Beim Ausbaggern des neuen Mainbetts wurde ein mysteriöser Stein zu Tage gefördert. Über Alter und Zweck herrscht noch Unklarheit.
Das erlebt man nicht alle Tage bei einem Spaziergang: Silvia und Siegbert Tscherner stießen am vergangenen Wochenende bei
Ebing auf einen seltsamen großen Stein. Er trägt ein auffälliges, aus dem ganzen Block herausgeschlagenes Kreuz. In das Relief hineingeritzt beziehungsweise -geschlagen ist ein weiteres Kreuz.
Gesehen und fotografiert haben sie das Monument an der Baustelle für das künftige neue Bett des Mains, das gerade ausgebaggert wird. Der Fluss wird für den Bau der neuen Eisenbahnstrecke nahe Ebing auf einer Länge von 1100 Metern 170 Meter weit in Richtung Westen verlegt und renaturiert.
Nach Seehof zur Untersuchung
Wie unsere Nachfrage bei Frank Kniestedt, dem Pressesprecher des Verkehrsprojektes Deutsche Einheit Nr. 8 (VDE8) in Erfurt ergab, wurde der rätselhafte Stein am Wochenende aus der Erde geholt und geborgen. In diesen Tagen soll er abgeholt und nach Schloss Seehof in die Obhut der Archäologen des Landesamtes für Denkmalpflege zu weiteren Untersuchung gebracht werden.
Bei den Bauarbeiten zur Mainverlegung ist die bayerische Denkmalbehörde engstens eingebunden; die Begleitung der Baustelle durch Fachleute der Denkmalpflege war eine der Auflagen für die Baugenehmigung, sagt Grabungstechniker Andreas Striffler vom Landesamt in München. Er ist mit der Baustellenüberwachung beauftragt. Der Fund wundert ihn im Prinzip nicht: "Sie finden im Mainverlauf immer alte Uferbefestigungen oder Brückenreste."
Frank Kniestedt weiß, weshalb das vor allem auf das Stück bei Ebing zutrifft: "An dieser Stelle ist der Main schon vor 100 Jahren begradigt worden. Vorher mäanderte er durch die Landschaft." Bei den Bauarbeiten damals sei sicherlich einiges "unter die Räder" gekommen.
Auch der alte Stein mit dem Kreuz? Gut möglich. Festlegen können sich die Archäologen derzeit aber nicht. "Wir können noch nicht einmal eine grobe Einschätzung geben", sagt Andreas Striffler.
Seine Kollegen in Schloss Seehof haben jetzt die Aufgabe, den Fund eingehend zu untersuchen, nach vorhandenen Vergleichsstücken zu fahnden und seinen ursprünglichen Standort zu rekonstruieren. Denn der Stein stand, so vermutet Striffler, wahrscheinlich nicht dort, wo er jetzt herausgeholt worden ist. Zuletzt gehe es natürlich darum, seinen einstigen Zweck zu bestimmen. Man könne an einen Grenzstein denken oder an einen Sühnestein. Im Moment sei aber alles "noch völlig unklar".
Oft mit Sagen verbunden
Marina Scheinost, Vorsitzende des Historischen Vereins, und Horst Gehringer, Leiter des Stadtarchivs Bamberg, die wir nach ihrer Einschätzung fragten, sind sich ziemlich sicher, dass es sich einen sogenannten Kreuzstein handelt. "Diese wurden oft an Stellen aufgestellt, an denen jemand tödlich verunglückt war oder umgebracht wurde. Bei ermordeten Personen war es aber häufig ein Sühnekreuz, das aufgestellt wurde. Manchmal hat man sie auch als Markierung für eine Grenze gesetzt. Schriftliche Unterlagen, die einem den exakten Grund nennen würden, gibt es meist nicht. Oft hängen sich auch Sagen an ein solch auffälliges Mal in der Landschaft", schreibt Marin Scheinost.
Auch Horst Gehringer macht darauf aufmerksam, dass an solchen Steinen häufig Sagen "hängen". Weiter schreibt er: "Grenzstein wäre natürlich auch eine Möglichkeit der Interpretation. Allerdings haben Grenzsteine als rechtshistorisches Symbol dann doch wieder häufig eine Wappendarstellung, damit auch optisch klar wurde, dass man ein bestimmtes Territorium verlässt bzw. betritt."
Der Bamberger Archäologe Claus Vetterling verweist auf eine Internetseite aus der Region (www.kreuzstein.eu/html/body_kasendorf.html), auf der zwei ganz ähnliche Steine aus Kasendorf bei Kulmbach und die damit verbundenen (blutrünstigen) Sagen von Schlachten, Mord und Raub beschrieben werden. Eine wissenschaftlich fundierte Klärung scheint aber auch für diese Steine noch auszustehen.
Der bei Ebing gefundene Stein mit dem Kreuz ist übrigens nicht der einzige archäologische Fund, der beim Ausbaggern des neuen Flussbetts aus dem Sand geborgen worden ist. Für Laien vielleicht weniger spektakulär, für Fachleute aber von großem Interesse sind mehrere von Menschen bearbeitete Hölzer, die bereits auf ihr Alter hin untersucht worden sind.
Striffler berichtet von beeindruckenden Ergebnissen: Die ältesten Hölzer, die Spuren von Werkzeugen tragen, stammen aus der Vorgeschichte um 3700 vor Christus, sind also über 5700 Jahre alt. Die Jüngeren sind Fachwerkhölzer aus dem Jahr 1203.
Sie sind irgendwann vom Main angeschwemmt worden - in seinem alten/neuen Flussbett.