Der Zapfendorfer Gemeinderat hat sich über das Votum der Experten hinweg gesetzt. Die beiden besten Entwürfe für ein Monument, das an die Zerstörung Zapfendorfs im Jahr 1945 erinnert wurden nicht berücksichtigt. Die Jury-Mitglieder betrachten das als Missachtung ihrer Arbeit und ihrer Entscheidung.
Bei den Mitgliedern der Jury herrscht Unverständnis, Entsetzen, Empörung. Die Entscheidung des Zapfendorfer Gemeinderats, weder den Erst- noch den Zweitplatzierten des Wettbewerbs zur Gestaltung eines Mahnmals, das an den verheerenden Fliegerangriff vom 1. April 1945 erinnern soll, mit der Ausführung zu beauftragen, können sie nicht nachvollziehen. Eine Mehrheit der Gemeinderäte hatte sich im Dezember für den Entwurf des Drittplatzierten im Jury-Votum, des Bamberger Künstlers Bernd Wagenhäuser, entschieden.
Provinzposse Der Jury-Vorsitzende Ovis Wende, aus Unterfranken stammender Professor für Kunst im öffentlichen Raum an der Fachhochschule Dortmund, spricht nun von einer "Provinzposse" und findet harte Worte: "Ich verurteile als Jury-Vorsitzender ausdrücklich die Missachtung aller künstlerischer und formaler Qualitäten des prämierten Entwurfs
,Zeitraum' durch den Gemeinderat von Zapfendorf." Dort hatten sich nach ausgiebiger Diskussion nur fünf Gemeinderäte für den Siegerentwurf von Roland Schön aus Neudrossenfeld ausgesprochen. Der Entwurf des Mürsbacher Künstlers Thomas Eller war gar nicht größer diskutiert worden. Wagenhäusers Plastik erhielt schließlich 15 Stimmen.
Fassungslos war danach nicht nur Zapfendorfs Zweiter Bürgermeister Baptist Schütz (CSU), die treibende Kraft hinter dem Projekt Mahnmal. Maßlos enttäuscht war auch der Zapfendorfer Thomas Gunzelmann, Kunsthistoriker und Mitglied der Jury. Beide hatten sich für Schöns "Zeitraum" ausgesprochen. Das Engagement von Schütz und Gunzelmann streicht Jury-Mitglied Christiane Toewe, Vorsitzende des Berufsverband Bildender Künstler (BBK) Oberfranken, heraus.
Sie kritisiert ebenfalls die Missachtung des Votums der Jury, auch wenn sie einräumt, dass der Gemeinderat formell korrekt gehandelt hat.
Der Zweite blieb völlig unbeachtet Toewe stört vor allem, dass der Zweitplatzierte faktisch nicht in Erwägung gezogen worden ist. Thomas Eller hatte eine etwa 15 Meter lange und drei Meter hohe Wand aus Edelstahl entworfen, auf die ein historisches Foto vom zerstörten Zapfendorf aufgebracht ist. Die Wand war nicht in Erwägung gezogen worden, weil sie an dem vom Künstler ursprünglich gedachten Standort auf den Widerstand von Anwohnern gestoßen wäre. Doch nachdem die Bahn sich kurz vor dem Gemeinderatsbeschluss gegen den Denkmalstandort auf dem Bahnhofsplatz ausgesprochen hatte, musste ohnehin ein alternativer Platz bei der Raiffeisenbank gefunden werden.
Toewe sähe für ihren persönlichen Favoriten sogar noch eine andere Lösung: Wenn die Bahn dereinst ihre ICE-Strecke ausbaut und dabei quer durch Zapfendorf Schallschutzmauern zieht, könnte Ellers "Gleis der Erinnerung" diese zieren.
Optimistisch, dass sich die Zapfendorfer für das Votum der Jury erwärmen können, war Toewe vor allem nach einer Infoveranstaltung, die sie zusammen mit Markus Schäfer vom Bamberger Büro "transform", der den Wettbewerb organisiert und begleitet hat. Dort sei konstruktiv über Vorzüge und Mängel der verschiedenen Entwürfe diskutiert worden. Radikale Kritiker hätten sich nicht zu Wort gemeldet.
Der Wettbewerb sei insgesamt - von der Auslobung über die Bewertung bis hin zur Entscheidung - sehr gut verlaufen.
Zukunftsgerichtet und positiv Diesen Eindruck bestätigt auch Schäfer, der mit "transform" auch das städtebauliche Entwicklungskonzept für Zapfendorf erarbeitet. Die Diskussion und Entscheidung im Gemeinderat habe ihn dann vollkommen überrascht und er könne nur bedauern, wie das gelaufen sei. Schließlich habe sich sowohl der Arbeitskreis für das Denkmal als auch der Gemeinderat den Kunstwettbewerb im Konsens gewünscht, um - professionell betreut, mit einer professionellen Jury und einer klaren Aufgabenstellung - zu einem hochwertigen, diesem gravierenden Ereignis angemessenen Kunstwerk zu kommen.
In der Auslobung sei auch ganz klar formuliert gewesen, dass es sich nicht um klassisches Mahnmal handeln solle.
