Nachdem der 53-Jährige wegen den tödlichen Schüssen auf Janina verhaftet worden war, sind seine Kollegen der JVA Ebrach noch immer schockiert.
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Gerhard Weigand fällt es inzwischen leichter, darüber zu reden. Aber man merkt es dem Leiter der JVA Ebrach an, wie sehr ihn und die Beschäftigten in Bayerns größtem Jugendknast der Fall mitgenommen hat. Es geht um den Mann, der gestanden hat, in der Silvesternacht in Unterschleichach "aus Wut und Ärger" über den Böllerlärm den tödlichen Schuss auf die elfjährige Janina abgegeben zu haben. 16 Jahre lang arbeitete der Täter als Kraftfahrer im Ebracher Gefängnis.
Ein Mitarbeiter aus dem eigenen Haus als mutmaßlicher Täter: eine schwierige Situation und ganz neue Erfahrung, für die Gefängnisleitung genauso wie für die Bediensteten in Ebrach.
Weigand bekennt: "Die Tatsache, dass dieser Kollege die Tat begangen hat, bei der ein junges Mädchen ums Leben gekommen ist, hat uns die ersten Tage alle regelrecht in Schockstarre versetzt."
Die ehemaligen Kollegen sind geschockt
Der 53-Jährige habe aus "Wut und persönlichem Frust über seine Lebenssituation" gehandelt, sagt der zuständige Bamberger Oberstaatsanwalt später auf der Pressekonferenz. Knapp zwei Wochen nach der Tat bekommt der Mann am 12. Januar an seinem Arbeitsplatz Besuch von der Polizei. Kurz darauf sitzt er in Bamberg in Untersuchungshaft.
Sein Chef, Gerhard Weigand, erzählt: "Die ganze Geschichte hat uns hier alle ziemlich schockiert.
In mehrerlei Hinsicht." Dies zum einen, weil es sich um einen Mitarbeiter handelte, der hier 16 Jahre lang seinen "ordentlichen Dienst geleistet hat und dem eine solche Tat niemand so zugetraut hat". In dieser langen Zeit sei er weder als "unzuverlässig, noch als mürrisch" in der JVA aufgefallen.
Weigand unterstreicht: "Ich kann nichts Schlechtes über ihn sagen." Der gelernte Maurer war als Kraftfahrer eingesetzt. Zum Beispiel brachte er Wäsche in die Wäscherei nach Bamberg. Außerdem lieferte er das Brot aus der Gefängnisbäckerei in die anderen JVAs von Schweinfurt über Würzburg und Bamberg bis nach Nürnberg und Ansbach.
"Dass dieser Kollege die Tat begangen haben soll, bei der ein junges Mädchen ums Leben gekommen ist", habe bei ihm und vielen anderen Betroffenheit ausgelöst, so Weigand.
Ein weiteres Problem sei gewesen, dass man für alles in der JVA einen Plan habe bis hin zur
Evakuierung. "Aber dafür, dass ein Angestellter ein elfjähriges Mädchen erschießt, hat man keinen Plan." Und er fährt fort: "Der Fall hat uns zudem im Kernbereich unserer Arbeit und unseres Selbstverständnisses getroffen." Weigand spielt auf den gesetzlichen Erziehungsauftrag im Jugendstrafvollzug an. Er verlangt von den Beschäftigten, Vorbildfunktion auszuüben.
Reaktion der Gefangenen
Die Reaktion der Gefangenen sei prompt gekommen. So seien Vollzugsbeamte mit Vorhaltungen konfrontiert worden wie: "Was verlangt und wollt ihr, sprich Staat, Beamte, JVA, von uns? Wir sollen uns an die Gesetze halten und ihr erschießt kleine Kinder?" Gerhard Weigand: "Gerade in unserer Arbeit ist das eine schwierige Geschichte und deshalb eine schwierige Situation gewesen." So habe man in Gesprächsrunden und in einer Dienstbesprechung Wege gesucht, damit umzugehen.
Auch sei mit den Gefangenen darüber geredet worden. Der Fall habe zum Nachdenken geführt, "unsere eigene Arbeit zu betrachten".
Und er habe den Mitarbeitern und ihm klargemacht: Es gibt nicht nur Schwarz oder Weiß, Gut oder Böse. "Diese Pauschalierungen funktionieren nicht. Stattdessen gibt es ganz viele Grauschattierungen, wie man auch an diesem Beispiel wieder einmal sehen kann", betont der JVA-Leiter.
Weigand macht nochmals im Hinblick auf den nun selbst inhaftierten langjährigen Mitarbeiter, den mutmaßlichen Todesschützen, deutlich: "Was er gemacht hat, war ein Riesenfehler. Dafür wird er seine Strafe bekommen."
Auf Anfrage teilte Oberstaatsanwalt Christopher Rosenbusch von der Staatsanwaltschaft in Bamberg mit, dass noch im Juni der Eingang eines ballistischen und eines psychiatrischen Gutachtens erwartet werde. Danach werde Ende Juni oder Anfang Juli Anklage erhoben werden können.
Norbert Vollmann