Die "Danzfreggä & ihre Kratzbürstn" nahmen das Publikum in der Hirschaider Jahnturnhalle mit auf eine obskure Exkursion durch Klein-Berlin. Gerlinde Stache löste Romana Gensel als Präsidentin ab.
Weltstar Nana Mouskouri mit einer weißen Rose nicht aus Athen, der alpenländisch-mitreißende Andreas Gabalier in seiner Krachledernen und eine ausnahmsweise nicht in Blau kostümierte Barbara Stamm auf Diät (sie naschte allfort trockene Salzbrezen aus der Picknicktüte), dazu ein zuweilen ekstatisches Publikum: Bessere Zutaten hätten die Prunksitzungen der Hirschaider Narren nicht haben können. Samstag- und Sonntagabend wurden Sitzfleisch und Lachmuskeln der Besucher in der vollbesetzten Jahnturnhalle jeweils sechs Stunden lang trainiert.
Es war aber auch höchste Zeit, den Hirschaidern mal wieder den Narrenspiegel vorzuhalten, damit sie über sich selbst lachen konnten. Zuletzt war sogar eine satirisch gedachte Falschmeldung über einen angeblich spendablen Faschingsprinzen von enttäuschten Freibiergesichtern mit bitterem Ernst diskutiert worden.
Und so kommt es, dass - zumal im Fasching - die "Lügenpresse" gar nicht viel dazu tun muss, um einen "Skandal im Schlosshotel" anzuzetteln. Darauf wurde so mancher Vers geschmiedet.
Wie gut, dass Hirschaid über eine eigene Chefreporterin verfügt: In ihrem meisterhaften Vortrag kritisierte Karin Schröder, dass heutzutage jeder Furz per Smartphone und Video in die ganze Welt geschickt wird. Dabei lägen die publizistischen Preziosen fast schon auf der Straße herum. Wenn etwa der Bürgermeister Klaus Homann (CSU) mit Blick auf die ausgedünnte Kindergarde versichert, er wolle persönlich für Nachwuchs sorgen, dann wird laut Karin Schröder wieder mal deutlich: "In jedem steckt ein Höllenhund, aber sonst sän mä gsund!"
Mit spitzer Zunge beschäftigte sich die Rednerin mit dem vormaligen Bürgermeister ("Ans Sparen hat der Andi net gedacht: Nach mir kommt aaner, der das macht!"). Auch das
Wechselfieber im Hirschaider Gemeinde- und im Elferrat nahm sie ins Visier sowie die Expansionsgelüste der Kraus'n Hilde aufs Korn. Noch ein wenig nebulös stellte sie einen Zusammenhang zwischen dem Fiskus und der wachsenden Zahl von Imbissbuden her.
Jutta und Lisa Saffer machten auf ihrem Bummel durch Hirschaid so manch haarsträubende Entdeckung. Nicht nur, dass sich die Oma in ihrer Not auf der Herrentoilette einen gräuslich schmeckenden Kaugummi aus dem Automaten gezogen hatte: Sie geriet auch in Panik, als im "Ist am Bool" die Wirtin die Fleischklößchen zum Aufwärmen unter die Achseln geklemmt hat. Auf Bockwurst hatte sie dann keinen Appetit mehr.
Erlebnisreiche Rundfahrt
Großartig verlief die Exkursion des zum Sightseeing-Bus umfunktionierten Gämaaflitzers. "Hobb nei, hobb naus" lautet das Motto bei der Rundfahrt durch den Marktflecken.
Oder sollte man von Klein-Berlin sprechen? Immerhin gibt's ja jetzt eine kilometerlange Mauer und demnächst einen Klaus-Homann-Kurfürstendamm. Die Fahrgäste staunten nicht schlecht, dass die Kanalbrücke abgerissen und durch eine Seilbahn bis zur Friesener Warte ersetzt wird. Aber zu Fuß komme man in Hirschaid am besten über den "Dönerweg" zum Ziel: etwa zum Weihnachtsmarkt. Der solle östlich der Bahnlinie verlegt werden, erfahren die Gäste, denn dort zahle den Strom für die Millionen Lichter an der Festbeleuchtung die AOK und den Glühwein gäb's auf Rezept. Die "Danzfreggä & ihre Kratzbürstn" ernteten tosenden Beifall für ihre 25-minütige Spitzen-Darbietung.
In lockerer Reihenfolge zwischen den Auftritten diverser Garden und Showtanzformationen ergötzten weitere Büttenredner das Publikum.
Der Zuckerbäcker Franz Besold aus Weismain machte Appetit mit seinen Parallelen zu Windbeuteln, Sahneschnitten und Plundergebäck. Gleichzeitig warnte er die Hirschaider, dass Sassanfahrt auf die Überholspur ausgeschert ist. Bravourös wandte sich der kleine "König Emil" an das "liebe Volk" und versprach eine goldene Zukunft. Neujahrsempfänge mit langen Reden und trockenem Essen sowie Horst Auer im Chor will der kleine Feller jedenfalls abschaffen, wenn er dereinst das Zepter übernommen hat.
In einem putzigen Auftritt blätterte Monika Schaiblein in den Fotoalben bekannter Hirschaider. Prompt blieb einem mitunter das Lachen im Halse stecken. Johanna Theobald gab sich als Pubertier ein Stelldichein auf der Narrenbühne: "Wenn die Eltern schwierig werden ...", ist das schon eine ziemliche Last für einen jungen Menschen, der sein Quartier gerne in Gunzendorf aufschlagen möchte.
In der Rolle von Paul Panzer beschäftigte sich Andre Frech mit Schrullen und Skurrilitäten so mancher von der Evolution scheinbar ausgesparter Mitmenschen. Schon richtig, dass Aberglaube in vielfältigster Ausprägung "nur Bescheuerte" hervorruft.
Närrische Familie
Der Auftakt der beiden Prunksitzungen wäre fast ein wenig sentimental geraten: Die langjährige Präsidentin Romana Gensel will künftig mehr ihre beiden Zwillings-Enkelinnen bespaßen und übergab die Narrenkappe an Gerlinde Stache. Die war "vor 1000 Jahren" auch mal Faschingsprinzessin und ist als Trainerin der Garden ein Aktivposten der Hirschaider Fasenacht. Da macht die ganze Familie mit: Unter anderem ist die aktuelle Faschingsprinzessin Stefanie II. die Tochter von Gerlinde Stache und Ehemann Werner schlüpft schon mal in Pumps und stöckelt als Nana Mouscouri auf die Bühne.
Und wie hat Gerlinde Stache ihren Part gemeistert, sechs Stunden lang als Moderatorin einer Live-Show charmant und präsent zu sein? Auf gut fränkisch ist man geneigt, höchstes Lob zu zollen: "Bassd scho!"
Natürlich gilt es den Probenfleiß der vielfältigen Tanzformationen und Garden zu loben, die bis zum glorreichen Finale durchhielten. Die grazilen Tanzmariechen, die fesche Jugendgarde, die kessen Lollipops aus Sassanfahrt, die versierte Neubert-Garde, Unique Dancers oder Generation II vom Tanzrhythmus Hirschaid: Großartig kostümiert und gut aufgelegt gaben die Tänzerinnen ihr Bestes.
Außer Rand und Band gerieten die Sitzungen, als etwa Freddy Qinn und Elvis Presley auferstanden, Helene Fischer, Hansi Hinterseer, Beatrice Egli, Mickie Krause und Andreas Gabalier die Bühne rockten. Ja, schön war die Zeit und jeder ließ sich mitreißen vom Überschwang der Narren. Häschaad Helau!