Der Franke bemühte sich, Einheimische kennen zu lernen - und hatte Glück: Mit Heriyanto Ginting und Suriono Masno begegnete er zwei problembewussten Inselbewohnern. Masno ist Lehrer. Heriyanto, genannt Anto, ist seit Jahrzehnten Trekking-Guide im Leuser-Nationalpark. "Anto träumt davon, auch seinen Enkeln und Urenkeln noch Orang-Utans zeigen zu können. Diese Menschenaffen sind vom Aussterben bedroht."
Gemeinsam entwickelten die drei Männer den Plan, ein Eco-Hostel zu bauen - ein Hostel aus recyceltem Plastikmüll. Die Bausteine, so genannte Eco-Bricks, sollten aus gesammeltem Müll hergestellt werden. "Eco-Bricks sind Plastikflaschen, in die so viel gereinigter Kunstoffmüll gestopf wird, wie es geht", erklärt Keilholz. "Diese Flaschen - Bricks - werden in die Wände betoniert und stabilisieren sie."
Die Drei beschlossen, mit den Gästeeinnahmen durch das Hostel Regenwald zu kaufen, heimische Mitarbeiter zu bezahlen und Bildungseinrichtungen für die Kinder vor Ort ins Leben zu rufen.
Lehrer Masno und seine Schüler fingen an und sammelten tonnenweise Müll in der Natur. Andere Einheimische machten es ihnen nach. "Für jeden Eco-Brick, der uns gebracht wird, zahlen wir 5000 Rupiah, das sind umgerechnet 29 Cent. Das reicht für eine warme Mahlzeit." Die ersten 20.000 Eco-Bricks finanzierte Sebastian Keilholz aus eigener Tasche. "Was ich in Deutschand in zwei Wochen verdiene, reicht mir auf Sumatra zwei Monate zum Leben. Da kann ich auch noch etwas abgeben."
Das Hostel-Projekt lief gut an. Dann lernte Sebastian im August 2018 Marc Helwing und Erich Stieb kennen, zwei junge Männer aus Deutschland, ebenfalls Fundraiser. Auch ihnen schwebte ein Hilfsprojekt vor. "Als wir erkannten, dass wir dieselben Ziele haben - Umweltschutz vorantreiben, Artenvielfalt erhalten, Einheimischen Hilfe zur Selbsthilfe gewähren - , beschlossen wir, unsere Kräfte zu bündeln." So entstand "Project Wings", ein Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekt.
Statt eines Eco-Hostels ging es ab sofort darum, ein ganzes Recycling-Dorf mit Übernachtungsmöglichkeiten, Gaststätte, Sport- und Bildungseinrichtungen zu bauen. Die Idee zog Kreise. Es fanden sich heimische Kooperationspartner wie "Care Sumatra", das die Flora und Fauna erhalten und schützen will, unter anderem die Orang-Utans.
Als Erstes bauten die Europäer zusammen mit den Einheimischen aus Eco-Bricks das so genannte Education-Center, ein Schul- und Kindergartengebäude in Bukit Lawang, einem Ort, der auch Touristen anlockt. Lehrer Masno managt das Bildungszentrum. "Dafür ist der Bürgermeister von Bukit Lawang sehr dankbar. Das sorgt wiederum dafür, dass wir Zulauf und Hilfe bekommen." Und zumindest schon so viele Spenden, dass "Project Wings" mit dem Kooperationspartner "Care Sumatra", einer anerkannten Hilfsorganisation, eine vier Hektar große, verlassene Palmölplantage reservieren konnte, ganz in der Nähe von Bukit Lawang.
