Jetzt kommt die Bildung nach Plan

4 Min
Seit 1. Juli neu im Rathaus: Matthias Pfeufer. Er erstellt den Bildungsentwicklungsplan für die Stadt Bamberg.   Foto: Matthias Hoch
Seit 1. Juli neu im Rathaus: Matthias Pfeufer. Er erstellt den Bildungsentwicklungsplan für die Stadt Bamberg.    Foto: Matthias Hoch

Die Stadt Bamberg hat sich entschlossen, einen Bildungsentwicklungsplan erstellen zu lassen. Bürgermeister Christian Lange hat dafür den Experten Matthias Pfeufer ins Rathaus geholt.

Ein neues Gesicht im Rathaus, eine neue Stelle für den Bereich Bildung: Matthias Pfeufer, Hauptschullehrer, Hochschuldozent und Wissenschaftler, ist angetreten, für die Stadt Bamberg einen Bildungsentwicklungsplan aufzustellen - so wie es der Kultursenat des Stadtrats im Jahr 2014 beschlossen hat.

Herr Pfeufer, warum braucht die Stadt einen Bildungsentwicklungsplan?
Bisher verengt sich der Blick oft auf die bekannten formalen Bildungsgänge. Der Blick muss sich aber unbedingt weiten: Bildung findet während des gesamten Lebens statt und der Mensch muss offen werden für neue Lernformen und -gelegenheiten. Lernen ereignet sich nicht nur in den Schulen, sondern an den unterschiedlichsten Orten.
Gerade in einer Stadt wie Bamberg, die sich historisch ganz selbstverständlich und auch zu Recht als Schulstadt mit einem außerordentlich breiten Bildungsangebot versteht, ist es wichtig, über die reine Schulbildung hinaus auch alle anderen Formen von Bildung in den Fokus zu rücken. Dazu gehören informelle Bereiche wie Musikschulen, Volkshochschulen, Stadtbüchereien, aber auch Vereine und - nicht zu vergessen - die Familien. Und natürlich reicht dieses Bildungsnetzwerk auch über die Stadt Bamberg selbst hinaus. Deshalb arbeiten wir eng und intensiv mit dem Landratsamt und den Schulaufsichtsbehörden zusammen.

Was ist nun ein Bildungsentwicklungsplan?
Auf der Grundlage einer belastbaren Datenbasis, die in den kommenden Jahren erstellt werden muss, wollen wir die strategischen Ziele im Bildungsbereich für die Zukunft entwickeln. Und das unter Einbeziehung aller Ressorts und Beteiligten. Alle Fragen und Probleme lassen sich versachlichen, wenn verlässliche Daten vorhanden sind. Gerade in der oft emotional aufgeladenen Diskussion um die "richtige" Bildung von Kindern und Jugendlichen braucht es eine sichere Datenbasis, um sachlich fundierte Lösungen zu finden.

Können Sie ein Beispiel nennen?
Ja. Beispielsweise ist die Stadt - neben den Zweckverbänden für Gymnasien und berufliche Schulen - als Sachaufwandsträger zuständig für den Gebäudeunterhalt der Grund- und Mittelschulen und sorgt mit Räumen und Infrastruktur dafür, dass Kinder und Jugendliche angemessen lernen können - ohne inhaltlich Einfluss zu nehmen. In Zukunft sollte es möglich sein, dass pädagogische Konzepte in das Raumprogramm einfließen und Entscheidungen über bauliche Maßnahmen bestmöglich im Sinne der Lehrenden und Lernenden getroffen werden können. Und zwar auf der sicheren Basis vorher erhobener Daten. Hierzu stehe ich verwaltungsintern im Austausch mit unserem Immobilienmanagement.

Hier muss sich der Blickwinkel wohl deutlich erweitern.
. . .und nicht nur bei diesem Thema. Ein wichtiges Stichwort ist für mich der Begriff Übergänge. Im Moment liegt unser Augenmerk vorrangig auf den bekannten Übergängen von einer Bildungseinrichtung zur nächsten, das heißt: Kita, Grundschule, weiterführende Schule und so weiter. Daneben gibt es aber auch viele Wechsel während eines Schuljahres, wo eine Begleitung gefordert wäre: beispielsweise, wenn man von einer anderen Schulform oder aus einem anderen Bundesland kommt. Insbesondere müssen wir es Kindern und Jugendlichen, die erst Deutsch lernen müssen, erleichtern, in der Schule Fuß zu fassen. Das gleiche gilt analog für Erwachsene: Für Asylbewerber, für Migranten, die eine zügige Anerkennung ihrer beruflichen Qualifikationen erwarten oder solche, die sich über eine berufliche Maßnahmen qualifizieren wollen. Hierzu suche ich das Gespräch mit IHK und HWK und mit dem Migranten- und Integrationsbeirat.

