Für die einen ist es ein Einkaufsvergnügen mit Eventcharakter, für die anderen bedeutet ein verkaufsoffener Sonntag nur Arbeit. Der Einzelhandel schätzt die Möglichkeit zusätzlichen Umsatz zu generieren, Kirchen und Gewerkschaften stemmen sich gegen den Ausverkauf eines Ruhetags.
Sie sind inzwischen ein fester Bestandteil nahezu eines jeden kommunalen Terminkalenders geworden - verkaufsoffene Sonntage. Menschenmassen, die sich durch enge Altstadtgassen drängen, Hochbetrieb in den Geschäften, in denen Verkäuferinnen alle Hände voll zu tun haben. Innenstädte, die sonntags mit einem Mal regelrecht aufblühen.
Wie gehen die Kommunen mit dieser vom Einzelhandel verstärkt geforderten Möglichkeit des Umsatzzuwachses um? Zumal die Rechtslage in Bayern wegen eines fehlenden Landesgesetzes so eindeutig nicht zu sein scheint. Und das, obwohl sich inzwischen sogar Bundesverfassungs- wie Bundesverwaltungsgericht damit befasst haben.
Verkaufsoffene Sonntage - Kontroverse Diskussion
Was der Einzelhandel und um ihre Innenstädte besorgten Kommunen auf der einen Seite begrüßen, wird andererseits von Kirchen und Gewerkschaften strikt abgelehnt. Eine Allianz der letzteren mit dem schönen Namen "Allianz für den freien Sonntag" zieht immer wieder gegen Kommunen vor Gericht, um die Öffnung der Geschäfte am Sonntag zu verhindern. Und das durchaus mit Erfolg.
Weil die Verfassungsrichter 2009 festgelegt haben, dass ein solcher Sonntagsverkauf nur dann möglich sein soll, wenn es einen speziellen Anlass - ein Fest etwa - gibt. Und das Bundesverwaltungsgericht legte 2015 nochmals nach.
Kommunen müssen seither nachweisen, dass die anlassgebende Veranstaltung mehr Besucher anzieht als die an diesem Tag geöffneten Geschäfte. Und: Es dürfen nur Läden in unmittelbarer Nähe der Veranstaltung öffnen. Das heißt nur Innenstadtgeschäfte, an der Peripherie gelegene Baumärkte oder Möbelhäuser bleiben außen vor.
Präzedenzfall Ansbach?
Auf diese Weise konnte die Allianz bereits sonntägliche Ladenöffnungen in München und Augsburg verhindern. In diesem Sinne urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gestern auch im Falle Ansbach: Bei Festen oder Märkten in der Ansbacher Innenstadt dürfen an Sonntagen die Geschäfte nur dort, aber nicht im gesamten Stadtgebiet öffnen. Sowohl in Nürnberg wie in Bayreuth orientierte man sich bereits vor diesem Urteil neu und ließ bei verkaufsoffenen Sonntagen die Geschäfte an der Peripherie außen vor. Anders in Fürth: Dort durften unlängst beim verkaufsoffenen Sonntag auch die Geschäfte an der Peripherie öffnen. Eigentlich nicht erlaubt. Der dortige Wirtschaftsreferent Horst Müller verweist auf die schwierige Lage seiner Stadt in unmittelbarer Nähe zum großen Nachbarn Nürnberg.
Schwierig vor allem für Fürths innerstädtischen Einzelhandel. Deshalb auch vier solcher Einkaufstage, um auf die guten Einkaufsmöglichkeiten in Fürth aufmerksam zu machen.
In Bamberg hat man sich dagegen arrangiert. Es gibt einen verkaufsoffenen Sonntag im Zusammenhang mit dem Blues und Jazz-Festival und die Geschäfte an der Peripherie bleiben geschlossen. Damit, so Ralf Haupt, Leiter des Bamberger Ordnungsamts, halte man sich exakt an gesetzliche Vorschriften. Und damit kann oder muss auch die "Allianz für den freien Sonntag" leben.
