Wie sieht die kleine Bamberger Welt von ganz oben aus? Besuch an einem Ort, den man sonst nur von ganz unten sieht. Mit Kommentar.
Es ist eine ungewöhnliche Klettertour. Nicht ungefährlich und durchaus schwindelerregend. Der Ort, den wir besteigen, ist für Menschen gewöhnlich nicht zugänglich. Er ist die Verkörperung der Vertikale. Eine Sandsteinfassade und ein lang gestreckter Turmhelm, der sich in atemberaubender Neigung 65 Meter über einen Hügel der Stadt emporhebt. Senkrecht, abweisend, unbezwingbar - wenn man keine Flügel hat.
Seit kurzem sind die Naturgesetze auf dem Michelsberg gewissermaßen ausgesetzt. Die beiden Türme der ehemaligen Klosteranlage St. Michael wurden eingerüstet. Spezialunternehmen umgaben das Wahrzeichen der Stadt mit einer netzartigen Hülle, die an einen Kokon erinnert. Das Türmepaar, die 1000-jährige Klosterkirche stecken in einer Metamorphose.
Tatsächlich ist das Gerüst ein Zeichen, dass sich das Großprojekt Klostersanierung dem Höhepunkt nähert. Die barocke Fassade, die das mittelalterliche Langhaus förmlich auseinanderzureißen droht und die bekannten statischen Probleme verursacht, "kann erst jetzt genau untersucht werden. Es ist der spannendste Teil der Sanierung", sagt Bertram Felix, Stiftungsreferent der Stadt Bamberg.
1500 Euro am Tag
Von den Mauern der Anlage bis zum Gewölbe im Kircheninneren: 50 Millionen Euro wird die Erneuerung der ehemaligen Klosteranlage voraussichtlich kosten. Was hinter solchen Summen steckt, kann man auch an dem Gerüst an der Westfassade ablesen, das alleine 1,6 Millionen Euro verschlingt, 1500 Euro am Tag. Es soll sich um das größte Bauwerk seiner Art handeln, das jemals in Bamberg aufgebaut wurde. Demontiert wird es wohl erst wieder im November 2021 werden.
Der Aufzug ruckelt, über einen eisernen Steg erklimmen wir die untere Plattform - eine Brücke zwischen den Türmen. Schon die ersten 30 Meter Tiefblick haben es in sich. Unter uns liegt der Klosterhof, umgeben von den barocken Wirtschaftsgebäuden. Dahinter die Dächer der Altstadt, St. Getreu und das grüne Berggebiet.
Jetzt erst beginnt der abenteuerliche Teil der Turmbesteigung. Über Leitern und klappernde Planken stiefeln wir Schritt für Schritt empor, langsam und vorsichtig. Der Turmhelm steckt hinter einer Folie, die Schieferplatten sind bereits abgenommen. Immer mehr verjüngt sich die Holzkonstruktion, bis endlich die goldene Kugel auftaucht, Krönung genannt. Sie zeigt, dass wir uns der Turmspitze mit dem Kreuz nähern.
Ganz oben: Das ist hier wörtlich zu nehmen. Der Ausblick vom obersten Ende von St. Michael ist wie die Fahrt mit einem Ballon über den Dächern der Altstadt. In jeder Himmelsrichtung erschließen sich Bambergs Schönheiten. Unversperrt, unverbaut, unvergleichlich.
Kommentar des Autors:
Einmal in 100 Jahren
Es war schon ein besonderer Moment in einem Reporterleben: Die Besteigung der Spitze von St. Michael ist nur alle Jubeljahre möglich - dann, wenn ein Gerüst die beinahe senkrechte Turmnadel auch für gewöhnliche Sterbliche erschließt.
Obwohl das gegenwärtige Bauwerk bis 2021 stehen soll - viele Menschen werden nicht die Gelegenheit bekommen, Bamberg aus dieser einmaligen Perspektive zu erleben. Das Interesse ist zwar groß, doch die Bürgerspitalstiftung, Hausherrin auf dem Michaelsberg seit 200 Jahren, will aus begreiflichen Gründen keine Besucher auf der Turmbaustelle, geschweige denn Touristen. Zu groß sind die Gefahren, die auf einem schwankenden und bei Wind durchaus auch laut tönnenden Gerüst drohen.
Wer einmal hier oben war, auf diesem mittelalterlichen Wolkenkratzer, lernt zweierlei: neues Staunen über die Schönheit Bamberg und Respekt vor den Steinmetzen, Dachdeckern und Gerüstbauern, die Bambergs Kirchen vor Jahrhunderten errichtet haben - ohne die Hilfsmittel unserer Zeit.
Hiergeht es zu unserer 360-Grad-Panorama-Aufnahme von der Turmspitze von St. Michael.
Turmbesichtigungen könnte man ja ideal an Touristen vermarkten. Machen andere Städte schon immer. In Bamberg unmöglich...
Eine tolle Aufnahme und ein schönes Panorama, man sieht sogar unser Haus. Auch die Kamera ist top und sehr hochwertig. Wenn man nur alle tausend Jahre da mal rauf kommt, hätte ich mir aber gewünscht, dass man nicht der kleinsten Reporterin die Kamera in die Hand drückt und auf dem halben Foto das Baugerüst zu sehen ist. Außerdem fehlt ein wenig Sonne.
Persönlich würde ich mir deswegen ein Update wünschen!