Dürfen die Bürger mitreden?
Selbstverständlich. Das ist sogar ein zentraler Punkt. Der Stadt und dem Bürgermeister liegt sehr daran, die Bürger - und dazu gehören auch die Kinder und Jugendlichen - teilhaben zu lassen mit ihren Wünschen und Ideen. Schon jetzt werden Eltern über die Kindertagesstätten befragt, wie viel Betreuung sie für ihre Kinder brauchen und zu welchen Tageszeiten. Diese Befragungen wollen wir in den schulischen Bereich ausweiten. Wir müssen Betroffene zu Beteiligten machen, um Akzeptanz und Vertrauen zu fördern.

Wie würden sie Ihre Arbeit im Moment beschreiben?
Die ersten Monate war und bin ich vollauf damit beschäftigt, zuzuhören und Gespräche zu führen. Viele "fruchtbare Oasen" in der Bamberger Bildungslandschaft existieren bereits. Meine Aufgabe ist es, diese Oasen stärker aufeinander zu beziehen und miteinander zu verknüpfen. Gleichzeitig arbeite ich daran, das Bewusstsein bei den Kommunalpolitikern, aber auch ganz allgemein zu schärfen: Wir müssen erkennen, wie wichtig eine funktionierende Bildungslandschaft für die Menschen, unsere Gesellschaft und - nicht zuletzt - die heimische Wirtschaft ist.


Wann ist der Bildungsentwicklungsplan fertig?

Ziel ist es, abschnittweise vorzugehen. Die Erstellung des Plans wird im Wesentlichen ein laufender Prozess sein, denn die Gegebenheiten ändern sich ständig, wie gerade die aktuelle Situation mit der täglich steigenden Zahl an Asylbewerbern zeigt. Auch innerhalb der Stadtverwaltung brauchen wir einen ämterübergreifenden Zugang zum Thema Bildung. Es gilt, ein Verantwortungsbewusstsein zu schaffen. Bislang orientieren sich Verwaltung und Behörden häufig in erster Linie an ihrer Zuständigkeit. Daran wollen wir arbeiten.

Welches Thema liegt Ihnen persönlich besonders am Herzen?
Inklusion als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Bezogen auf die schulische Bildung leisten wir uns zurzeit zwei parallele Systeme, die Regelschulen und die Förderschulen. Die Wahl zwischen beiden Förderorten ist für betroffene Eltern sehr schwierig. Ich bin der Meinung, dass sich diese Herausforderung mit einer Umverteilung vorhandener Ressourcen besser begegnen ließe. Grundsätzlich müssen der Mensch und seine individuellen Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen. Wir dürfen die Kinder nicht zwangsweise in ein bestimmtes System pressen. Was für den einen gut sein mag, muss nicht für den anderen gelten.

Wer ist Dr. Matthias Pfeufer?
Ich wurde vor 45 Jahren in Bamberg geboren und bin hier auch zur Schule gegangen, unter anderem im Franz-Ludwig-Gymnasium. Aufgewachsen bin ich im Landkreis Bamberg, wo ich auch heute mit meiner Frau und unseren vier Kindern lebe.
Nach dem Lehramtsstudium für Hauptschulen in Bamberg folgten Referendariatsjahre im Frankenwald und Lehrerjahre in Waldkraiburg in Oberbayern. Dann habe ich ein Angebot der Universität Bayreuth angenommen und in der Lehrerbildung gearbeitet. Promoviert worden bin ich im Fach Schulpädagogik mit einer Arbeit zum Ethikunterricht.
Prägende berufliche Stationen waren das Religionspädagogische Zentrum in München, wo ich für die konzeptionelle Weiterentwicklung des katholischen Religionsunterrichts und die Lehrerfortbildung zuständig war, und die Universität Erlangen-Nürnberg. Dort war ich ebenfalls in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung tätig.
Mit Schulentwicklungsprozessen beschäftige ich mich schon seit den späten 1990er Jahren. Das Angebot aus Bamberg habe ich angenommen, weil ich meine berufliche Zukunft nicht länger nur in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung und der theoretischen Beratungstätigkeit gesehen habe, sondern die überaus wichtigen Entwicklungen in der Bildungslandschaft aktiv mitgestalten möchte.

Die Fragen stellte
Gertrud Glössner-Möschk