Bemühungen um eine neue gesetzliche Regelung auf Landesebene sehen Kirchenvertreter wie Manfred Böhm von der katholischen Betriebsseelsorge in Bamberg eher skeptisch. Weil eine Neuregelung wohl liberaler ausfallen würde als die bislang geübte Praxis. Heißt: Der Sonntag als Ruhetag stünde dann erst recht zur Disposition.
Pro: Neue Kunden gewinnen - Einzelhandel und Stadtmarketing sehen viele Vorteile
Wenn es um verkaufsoffene Sonntage geht, ziehen Stadtmarketing und Einzelhandel grundsätzlich an einem Strang. Die einen suchen die Attraktivität und das Image der jeweiligen Kommune zu steigern, die anderen erhoffen sich mehr Umsatz. Bernd Ohlmann, Geschäftsführer des Handelsverbands Bayern sieht in verkaufsoffenen Sonntagen ein wichtiges Signal nach außen.
Mit dem sonntäglichen Einkauf könne man sich
- gegenüber Konkurrenzstandorten besser positionieren
- Innenstädte und Ortskerne würden eine deutliche Belebung erfahren und
- zusätzliche Kaufkraft würde vor Ort gebunden.
Ohlmann macht aber auch klar, dass es bei vier möglichen verkaufsoffenen Sonntagen im Jahr bleiben sollte. Der Einkauf am Sonntag sollte also schon die Ausnahme bleiben. Allerdings wünscht er sich die Streichung des Anlassbezugs für eine Sonntagsöffnung. Derzeit darf eine solche Öffnung nur erfolgen aus Anlass eines fremdgesetzten äußeren Anlasses, also einer Messe oder einer ähnlichen Veranstaltung, bei der ein Zustrom großer Menschenmengen zu erwarten ist. Hier zeige die Genehmigungspraxis, dass ein solcher Anlassbezug nicht immer leicht darzustellen ist. Mit dessen Streichung gebe es für Kommunen wie Handel größere Planungssicherheit.
Kontra: Am Sonntag Ruhe finden - die Position der Gegner
Der freie Sonntag ist bedroht. Und das obwohl er verfassungsrechtlichen Schutz genießt. So das Credo einer interessanten Allianz aus Verbänden beider großer Kirchen und der Gewerkschaft. Die Initiative geht auch juristisch gegen Kommunen vor, die sich oft aus Sicht der Allianz nicht gesetzeskonform verhielten.
Und die Gerichte pflichten dieser Initiative immer öfter bei. Professor Johannes Rehm verweist für die Allianz darauf, dass ein der Erholung dienender Sonntag bis heute einer der bedeutendsten Beiträge der jüdisch-christlichen Tradition zur Kultur unserer Gesellschaft sei. Diesen Beitrag wolle man sich im Interesse der Menschen nicht nehmen lassen.
Allein in Bayern müsse jetzt schon jeder vierte Erwerbstätige häufiger sonn- und feiertags arbeiten.
Circa 1,8 Millionen Sonntagsarbeiter zähle die Statistik bereits. Und da seien klassische Sonntagsarbeiter wie Polizisten, Ärzte, Lokführer oder Journalisten noch gar nicht eingerechnet.
Viele Menschen könnten deshalb den Sonntag nicht mehr nach eigener Fasson bewusst gestalten oder Ruhe finden. Rehm beklagt zu viele Ausnahmeparagrafen im Ladenschlussgesetz, die dafür sorgten, dass sich für Sonntagsarbeit immer ein Hintertürchen finden lasse.
Alles gute Gründe für katholische Arbeitnehmerbewegung, Betriebsseelsorge oder auch evangelischen kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, sich dem Trend zur Arbeit am Sonntag entgegenzustellen.
Kommentar:
Ein Stück weit sind wir zu einer leitkulturell desorientierten Gesellschaft mutiert, die sich von dem, was den ursprünglichen Sinn des Sonntags als Ruhetag, als Tag der Entspannung und Muße, als Tag der inneren Einkehr und Rückbesinnung, meilenweit entfernt hat. Das soll nicht beklagt werden, das gilt es nur einmal festzuhalten. Den Hinweis auf den kontemplativen Charakter eines solchen Ruhetags traut man sich ja schon gar nicht mehr in den Mund zu nehmen, weil das schlicht nicht mehr mit unserer Freizeit- und Spaßgesellschaft in Einklang zu bringen ist.
