aus Untersteinbach nicht. Dennoch traut sie sich seit kurzem nicht mehr in die Nachbardörfer Wustviel und Geusfeld. Man hat der Wirtin des Hirschenbräus in Untersteinbach mit Kopfschüssen gedroht und damit, sie beim Joggen im Wald "abzufangen".

Alltägliches Mobbing im Steigerwald im Sommer 2014. Acht Wochen, nachdem sich im Gasthof der Michels 150 Menschen zur Idee eines Nationalparks im Steigerwald bekannten, ist der Riss, der durch die Region geht, noch tiefer als bisher. Nicht selten ziehen sich die Gräben mitten durch Familien.

Auch der 73-jährige Rentner Helmut Weilbach aus Mittelsteinach ist einer von denen, die einen Nationalpark als Zukunftschance für den Steigerwald sehen und sich dafür aussprechen, nicht einfach so weiter zu machen wie bisher. Als Ergebnis erntete er freilich nicht nur den erhofften Austausch, sondern oft auch Beschimpfungen und einen Plattfuß bei seinem im Wald geparkten Auto. Es ist nicht der erste , den Nationparkbefürworter hinnehmen mussten, seit 2007 die Debatte mit der Initiative des damaligen Bamberger Landrats Günther Denzler begann. Auch Denzler selbst sah sich schon als Puppe an einem Baum hängen...

Doch es gibt auch gute Nachrichten aus einem Gebiet, das um den richtigen Weg in die Zukunft ringt, wenn auch nicht immer in der gebotenen Sachlichkeit. Die Zahl derer, die sich für Fakten interessieren, die sich aufgrund von Informationen für die eine oder die andere Seite entscheiden, wächst. Und unverkennbar ist auch: Die Debatte verlagert sich von der Straße auf die Ebene der Argumente.

Zum Beispiel der Verein Nationalpark Nordsteigerwald, der Anfang Juli mit 150 Gründungsmitgliedern gestartet ist. Glaubt man Johannes Schnös aus Karbach, geht die Erfolgsstory weiter. "Täglich haben wir zehn bis 20 neue Anmeldungen. Wir stehen aktuell vor der 500-Mitglieder-Grenze." Doch freilich: Nicht alle sind so mutig wie das Wirtsehepaar Michel aus Untersteinbach, wie die Vorstände Helmut Weilbach oder Benedikt Schmitt, die sich trotz der aufgeladenen Atmosphäre offen zu einem neuen Weg der Regionalentwicklung bekennen. "Viele Gewerbetreibende sind bei uns. Doch sie können sich nicht dazu äußern", sagt Schnös. "Sie fürchten, von den Kunden abgestraft zu werden."

"Wer Unfriede sät..."

Siegfried Ständecke kann es nur allzu gut verstehen, dass die Reaktionen gegenüber Nationalparkfreunden auch nach sieben Jahren noch so heftig ausfallen. Als Vorstandsmitglied von "Unser Steigerwald" ist er ein erklärter Gegner eines Nationalparks und will den Steigerwald so lassen wie er ist: "Wer Unfrieden sät und wie der Bund Naturschutz ein so existenzielles Thema in die Landschaft bringt, braucht sich über das Echo nicht zu wundern", sagt er.

Und was ist mit dem Konflikt unter Gleichen, dem Zwist unter Nachbarn? Ständecke ficht es nicht an, dass sich die Nationalparkbefürworter mittlerweile nicht nur aus den Reihen der Natuschützer rekrutieren, sondern selbst Teil des Steigerwalds sind. Er glaubt die Mehrheit der Bevölkerung auf seiner Seite. Die anderen? "Fünf bis zehn Prozent Exoten gibt es überall."

Dennoch: Konkurrenz belebt das Geschäft. Seit der Nationalparkverein da ist, bemüht sich auch "Unser Steigerwald", mit 3700 Mitgliedern immer noch klarer Platzhirsch, nicht ins Hintertreffen zu geraten.

So hat allein die Ankündigung der Nationalparkfreunde, für Klarheit im Gestrüpp der Halbwahrheiten zu sorgen, bewirkt, dass "Unser Steigerwald" gewachsenen Informationsbedarf sieht. Einer "Tagung von Waldexperten" folgten wohlwollende Beiträge über die Arbeit des Forstbetriebs Ebrach und über die Wege, die das Holz aus dem Steigerwald nimmt, auf der Homepage. Unser Steigerwald widerspricht darin mit Hinweis auf die Daten des Forstbetriebs der Behauptung, dass große Teile des Steigerwaldholzes im Ausland landen.

Doch von einem Konsens sind sie weit entfernt. Helmut Weilbach vom Nationalparkverein legt Zahlen vor, die genau das Gegenteil belegen sollen. Dass nämlich der Löwenanteil des Wertholzes bei Großsägereien landet, die Holz billig ins Ausland verkaufen...

Auch bei der Frage nach einem Weltnaturerbe scheiden sich die Geister. Zwar herrscht Übereinstimmung darüber, dass ein Titel von der Unesco dem Steigerwald gut täte, doch zusätzlichen Wald will "Unser Steigerwald" dafür unter keinen Umständen aus der Bewirtschaftung entlassen. Auch den per Verordnung geschützten 750 Hektar großen "Hohen Buchenen Wald", möglicherweise Schlüssel für eine Nachnominierung bei der Unesco, würde die Lobby der Waldnutzer lieber heute als morgen kassieren. Sie sieht das Schutzgebiet als "Rechtsbruch".

Beim Nationalparkverein ist man sich dagegen sicher, dass der Versuch, Weltnaturerbe zum Nulltarif zu werden, scheitern wird. "Die Richtlinien der Unesco sind klar. Es gibt kein Weltnaturerbe ohne ein Schutzgebiet angemessener Größe", sagt Johannes Schnös. Auch das von den Gegnern eines Nationalparks angepriesene Tritt-steinkonzept reiche nicht aus. Es damit dennoch zu versuchen, sei der Versuch, den Titel dadurch zu torpedieren, dass die Unesco absagt. "Das Trittsteinkonzept der Staatsforsten hat keine Rechtsverbindlichkeit und kann jederzeit wieder geändert werden", sagt Schnös.

Schlichten könnte in dieser Frage das Umweltministerium. Im Juli hat die Behörde angeboten, eine Machbarkeitsstudie zum Weltnaturerbe in Auftrag zu geben. Doch nicht alles ist machbar, was machbar wäre im Steigerwald. Bisher wurde eine solche Arbeit aus Angst vor den Erkenntnissen strikt abgelehnt.

Für die Zukunft braucht es Wissen, aber auch Mut: Als sich Ingrid Michel in Untersteinbach dazu entschlossen hat, Mitglied beim Nationalparkverein zu werden, hat sie manchen Stammgast verloren. Manch neuen hat sie aber gewonnen. Ein Zurück gibt es für sie nicht. "Wir haben angefangen. Jetzt ziehen wir das durch."