Es war der schlimmste Eisregen seit Jahren. Sechs Liter Niederschlag fielen bis Montag und überzogen bei Minusgraden Straßen und Wege in Bamberg wie mit einer dicken Lackschicht. Wer nicht aufpasste, stürzte. Auch "Laternenparkern " zeigte der Winter die kalte Schulter.
Eis kann zauberhaft sein, aber auch tückisch. Brigitte Dippold erlebte am Montag früh vor allem seine lästigen Seiten. Sie musste ein Taxi rufen, um von der Hainstraße zum Arbeitsplatz am Klinikum zu kommen. "Keine Chance. Mein Auto war wie ein Tresor, für den ich die Nummernkombination vergessen hatte."
Wie Dippold ging es Tausenden von "Laternenparkern". Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als minutenlang an der Scheibe zu kratzen oder andere Wege zu finden, um ihr Gefährt irgendwie aus der Eisfalle herauszuschälen - eine Frage der Technik. Enteisungssprays halfen nicht viel. Besser war es, die Eisplatten durch seitliche Krafteinwirkung möglichst in Stücken abzulösen.
Viele kamen zu spät zur Arbeit. Dabei nahte die Wintereskapade aus dem Südwesten alles andere als überraschend: Der lange vorhergesagte Glatteisregen begann am Sonntagnachmittag bei Temperaturen um minus zwei Grad, alle Oberflächen mit einer bis zu sechs Millimeter dicken Eisschicht zu überziehen. Bis Montagfrüh regnete es in Bamberg sechs Liter auf den Quadratmeter. Keine Kleinigkeit, wenn das Wasser nicht abfließt, sondern auf dem Grund festbackt. Und anders als sonst wurde es nicht wärmer. Es blieb kalt.
Blitzeis sagen die Meteorologen und meinen damit das auch in Franken immer wieder auftretende Naturschauspiel, wenn es aus wärmeren Luftschichten in der Höhe in eine bodennahe Kaltluftschicht hineinregnet. So war es auch am Sonntag, als beispielsweise auf dem Ochsenkopf die Temperaturen höher lagen als in Bamberg. Das Phänomen ist tückisch, weil es in Sekunden abläuft und mit bloßem Auge nicht immer erkennbar ist: Sobald der Regen auf dem eiskalten Boden auftrifft, verwandelt er sich in eine Eisschicht, die alles wie plastisch einhüllt und selbst holperige Pflasterflächen zu kaum mehr zu bewältigenden Rutschbahnen macht.
So auch in Bamberg: Nur wer gewarnt war und die glitzernde Gefahr als solche identifizierte, konnte gegen unerwünschten Bodenkontakt vorbeugen. Für manchen Fußgänger wurden selbst wenige Meter zum Eiertanz: "Ich war auf dem Weg vom Jakobsberg herunter um jeden Meter Gehsteig froh, an dem nicht geräumt war. Denn im Schnee, auch wenn er festgetreten war, lief es sich eindeutig besser als auf schneefreiem Grund", berichtet Ilona Munique. Autofahrern, die wie der Bischberger Rinco Albert mit Kindern und Schlitten zum Teuchatzer Berg gefahren waren, ging es nicht besser. Sie erlebten zurück Richtung Zeegendorf die zweite Rutschpartie. Doch die meisten Bewohner der Region hatten angesichts der Wetterkapriolen erst gar nicht das Haus verlassen. So ist es zu erklären, dass die Beamten der Polizei in Bamberg einen vergleichsweise ruhigen Wochenenddienst erlebten. "Das städtische Leben ist zum Erliegen gekommen", fasste Udo Skrzypczak am Tag danach die Lage zusammen.
Lebensbedrohliche Unfälle gab es in Bamberg nicht. Doch Blitzeis und Schneeglätte blieben nicht folgenlos. Viele Menschen stürzten, was den Chirurgen und Orthopäden eine Menge Arbeit bescherte: "Wir haben weiter mehr Armbrüche als im Durchschnitt", sagte Hans-Peter Winkelmann, der Leiter der Unfallchirurgie am Klinikum. Brüche des Handgelenkbereichs, aber auch am Oberschenkelhals sind gewissermaßen die Klassiker bei solchen Wetterlagen. Aber auch Gehirnerschütterungen waren am Wochenende häufiger als üblich zu beklagen.