Hier soll das Recycling-Dorf entstehen, Finanzierungsaktionen dafür laufen. Etwa eine Million Euro werden insgesamt gebraucht. Viele Einheimische fertigen bereits Eco-Bricks aus gesammeltem Müll für das Dorf an. Der Verdienst daraus hilft ihnen im Kampf gegen die Armut. "Die nächsten Ziele nach dem Flächenkauf sind: Bau einer Bäckerei, eines Sportplatzes, zweier Werkstätten zum Plastikrecycling und zur Produktion von alternativen Verpackungen aus Mais, Hanf und Algen." Auch ein veganen Restaurant soll errichtet werden, und zwar mit angeschlossenem Garten zur Selbstversorgung, in dem Obst und Gemüse wachsen - von Ananas über Kokos, Mangos und Wassermelonen bis hin zur Durianfrucht.
"Bis 2021 soll unser Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekt selbstständig laufen." Bis zu 500.000 Eco-Bricks werden dann verbaut sein, schätzt der Bamberger. Die Umwelt werde zusehends sauberer und es sei "superschön zu sehen, wie es voran geht."
Und wenn es zu Ende ist? "Wenn das Projekt sich selbst trägt, wenn die Einheimischen davon leben können und ein Stück ihrer Umwelt bewahren, dann ziehen wir weiter", sagt Sebastian Keilholz. Wohin, das ist noch offen. "Projekte wie Bukit Lawang sind meine Zukunft, da bin ich sicher. Ich finde es wunderschön, wie viele Probleme man damit gleichzeitig löst. Als Minimalist brauche ich nicht viel zum Leben, sondern möchte mich an dem, was ich habe, zusammen mit Gleichgesinnten freuen."
Nie zuvor habe er das Gefühl gehabt, etwas so Sinnvolles und Erfüllendes zu tun. "Jeder, der sich selbst ein Bild machen möchte, ist herzlich eingeladen zu kommen." Wie Sebastian Keilholz auch, müssen Interessierte ihre Flüge natürlich selbst zahlen.
Bis Ende August verdient der 25-Jährige aktuell wieder als Fundraiser in Deutschland Geld. Im September wird er nach Sumatra zurückkehren. "Im Oktober kommen etliche Freiwillige, Volunteers genannt - 19 haben sich schon angemeldet, vom Backpacker bis zum Anwalt, der eine Auszeit braucht. Sie alle wollen beim Bau des Recycling-Dorfes helfen."
Sebastian Keilholz ist sicher, dass sie das bedrohte Naturparadies Sumatra lieben lernen werden. "Allein die Lebensfreude der Menschen hier haut einen um und gibt einem ein Gefühl von Wärme und Freude, das mehr wert ist als jeder Reichtum dieser Welt."
Infos
Sebastian Keilholz, 1993 in Bayreuth geboren, ist 2005 nach Bamberg gezogen, wo er Oberministrant am Bamberger Dom wurde und am Theresianum Abitur machte. Nach der Schule absolvierte er ein Freiwilliges Soziales Jahr in Vierzehnheiligen bei Bad Staffelstein. Sein Forstwirtschaftsstudium brach er ab, machte eine Ausbildung zum Kinderpfleger. Heute arbeitet er die Hälfte des Jahres als Fundraiser (unter anderem für Hilfsorganisationen wie Unicef oder die SOS-Kinderdörfer), die andere Hälfte des Jahres lebt er auf Sumatra, wo er mit Hilfe von Freunden und Einheimischen sein Hilfsprojekt "Project Wings" vorantreibt. Kontakt: sebastian-keilholz@gmx.de Project Wings: Mittlerweile gehören vier Köpfe zur gemeinnützigen GmbH: Neben Sebastian Keilholz (Bamberg) und den beiden Geschäftsführern Erich Stieb (Butzbach bei Gießen) und Marc Helwing (Koblenz) sorgt Leonie Deimann (Koblenz) für Frauen-Power in der Runde. Zusammen mit Unterstützern weltweit startet "Project Wings" im September den Bau des Recycling-Dorfes.
Alle Infos: www.project-wings.de; Spendenkonto:
IBAN DE06570501200000282152
BIC MALADE51KOB