Ein 73 Jahre alter Rentner aus Forchheim wurde wegen versuchten Mordes an seiner Ehefrau zu viereinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Kein Wort des Bedauerns, der Reue, der Entschuldigung: Stur blickt der 73 Jahre alte Rentner aus Forchheim vor sich hin, als am Dienstag gegen ihn das Urteil wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung gesprochen wird. Seine Frau, mit der er seit über 50 Jahren verheiratet ist und die er am 15. Juni 2015 am Frühstückstisch von hinten mit einem Messer in den Hals gestochen hat, ist für ihn Luft - wie schon an den zwei vorangegangenen Verhandlungstagen am Landgericht Bamberg.
Viereinhalb Jahre Freiheitsstrafe verhängte die Zweite Strafkammer. Vor Haftantritt aber muss der Rentner eine unbestimmte Zeit in einer psychiatrischen Anstalt verbringen, um erst einmal "straffähig" zu werden, wie der psychiatrische Gutachter Wolfgang Sperling formulierte.
Superinfektion am Arm
Der Erlanger Facharzt für Psychiatrie hat den Prozessbeteiligten erklärt, wie die
Persönlichkeit des Angeklagten beschaffen ist und wie es zu dieser heimtückischen Tat kommen konnte: Der narzisstische Eigenbrötler, der seine von der Außenwelt nahezu abgeschottete Familie in der Art eines Tyrannen führte, verlor in den Monaten vor der Tat zunehmend an Macht. Als er argwöhnte, seine Frau und die Söhne wollten ihn in ein Pflegeheim bringen, sah er "die Felle davonschwimmen". Dazu kam eine weitere schwere Belastung, die bei ihm die Hemmschwelle senkte und ihn die Kontrolle über seine Aggressionen verlieren ließ: eine schwere Schuppenflechte am Arm mit einer unbehandelten Superinfektion, die sehr schmerzhaft gewesen sein muss.
Laut Gutachter war der Angeklagte zum Tatzeitpunkt wegen einer krankhaften seelischen Störung "mit Minderung der Impulsivitätskontrolle" vermindert schuldfähig.
Sperling bejahte für den Rentner aber auch die Voraussetzungen des Paragraphen 63 Strafgesetzbuch für die Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt. Er attestierte dem 73-Jährigen eine beginnende Demenz und sieht ein "hohes Wiederholungsrisiko".
Oberstaatsanwalt Otto Heyder sprach in seinem Plädoyer von der Tat als dem "Endpunkt einer Beziehung", die von einzigartiger Sprachlosigkeit und Gefühlskälte geprägt gewesen sei. Das Motiv der Tat liegt für ihn in dem drohenden Machtverlust, als der Rentner seine Frau und den jüngsten Sohn über seine mögliche Unterbringung in einem Pflegeheim habe tuscheln hören. "Er war ein äußerst unangenehmer Zeitgenosse, der seine Familie tyrannisierte", sagte Heyder. Aber auch mit anderen Menschen sei er nicht ausgekommen. Alle Bekannten habe er vergrault und seine Arbeit mehrfach verloren.
Seiner Frau habe er das Geld zugeteilt, obwohl sie mehr verdient habe als er selbst. In den Augen des Staatsanwalts war das "Psychoterror" aus ausschließlich egoistischen und narzisstischen Motiven. Ein vertrauensvolles Zusammenleben sei unmöglich gewesen. Nun stehe der Angeklagte vor dem Scherbenhaufen seiner Existenz.
Heyder beantragt fünf Jahre und sechs Monate Freiheitsentzug. Gleichzeitig sei es "zwingend", den 73-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, und zwar "möglichst schnell".
Anders als der Staatsanwalt ging der Verteidiger, Rechtsanwalt Thomas Drehsen, nicht davon aus, dass die Ehefrau bei dem Angriff wirklich in Lebensgefahr war. Der Gesundheitszustand seines Mandanten hätte es diesem vermutlich gar nicht erlaubt, die Tat zu vollenden.
Bei diesem Angriff, der "nicht zu erklären und nicht zu rechtfertigen ist", sei die Gesamtsituation der Familie der Schlüssel zum Verständnis.
Deshalb halte er, Drehsen, eine wesentlich niedrigere Strafe für tat- und schuldangemessen. Er beantragte drei Jahre Freiheitsstrafe. Mit vier Jahren und sechs Monaten wählte die Zweite Strafkammer unter Vorsitzendem Richter Manfred Schmidt dann den Mittelweg. In der Urteilsbegründung unterstrich er, dass am Tatvorwurf des versuchten Mordes nicht zu rütteln sei: Die Heimtücke sei in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt.
Nach Ende der Hauptverhandlung gingen beide Eheleute ihrer Wege ohne sich noch eines Blickes zu würdigen.