"Das Mahnmal soll nicht in erster Linie an dieses tragische historische Ereignis erinnern, sondern es soll vor allem auch die positiven Leistungen der Bürgerinnen und Bürger von Zapfendorf beim anschließenden Wiederaufbau herausstellen", heißt es in der Auslobung des Wettbewerbs. Diesen Anspruch erfüllte Roland Schön nach Meinung der Jury am besten. In Bernd Wagenhäusers Entwurf komme dieser - entscheidende - zukunftsgewandte Aspekt dagegen zu kurz.
Stellungnahme angekündigt Der Gemeinderat habe letztendlich dann aber doch am alten Bild von einem Mahnmal festgehalten, meint Schäfer. Der Jury-Vorsitzende Ovis Wende drückt es drastischer aus und nennt es eine "kleinbürgerliche Anpassung an das ,gesunde Volksempfinden'". Dass der Wettbewerb und das Mahnmal nicht nur durch die Gemeinde Zapfendorf und private Spender finanziert wird - Schäfer schätzt die
Gesamtkosten auf gut 50 000 Euro, davon 30 000 für das Kunstwerk selbst -, spricht Wende von einem "qualitativen Missbrauch öffentlicher Fördermittel". Für ihn ist klar, dass das Jury-Votum "keine Dreier-Vorschlagsliste, sondern einen klaren ersten Platz" ergeben habe.
Wende und Toewe wollen nun, dass die Jury noch einmal öffentlich Stellung bezieht. Dass der Gemeinderat seinen Entschluss ändert, wagen sie allerdings kaum zu hoffen. Denn das Mahnmal soll bereits am 1. April, dem Jahrestag der Zapfendorfer Katastrophe, eingeweiht werden.
Dem Zapfendorfer Gemeinderat sollte ein Preis für Bürgernähe und gelebte Demokratie verliehen werden.
Ich frag mich schon lange warum bei Bauprojekten und Kunst im öffentlichen Raum immer wieder irgendwelche Juries entscheiden müssen und nicht die Bürgerschaft. Die Bürger sind es, die tagtäglich mit den Bau- und Kunstwerken leben müssen.
Die Aussagen von Hr. Ovis sind von unerträglicher Arroganz und beleidigend. Sie zeugen von einer extrem verachtenden Geisteshaltung gegenüber Menschen, die nicht seine Auffassung teilen oder nicht seiner "Klasse" angehören.
Was Hr. Ovis von sich gibt grenzt an einen Skandal. Der Begriff des "gesunden Volksempfinden" stammt aus der Zeit des Nationalsozialismus und diente u.a. dazu politisch motivierte Gerichtsurteile zu ermöglichen. Zitat: „Bestraft wird, wer eine Tat begeht, die das Gesetz für strafbar erklärt oder die nach dem Grundgedanken eines Strafgesetzes und nach gesundem Volksempfinden Bestrafung verdient. [...]“. Weiterhin dienste sie dazu Kunst als entartet oder volksfremd zu deklarieren.
Mit seiner Äußerung rückt er den Zapfendorfer Gemeinderat in die Nähe des verbrecherischen NS Regimes.
Dies ist nicht nur absurd sondern obendrein in höchstem Maße herabwürdigend für den Zapfendorfer Gemeinderat und für alle Opfer der NS Diktatur.
Wenn ein Jury-Vorsitzender die Entscheidung des Gemeinderates als "kleinbürgerliche Anpassung an das ,gesunde Volksempfinden'" tituliert, dann hinterlässt das bei mir den Eindruck einer fast schon zur Arroganz neigenden Selbsteinschätzung. Dieser Gemeinderat ist ein durch die Einwohnerschaft legitimiertes Entscheidungsgremium und ist seiner Aufgabe nachgekommen, Schaden von dieser Gemeinde fernzuhalten. Ich hoffe auch, dass er bei seiner Entscheidung bleibt, denn (Ovis) "Wendehälse" brauchen wir in so einem Gremium nicht. Eine "Provinzposse" wäre es gewesen, den "Siegerentwurf" gegen die kopfschüttelnde Bevölkerung durchzusetzen. Zapfendorf zeigt, dass Demokratie auch auf kommunaler Ebene funktioniert. Vielleicht noch ein guter Rat an den Jury-Vorsitzenden: Hochmut -auch wenn akademisch motiviert - bleibt Hochmut, und kommt ......
Und manchmal kann man auch stolz darauf sein, in der "Provinz" zu wohnen.
Das ist natürlich etwas, was die zeitgenössischen und pseudoelitären Selbstbeweihräucherer nur mit Verachtung strafen können. Wer als Künstler bzw. was als Kunst angesehen wird, hängt vor allem vom vorherrschenden oder individuellen Kunstbegriff ab. Und in diesem Sinne hat hier offensichtlich das Volk anders empfunden als die kleine Schar der "Eliten". Für die "normalen" Bürger ist das Mahnmal schließlich vor allem da, weniger für die Deutungs- und Abstraktionsakrobaten a la Concordia in Bamberg. Der Gnom im Sand läßt grüßen.