Rainer Maria Schießler: Hochamt ohne Weihrauch

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Rainer Maria Schießler im Kulturboden. Foto: Barbara Herbst
Rainer Maria Schießler im Kulturboden. Foto: Barbara Herbst
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Bestsellerautor und Pfarrer Rainer Maria Schießler nahm den ausverkauften Kulturboden mehr als Bütt denn Kanzel. Doch seine "Predigt" zwiebelte.

Sein Credo lautet: "Auftreten statt austreten." Und einen Auftritt versteht dieser katholische Pfarrer aus München. Zweieinhalb Stunden lang predigte Rainer Maria Schießler am Samstagabend im ausverkauften Hallstadter Kulturboden, als ob sein irdisches Leben davon abhängt: temperamentvoll, Pointen reich, tiefsinnig. Klartext statt theologisches Geschwurbel.

Frohe Botschaft, die wirklich froh stimmte. Bei genauem Hinhören aber auch so manchen vermeintlich strammen Katholiken zwiebelte.

Denn dieses gekonnt zelebrierte Hochamt kam ohne Weihrauch aus, der bloß vernebelt. "Kirche sind wir alle! Wir sind die, die die Kirche in die Zukunft führen!" erteilte Pfarrer Schießler allzu Hierarchiegläubigen eine Abfuhr. Er weiß sich mit Papst Franziskus in guter Gesellschaft, der bisher verschlossene Türen öffnet und einen standsicheren Fuß in den Spalt setzt. "Alles entwickelt sich", meinte Schießler etwa zum Dauerbrenner Zölibat: "Der wird eines Tages abgeschafft, Hexen werden ja auch nicht mehr verbrannt!"


Was Gott wohl denken mag

Stichwort Ökumene: "Ich rede nur noch von evangelischer und katholischer Begabung, nicht mehr von Konfessionen!" Gott im Himmel würde zur konfessionellen Trennung ohnehin nur sagen: "Habt's ihr alle nen Schuss?"
Reizthema Homosexuelle: "Ich segne schwule Paare, warum auch nicht?" bekannte der Pfarrer, der selbst Männer in Frauenkleidern im Gottesdienst seiner Pfarrkirche willkommen heißt. "Ich kann solche Leute nicht wegschicken", und niemand in dem "schützenden Raum Kirche tuschelt oder zeigt auf sie". Er sehe es als seine erste Aufgabe, so Schießler, "Menschen mit der Freude des Evangeliums in Berührung zu bringen und ihnen Würde zu vermitteln." Zumal die Gabe der Unterscheidung der Geister allen gegeben sei.


Nicht einfach auf Gott abwälzen

Zur "nachgehenden Seelsorge", wie sie Pfarrer Schießler versteht, gehört die Verkündigung des liebenden, barmherzigen Gottes: "Gott ist nicht der, der eine Strichliste darüber macht, wie oft du sonntags in der Kirche warst, sondern der dir die Hand hält, wenn du beim Zahnarzt bist", versicherte der Priester. Und Gott sei auch nicht der, auf den sich alles abschieben lasse. So nahm Schießler die so gern formulierten Fürbitten auf's Korn, die etwa lauten "Schenk Frieden...", "Speis die Hungrigen...". "Lasst euch etwas einfallen!" forderte der Büttenprediger seine Zuhörer unmissverständlich zu Taten auf.


Witz und eine ernste Botschaft

Syrien, Waffenlieferungen, Missbrauch in der Kirche, Frauen, Fußballclubs, Amerika und Donald Trump, Bischofsschreiben zu Ehe und Familie: Pfarrer Schießler ließ nichts aus, was Nachdenklichkeit erzeugen konnte.
Und Heiterkeit! Das einzige Kapitel, das er aus seinem Bestseller "Himmel - Herrgott - Sakrament" vorlas, behandelte seine speziellen Erlebnisse als Ministrant. Auch mit diesen Episoden hatte Schießler die Lacher auf seiner Seite.

Seine hintergründige Botschaft aus diesen Geschichten war dann wieder ganz ernst: Die Kirche müsse den Menschen "nachlaufen", sie ernst nehmen, Liebe vermitteln anstatt über mangelnde Berufungen zu jammern. "Kirche sind wir!" wiederholte er mehrfach. "Kirche ist der Kleinste, der mitmacht und genauso wichtig ist wie der, der vorn am Altar steht!"


Kirche hat eine Zukunft

Eine Autorenlesung war dieser Abend des Literaturfestivals im strengen Sinne nicht. Doch dieser Pfarrer, der seinen jährlichen Urlaub kellnernd auf dem Münchner Oktoberfest verbringt und den Verdienst einem Aidswaisen-Hospiz in Afrika spendet, zeigte etwas mindestens so Bemerkenswertes wie schriftstellerische Begabung. Nämlich eine Zukunftsvision, wie eine lebendige Kirche aussehen kann und sollte, die Menschen anzieht statt abstößt.