Erste Vorwürfe gegen die Blitzer in Bamberg

4 Min
In der Franz-Ludwig-Straße wurde am Dienstag geblitzt. Doch kaum ein "Raser" ließ sich erwischen. Fotos: Ronald Rinklef
In der Franz-Ludwig-Straße wurde am Dienstag geblitzt. Doch kaum ein "Raser" ließ sich erwischen.   Fotos: Ronald Rinklef
Kaum sichtbar ist die Kamera-Ausrüstung hinter der Heckscheibe des Messfahrzeugs.
Kaum sichtbar ist die Kamera-Ausrüstung hinter der Heckscheibe des Messfahrzeugs.
 
Hohe Verstoßquote in Sutte und Matern. Hier gilt Tempo 10.
Hohe Verstoßquote in Sutte und Matern. Hier gilt Tempo 10.
 

Seit einem Monat machen "Blitzer" in Bamberg Jagd auf Temposünder. Eine erste Bilanz zeigt: Um die Verkehrsmoral der Bamberger scheint es besser bestellt als erwartet. Dennoch gibt es Kritik an der kommunalen Tempokontrolle durch Leiharbeitnehmer. Ein Fall in der St.-Getreu-Straße scheint solche Zweifel zu bestätigen.

Helmut S. hat an diesem Vormittag nicht viel zu tun. Der Messtechniker der Gesellschaft für Kriminalprävention und Verkehrssicherheit, Hamburg, sitzt in seinem silbernen Kastenwagen mit Nürnberger Kennzeichnen und harrt der Temposünder, die da kommen mögen. Doch die lassen heute auf sich warten.

Die meisten Autofahrer, die in der Franz-Ludwig-Straße unterwegs sind, fahren an diesem Dienstag betont langsam. Nur einmal blitzt die Kamera auf, die von der Ladefläche des Fahrzeugs auf die Fahrbahn zielt. Pech für den Kulmbacher, der das Franz-Luwig-Gymnasium mit Tempo 40 passiert hat - ihm blüht eine Verwarnung von 15 Euro.

Sind die Autofahrer in Bamberg etwa doch gesetzestreuer als es eine automatisierte Geschwindigkeitskontrolle vor anderthalb Jahren nahe legte? Damals wurde an 89 Bamberger Straßen eine so genannte Verstoßquote von über 20 Prozent festgestellt, kassiert wurde allerdings nicht.

Die Ausbeute unter Ernstfall-Bedingungen in der Franz-Ludwig-Straße sieht da schon ganz anders aus. Sie scheint die Erfahrungen zu bestätigen, die die Stadt in den ersten drei Wochen der kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung gesammelt hat: Von 6877 Fahrzeugen, die kontrolliert wurde, haben "nur" 677 das Tempo-Limit überschritten, das entspricht einer Quote von zehn Prozent. Die geblitzten Autofahrer müssen nun mit einer Verwarnung oder einem Bußgeld rechnen.

Für Ralf Haupt, den zuständigen Referenten im Ordnungsamt der Stadt, zeigt diese Zahl zweierlei. Um die Verkehrsmoral der Bamberger Autofahrer ist es wohl doch nicht so schlecht bestellt wie befürchtet. Andererseits sieht er bereits einen Lerneffekt durch die Einführung der kommunalen Tempokontrolle. "Unser Ziel ist es ja nicht, Einnahmen zu erzielen,wir möchten die Verkehrssicherheit erhöhen."

Glaubt man der zuständigen Amtsleiterin beim Parküberwachungsdienst, Barbara Dursch, die nun auch die kommunale Verkehrskontrolle verantwortet, ist das auch an anderen neuralgischen Punkten bereits gelungen- auf der Memmelsdorfer Straße zum Beispiel. Dort halte sich die große Masse der Autofahrer mittlerweile an Tempo 30.

Doch es gibt auch in Bamberg Punkte, wo der Rosenkrieg zwischen Autofahrern und den ihnen nachstellenden Gesetzeshütern offenbar nicht so glatt abläuft. Im Matern-Gebiet etwa, wo die Höchstgeschwindigkeit bei zehn km/h liegt, wurden am 1. Oktober 59 von 207 Fahrzeugen geblitzt - jeder Vierte ein Temposünder. Schmerzlich für die Betroffenen: Zwar löst die Messtechnik, wie vom Stadtrat beschlossen, erst ab 25 Stundenkilometern aus. Doch wenn es blitzt, wird es teuer: Schon bei 26 km/h winkt ein Verwarnungsgeld von 25 Euro; ab 39 km/h drohen drei Punkte in Flensburg und 100 Euro Strafe.

Auch in der Peuntstraße unweit der Marienbrücke hat es unlängst Knöllchen gehagelt. "In zweieinhalb Stunden 140 Verstöße. Das war sehr erfolgreich", sagt Messtechniker S. Spitzenreiter war der Fahrer eines weißen Mercedes Coupe. Mit Tempo 62 schrammte er gerade so an einem Fahrverbot vorbei.

