Der Hauptangeklagte im Rotlicht-Prozess schweigt, auch war er bei den Bordell-Anschlägen nie vor Ort. Die Ermittler glauben aber, dass er der Hintermann ist
Winfried E.
(alle Namen geändert) wirkt alles andere als beunruhigt. An bisher allen Prozesstagen des sogenannten Rotlicht-Prozesses sitzt der 55-Jährige aufrecht auf seinem Stuhl. Meist seitlich mit dem Rücken zur Wand, blickt er immer wieder Richtung Zuhörer. Ab und zu schüttelt er mit dem Kopf, wenn ihm eine Aussage einer der sechs anderen Mitangeklagten oder von Zeugen nicht gefällt, ansonsten aber schweigt der Mann mit dem ergrauten langen Bart, der selbst Bordellbetreiber ist.
Andere Angeklagte sind geständig
Das Landgericht unter Vorsitz von Manfred Schmidt muss weiterhin auf anderen Wegen herausfinden, welche Rolle der Hauptangeklagte in dem Verfahren spielt, in dem es gegen ihn und weitere sechs Männer zwischen 24 und 27 Jahren aus Bamberg sowie den Landkreisen Bamberg und Haßberge geht. Sie müssen sich vor allem wegen zweier Buttersäureanschläge und einem Brandanschlag auf einen konkurrierenden Bordellbetrieb im Laubanger verantworten. Zum Großteil haben die anderen Beschuldigten ihre Beteiligung eingeräumt. Nicht alle waren demnach bei jedem Anschlag dabei. Die Mitangeklagten bestätigten aber dem Gericht am Montag noch einmal bei Betrachtung der Bewegtbilder vom Tatort, dass sie die vermummten Gestalten sind, die dort zu sehen sind. Die Aufzeichnungen stammen aus der Videoüberwachung des konkurrierenden Bordells bei allen drei Anschlägen.
Nur einer ist nie zu sehen: Winfried E. Er soll sich laut Anklageschrift immer im Hintergrund gehalten haben, die Buttersäureanschläge im September und November 2016 sowie den Brandanschlag im Januar 2017 aber veranlasst haben. Um den Konkurrenten im Laubanger auszuschalten.
Schwer belastet wird der 55-Jährige von Peter U., der sein Geschäft übernehmen sollte. Dieser hatte von "psychischem Druck" berichtet, den E. auf ihn ausgeübt habe, um die Anschläge zu begehen. Anderen Angeklagten gegenüber soll E. aber so gut wie nie in Erscheinung getreten sein. Sie belasteten vielmehr U., der die Anschläge organisiert hatte.
Allerdings rückt die Person Winfried E. nach den Aussagen von zwei Ermittlern am Montag jetzt wieder mehr in den Fokus. Nach den Anschlägen war bei der Kripo Bamberg eine Ermittlungskommission (Eko) "Laubanger" eingerichtet worden. Deren Leiter sagte, dass seine Kollegen den Eindruck gewonnen hatten, dass die Milieu-Größe E. das Sagen hatte und nicht der 26-jährige U. So soll es nicht nur bei den Rotlicht-Geschäften gewesen sein, sondern auch bei den Anschlägen: "Die Initiative ist nach unseren vorliegenden Erkenntnissen von Herrn E. ausgegangen", erklärte der Beamte vor Gericht. Laut einem anderen, auf das Rotlicht-Milieu spezialisierten Kripobeamten ist E. immer sehr konspirativ vorgegangen, soll alles nur mit U. abgesprochen haben.
Zwei Treffen in Tschechien
Was die Ermittler bei E. stutzig macht, sind unter anderem zwei Treffen, zu denen der 55-Jährige nach der Festnahme von Peter U. im Februar 2017 weitere Beteiligte nach Tschechien zitiert hatte. Dort soll er unter anderem ein Vernehmungsprotokoll eines Komplizen zur Hand gehabt haben, der die Fahnder mit seiner Aussage auf die Spur der Männer gebracht hatte. Woher dieses stammt, ist unklar. "Die Frage ist, wie kommt er an solche Unterlagen und was motiviert ihn, solche Unterlagen zu nutzen?", fragt sich der Eko-Leiter. Auch der Mitangeklagte Rüdiger D. hatte dem Gericht von diesem Treffen berichtet und dass er danach Angst um den Komplizen hatte, mit dem er befreundet war.
Die Ermittler fanden später auf dem Laptop von Winfried E. weitere 800 Seiten aus den Ermittlungsakten. Woher er diese hatte, bleibt den Fahndern ebenso schleierhaft. Die Angeklagten müssen jedenfalls gute Beziehungen gepflegt haben.
Die Aussagen von Peter U., die er nach seiner Festnahme getätigt hatte, bezeichnete der Eko-Leiter als enorm wichtig, um die Taten aufzuklären. Die Schilderungen des 26-Jährigen seien glaubwürdig. Auch führte U. die Beamten zu einem Rauschgiftgeschäft, in dem es um sechs Kilogramm Marihuana gegangen sein soll.
Der Prozess wird am Donnerstag um 9 Uhr fortgesetzt. Dann soll U. Fragen von Winfried E.s Verteidiger beantworten - während der 55-Jährige wohl weiter schweigen wird.