Nein, verkaufsoffene Sonntage, sie sind genau ein Spiegelbild unserer Zeit. Der Sonntag als Ruhetag, das war einmal. Inzwischen ist er zu einem mit allerlei Freizeitaktivitäten und Events vollgestopften Zeitraum für all das geworden, was man an sechs Wochentagen zu versäumen glaubte oder aus Zeitmangel nicht zu erledigen vermochte. Kritiker dieser verkaufsoffenen Sonntage sollten deshalb die Schuld an diesen Verkaufstagen nicht in erster Linie dem angeblich ausschließlich profitorientierten Einzelhandel in die Schuhe schieben.
Würden die Menschen sonntags innerstädtische Verkaufsangebote ignorieren, gäbe es derlei Veranstaltungen schlicht nicht. Sie tun es aber nicht, im Gegenteil: Ein guter Teil des Handelsumsatzes wird inzwischen an Sonntagen via Internet generiert. Das geht einfach, das ist per Mausklick von zu Hause aus möglich, das ist praktisch und bequem und schafft immerhin ein virtuelles Einkaufserlebnis. Dass der Einzelhandel dem nicht tatenlos zusehen möchte, ist nur allzu verständlich.
Bemühen wir doch auch einmal wirtschaftliche Aspekte: Allein in Oberfranken erwirtschaftet der Einzelhandel einen jährlichen Umsatz von 5,3 Milliarden Euro. 34 000 Menschen verdienen hier ihren Lebensunterhalt. Damit das so bleibt, sucht der Handel dem sonntäglichen Einkauf von der Couch mit verkaufsoffenen Sonntagen zu begegnen. Das ist in Ordnung, solange die Mitarbeiter nicht zur Sonntagsarbeit verpflichtet werden, und sich die Zahl verkaufsoffener Sonntage in Grenzen hält. Damit die immer kleiner werdende Schar derer, die Ruhe sucht, auch Ruhe findet.
Blick in die Geschichte: Öffnungszeit "anno dazumal"
Einkaufen mussten die Menschen schon immer. Nur: Früher gab's keine Supermärkte oder Kaufhäuser, sondern nur kleine Geschäfte. Und die hatten im 19. Jahrhundert, also zu Zeiten eines Johann Wolfgang von Goethe, in der Regel an sieben Tagen in der Woche geöffnet. Und zwar in der Zeit zwischen 5 und 23 Uhr. Eine nahezu permanente Öffnungszeit.
Das war möglich, weil die Ladenbesitzer im Erdgeschoß ihr Geschäft hatten und in den Stockwerken darüber wohnten. Das änderte sich mit der Eröffnung des ersten Warenhauses durch Ferdinand Tietz im Jahre 1879.
Bereits 1891 wurde festgelegt, dass sonntags nur fünf Stunden lang verkauft werden durfte. Und es dauerte bis zum Jahr 1919, ehe es zu einer gesetzlichen Regelung der Sonntagsruhe kam.
1956 wurde in der Bundesrepublik das Ladenschlussgesetz verabschiedet. Ein Jahr später kamen die "langen Samstage" dazu, 1989 der sogenannte "lange Donnerstag".
Rechtliche Bedingungen: Das Ladenschlussgesetz
Ein eigenes Ladenschlussgesetz für den Freistaat Bayern gibt es nicht. Obwohl das seit dem Jahr 2006 mit der Föderalismusreform möglich wäre. Es gilt hier deshalb weiter das Ladenschlussgesetz des Bundes aus dem Jahre 1956, in der Fassung vom 2. Juni 2003, zuletzt geändert durch Artikel 430 der Verordnung vom 31. August 2015.
In §3,1 heißt es, dass Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen geschlossen sein müssen. Ausnahmen sind in § 14 geregelt.
Dort heißt es, dass "Verkaufsstellen aus Anlass von Märkten, Messen oder ähnlichen Veranstaltungen an jährlich höchstens vier Sonn- und Feiertagen geöffnet sein dürfen". Die Freigabe kann auf bestimmte Bezirke und Handelszweige beschränkt werden.