Richtig gekracht hat es nur im Landkreis Bamberg. Am Sonntagabend geriet ein 29-jähriger VW-Fahrer aus Bayreuth auf der A 70 in Höhe Stadelhofen wegen zu hoher Geschwindigkeit mit seinem Auto ins Schleudern. Nachdem sich das Fahrzeug mehrmals gedreht hatte, kam es auf der Schutzplanke quer zur Fahrtrichtung zum Stehen und beschädigte diese auf einer Länge von rund 35 Metern. Der Sachschaden liegt bei 3500 Euro.
Wenige Stunden später ereilte ebenfalls auf der A 70 eine 25-Jährige aus Veitshöchheim ein ähnliches Schicksal. Auch sie geriet auf eisglatter Fahrbahn ins Schleudern und prallte gegen die Mittelschutzplanke.
Den zweifellos aufwändigsten Einsatz des bisherigen Winters hat der Baubetrieb der Stadt Bamberg hinter sich gebracht. Seit Sonntag sind nach Schätzung von Florian Probst von der Stadt rund 150 Mann in mehreren Schichten im Einsatz, um die Straßen, Wege und Plätze Bambergs, insgesamt 340 Kilometer, von den himmlischen Hinterlassenschaften zu befreien. Zwischen 50 und 100 Tonnen Salz wurden gestreut und schätzungsweise eine ähnliche Menge Split ausgebracht. Da die Männer nicht überall gleichzeitig sein können, bearbeitet der Winterdienst das Stadtgebiet nach drei Dringlichkeitsstufen. Zur Stufe 1 gehören die steilen Straßen im Berggebiet und die großen Hauptverkehrsstraßen. Erst zuletzt kommen die Nebenstrecken und die Siedlungswege an die Reihe, wo es häufig am Montag noch recht glatt war.
Besonders gefordert waren in den letzten beiden Tagen die so genannten Fußtruppen des Baubetrieb. Wegen der teils extremen Rutschgefahr genügte es nicht, maschinell Salz und Split zu streuen. Überall, wo der Schneepflug nicht hinkam, musste das Eis mühsam weggehackt werden - eine schweißtreibende Arbeit, wie ein Mann bestätigte, der gestern am Wilhelmsplatz mit der Hacke eine Verkehrsinsel traktierte. "Schnee ist zehn Mal angenehmer als Eis", sagte er.
Einen Zweifrontenkrieg hat am Wochenende notgedrungen auch die Bamberger Taxigenossenschaft geführt. Wegen des Glatteisregens gingen in der Rufzentrale in kurzer Zeit so viele Anrufe ein, dass die Fahrer kaum noch damit nachkamen, die pausenlos eingehenden Kundenwünsche zu bedienen. Andererseits blieben auch die Profi-Chauffeure von den Unbilden der Witterung nicht verschont. So gelang es etwa Klaus Heger von der Genossenschaft, nur mit Mühe und einem Gießer voll Wasser, seine Scheiben zu enteisen. Zwei Kratzer hatte er zu dem Zeitpunkt schon abgebrochen. Und auch danach war der Stress nicht vorbei: "Vor allem auf den Nebenstraßen war es lange spiegelglatt. Manche Ziele, etwas das Bergschlössche, konnten wir aus Sicherheitsgründen gar nicht anfahren."
Dennoch empfiehlt es sich, bei Eisregen am Auto vorsichtig mit warmem Wasser zu hantieren: "Zu starke Temperaturdifferenzen können Fensterglas und die Gummis beschädigen", warnt der Kraftfahrzeugmechaniker Tino Müller vom Bamberger Volkswagenzentrum. Er empfiehlt statt dessen, die Scheiben mit einer Plane abzudecken.
Allerdings wird diese einfache Vorkehrung gerne vergessen. Auch Tino Müller musste deshalb am Montag früh länger kratzen als ihm lieb war. Seine Abdeckplane lag im Kofferraum...