Ein 32-Jähriger ist immer wieder straffällig geworden. Und jedes Mal war sein exzessiver Alkoholkonsum der Auslöser.
Am Ende ist es gar nicht mehr entscheidend, ob es ein Jahr und elf Monate werden, wie vom Staatsanwalt, oder ein Jahr und sieben Monate Freiheitsstrafe, wie von der Pflichtverteidigerin gefordert. Denn der 32-jährige Angeklagte wird nach dem Urteil von Amtsrichterin Becker eine deutlich längere Zeit in einer Entziehungsanstalt eingesperrt werden. Damit seine Alkoholabhängigkeit nicht wieder zu Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Diebstahl mit Waffen und Körperverletzung führt.
Immer wieder fällt Andreas K. (Name geändert) den Polizeibeamten auf. "Ich habe ihn noch nie nüchtern erlebt," so ein 34-jähriger Polizist. Auch am 9. Februar 2017 hat Andreas K. wieder "angefangen zu saufen". Als die von einem Nachbarn informierte Polizeistreife kurz vor 23 Uhr zu seiner Wohnung im elterlichen Haus gerufen wird, hat es eine lautstarke Auseinandersetzung zwischen Mutter und Sohn gegeben. Als die Beamten Andreas K. mitnehmen wollen, um ihn und andere vor seinen unkontrollierten Aggressionen zu schützen, wehrt sich Andreas K. Zuerst verbal mit der "Bullen"-Beleidigung, dann mit den Worten, er werde jeden schlagen, dann mit Drohgebärden. Schließlich bedarf es mehrerer Polizisten, um den renitenten Mann, der sich windet, sperrt und mit den Füßen strampelt, zu fesseln und ins Einsatzfahrzeug zu bringen.
Am Klinikum am Michelsberg angekommen, dreht Andreas K. erst richtig durch. Jetzt sind seine Begleiter schon "Arschlöcher" und "Wichser", und es beginnt der freilich vergebliche Versuch, sich loszureißen. An all das hatte der Angeklagte eines "Blackouts" wegen keinerlei Erinnerungen. "Es könnte aber schon so gewesen sein," so seine Rechtsanwältin Mareen Basler (Bamberg).
Mitbewohner gewürgt
Ein Dreivierteljahr später bekommt eines Abends ein 28-jähriger Mitbewohner Andreas K.s Körperkräfte zu spüren. Die Stimmung ist nach Angaben des Angeklagten aufgeladen. Bier, Glühwein und Bourbon sind im Spiel - auf beiden Seiten. "Er hat die ganze Zeit blödes Zeug geredet und nicht damit aufgehört." Da habe er den Mitbewohner erst angebrüllt, dann gepackt und zuletzt weggeschleudert. Nach der einhändigen Würgeattacke am Hals bleiben dort und am Schultergürtel Blutergüsse sowie Schürfwunden und Schnittwunden an Armen und Händen wegen eines zu Bruch gegangenen Glastisches - alles keine schlimmen Verletzungen. "Ich habe einfach die Nerven verloren." Der Mitbewohner nahm Andreas K. die Attacke indes nicht krumm. Beide arbeiteten und wohnten noch einige Wochen nach dem Zwischenfall weiter zusammen. Auch eine Anzeige hatte das Opfer nicht erstattet.
Wieder ein halbes Jahr danach wird Andreas K. auf frischer Tat ertappt, als er eine Flasche Wodka für 4,99 Euro aus einem Supermarkt an der Promenade entwendet. "Das war eine Dummheit." Weil er an diesem Nachmittag einen Schlüsselanhänger mit einem Taschenmesser dabei hat, wird es ein "Diebstahl mit Waffen" - auch wenn die sechs Zentimeter kurze Klinge nicht zum Einsatz gekommen ist.
Seit 16 Jahren justizerfahren
Dabei hat Andreas K. seit 16 Jahren ein Problem mit der Justiz: Diebstähle und Sachbeschädigungen aller Art, fahrlässige, vorsätzliche und versuchte Körperverletzungen, versuchte Erpressung, Nötigung, Bedrohung, zahlreiche Beleidigungen, fahrlässige Trunkenheit im Straßenverkehr, mehrmals Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte sowie unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige. "Ein Spiegel seiner Suchterkrankung," so seine Rechtsanwältin. "Er ringt mit seinen Dämonen."
Die Schlüsselrolle des Verfahrens nimmt Dr. Majd Chahoud vom gerichtsärztlichen Dienst am Oberlandesgericht Bamberg ein. Er weiß von zehn stationären Behandlungen in St. Getreu, von der Alkohol-"Karriere", die mit zwölf Jahren begann und sich noch im Jugendalter auf zwei bis drei Kästen Bier und zwei Flaschen Wodka pro Woche ausweitete. In seinen Hochzeiten vertilgte Andreas K. sechs bis acht Bier und eine Flasche Schnaps am Tag. Der Sachverständige schildert die Folgen: Keine Berufsausbildung, Verlobte weggelaufen, Magendurchbruch. Er empfiehlt eine Unterbringung. Alle Taten seien unter Drogeneinfluss geschehen. Und es drohten weitere.
Natürlich muss der Mann behandelt werden, wobei ich persönlich Zweifel am Erfiolg habe, wenn ich seinen "Lebenslauf" betrachte.
ABER: Ein sechs Zentimeter langes Messerchen, das an einem Schlüsselbund baumelt, und mit dem Diebstahl gar nichts zu tun hat, als gefährliche Waffe auszuweisen hat auch einigen Irrsinn an sich.