Fährleute aus ganz Deutschland trafen sich am Wochenende zu ihrem Verbandstag in Pettstadt.
Stundenlanger Landregen bei Novemberkälte - das hält einen wetterfesten Fährmann nicht davon ab, sich im Freien in geselliger Runde aufzuhalten. Samstagmittag jedenfalls gaben sich über 70 Teilnehmer des 29. Fährleutetreffens aus der ganzen Bundesrepublik ein Stelldichein an einem Denkmal der deutschen Verkehrsgeschichte: Dass für die Pettstadter Fähre seit 555 Jahren lückenlos alle Fährmänner namentlich dokumentiert sind, gab der "Arbeitsgemeinschaft Binnenfähren in Deutschland" Anlass, zum internen Verbandstag in den Bamberger Raum einzuladen.
Auf den im ganzen Land gebräuchlichen Zuruf "Fährmann hol über" ließ sich die Gästeschar von Reinhold Schuhmann und Berthold Göller, den amtierenden Pettstadter Fährleuten, auf der Regnitz hin- und herschippern, der Gaudi halber.
Um die fünf Minuten dauert hier die einfache Fahrt, die Fährzeit zwischen Brunsbüttel und Cuxhaven ist 90 Minuten lang unterwegs. Und das ist kein Seemannsgarn; Kapitäne von Hochseefähren gehören besagter Arbeitsgemeinschaft auch gar nicht an, erklärte uns Niels-Uwe Saß von der Fähre Kronsnest. Bei ihm, westlich Hamburg an der Elbe ruf man übrigens: "Fährmann hol över!"
1900 fuhren noch 4000 Fähren
Derzeit sind, wie am Rande der Jahreskonferenz zu erfahren war, noch 370 Binnenfähren in Deutschland in Betrieb. Um das Jahr 1900 wurden im Deutschen Reich an die 4000 Fähren gezählt. Klar: Als Autos noch Seltenheitswert besaßen und man noch nicht so bequem weite Umwege zu den raren Brücken oder Tunnels in Kauf nehmen konnte, waren allerorts Fluss- oder Kanalüberquerungen erforderlich.
Von angestellten Fährleuten, teils von nebenberuflich oder freiwillig-ehrenamtlichem Personal gesteuert, sind Fähren aber nach wie vor unverzichtbar. So queren noch immer 51 "Schwimmbrücken" den Rhein und 50 die Elbe. Fähren müssen dabei, wie uns Saß erklärte, der "Längsschifffahrt" den Vorrang gewähren. Für den Mann am Runder gilt während des Dienstes die Null-Promille-Grenze. Klaren Kopf ist man den Fahrgästen und den anderen Verkehrsteilnehmern auf dem Wasser schuldig.
Um eine Fähre steuern zu dürfen, muss man sich einer speziellen Ausbildung unterziehen und im Rahmen einer Prüfung den Fähr-Führerschein erwerben. Dem Vernehmen nach mangelt es nicht an Nachwuchskräften, auch wenn durch so manche neue Brücke oder Untertunnelung von Gewässern Fähren überzählig werden.
Mancherorts werden sie daher auch nur noch von Heimatfreunden aus Traditionsbewusstsein oder im Interesse des Nahtourismus am Leben gehalten.
Nicht jede Fähre finanziert sich
Hin und wieder werde eine Fähre eingestellt, weil die Kommunen oder andere Träger wie Vereine oder Interessenverbände nicht mehr gewillt seien, ein kleines Defizit aufzufangen, bedauert Saß. Nicht jede Fähre finanziere sich voll aus den Benutzungsgebühren. Oder es drohen strukturelle Probleme. So sorgen sich die Mitarbeiter der Bodensee-Schifffahrt vor der Schließung von Schweizer Zollstellen. Deshalb wolle der Bund 52 Stellen streichen, fürchtet man in der Branche.
Derlei Probleme, aber auch die Zukunft der vom Deutschen Schifffahrtsmuseum Bremerhaven geförderten Arbeitsgemeinschaft Binnenfähren, beherrschten neben dem touristischen Rahmenprogramm das dreitägige Treffen der Fährleute im Kreis Bamberg.
So beschaulich eine Überfahrt mit der Fähre wirkt: Ganz gefahrlos ist der Betrieb auch wieder nicht. Wie uns der Fährmann Jens-Uwe Saß erzählte, käme es inzwischen häufiger zu Komplikationen, weil sich Autofahrer voll auf ihr Navigationssystem verließen: Immer wieder stehe deshalb ein Auto an einer Anlegestelle halb im Wasser, wenn die Fähre vom anderen Ufer zurückkomme. Dann müssen die Wasserschutzpolizei, Feuerwehr oder Technisches Hilfswerk gerufen werden. Und so manchen Ärger hätten Fährleute mit den Fahrern von überladenen Lastwagen, weiß Saß zu berichten. Die Unfallgefahr werde da schon mal unterschätzt.
Schutz von oben
Nicht nur in solchen Situationen rufen die Fährleute nach alter Tradition ihre Schutzheiligen an, vor allem den heiligen Christopherus, sondern auch St. Nepomuk oder St. Nikolaus. Strömungen, Hoch- oder Niedrigwasser, Tücken der Technik oder Regelverstöße anderer Benutzer der Wasserstraßen können einem Fährmann Kummer bereiten. An der seit Menschengedenken unfallfreien Pettstadter Gierseil-Fähre sind es übrigens gelegentlich unvernünftige Bootfahrer, die nicht bedenken, wie schwer manövrierfähig die nicht motorisierte Schiffsbrücke ist. Paddler und Kanuten bringen sich dabei selbst in Gefahr.