Der Mann an der Kamera weiß es nur zu gut: Blitzer werden von der Bevölkerung nicht geliebt. An Sprüche wie "such´ dir einen besseren Job", hat er sich gewöhnt. "Ich bin kein Niedriglöhner", sagt er selbstbewusst.

Hartnäckig hält sich ein anderer Verdacht: "Es wird immer da geblitzt, wo es am meisten zu kassieren gibt", gibt Thomas Liebold zu bedenken. Auch Rinco Albert aus Bischberg sieht das so: "Umsatzstarke Tempo-30-Zonen genießen mehr Aufmerksamkeit als solche vor Schulen."

Grundsätzlicher Art ist die Kritik von Matthias Kremer. Der frühere Stadtrat sieht durch die Einführung einer Verkehrsüberwachung mit Hilfe privater Institutionen in Bamberg die klare Aufgabentrennung in einem Rechtsstaat verwischt: "Hoheitliche Pflichten werden in solchen Fälllen häufig an schlecht ausgebildete Personen übertragen, obwohl diese über jeden Zweifel erhaben sein müssten. Ein Widerspruch tue sich auf, meint Kremer, denn "anders als etwa Polizeibeamte sind Mitarbeiter eines Unternehmens nicht der Allgemeinheit, sondern den Interessen ihrer Arbeitgebers verpflichtet."

Kremer ist nicht allein: Die öffentlich-private Partnerschaft in Sachen Verkehrsüberwachung ist auch dem Allgemeinen Deutschen Autobmobilclub (ADAC) ein Dorn im Auge: "Wir sprechen uns entschieden gegen Modelle aus, bei denen ein privates Unternehmen der Kommune die Überwachungstechnik zur Verfügung stellt, diese betreibt und dafür an den ,Einnahmen' beteiligt wird", sagt Katharina Luca. Verkehrsüberwachung dürfe nicht mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden, so die Rechtsexpertin.

Auch im Fall der kommunalen Verkehrsüberwachung in Bamberg sind die Verhältnisse kompliziert. Um die Kosten zu drücken, führt die Stadt die Tempokontrollen nicht in eigener Regie, mit eigenen Fahrzeugen und eigenem Personal durch, sondern lässt dies über einen Dienstleistungsvertrag von einer externen Gesellschaft erledigen. Deren Mitarbeiter sind auf dem Wege der Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit) dem Parküberwachungsdienst unterstellt, erhalten ihr Gehalt aber weiter vom Unternehmen, ein Konstrukt, das nur ganz bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, unter anderem, wenn die Leiharbeiter "physisch-räumlich und organisatorisch" in die Gemeindeverwaltung integriert sind", wie das Bayerische Oberste Landesgericht 1997 feststellte.

Bei der Stadt steht man auf dem Standpunkt, dass den Vorschriften der Gerichte in Bamberg Genüge getan wird. "Bei den Messtechnikern handelt es sich um zertifizierte, bestens ausgebildete Fachkräfte", sagt zudem Barbara Dursch vom Parküberwachungsdienst.

Unterdessen nährt ein Vorfall, der sich am 31. Oktober in der St.-Getreu-Straße abspielte, Zweifel, dass es wirklich so gut um die Professionalität der hiesigen Tempoüberwacher bestellt ist. Wie Julian Brehm, einer der Macher der mittlerweile 40 000-fach heruntergeladenen Smartphone-App "Blitzer Bamberg und Land", belegen kann, wurde dort stadteinwärts gemessen, obwohl das nächste Tempo-30-Schild Hunderte von Metern entfernt war. "Jemand, der aus Kettenstraße einbog, konnte also gar nicht wissen, welche Geschwindigkeitsbeschränkung hier gilt, wurde aber trotzdem geblitzt", sagt Brehm. Ein solcher Fehler ist ihm und seinen Mitstreitern bei Verkehrskontrollen durch die Polizei noch nicht untergekommen. Es gebe die Vorschrift, dass vor einer Messung stets das Vorhandensein von Schildern überprüft werden müsse.

Barbara Dursch bestreitet nicht, dass in der St.-Getreu-Straße nachgebessert werden müsse. Die Verkehrsbehörde prüfe bereits, ob in der Straße an der Nervenklinik ein zusätzliches Tempo-30-Schild aufgestellt werden muss.

War die Messung an der Nervenklinik nur peinlicher Ausrutscher, wie man in der Stadt glauben machen will? Matthias Kremer ist weit davon entfernt, das so locker zu sehen: "Es ist für den Bürger nicht zumutbar, dass eine Laienspielgruppe auf seine Kosten übt. Diese Panne ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass die Stadt ihrer Weisungs- und Kontrollpficht nicht nachkommt."