Ist ein Weihnachsmarkt-Besuch ohne Alkohol weniger gemütlich und warm als mit? Katharina Behmer trank einen Nachmittag lang nur Kinderpunsch.
Wer auf einem Weihnachtsmarkt am Glühweinstand auf Kinderpunsch beharrt und dabei älter als 16 ist, wird mit Misstrauen beäugt. Mitleidige Fragen, ob man der Fahrer ist oder gar Glückwünsche zur Schwangerschaft sind dann die Folge. Die Entscheidung bewusst und ohne tieferen Grund, keinen Alkohol trinken zu wollen, stößt dann auf Unverständnis. "Ein Glühwein gehört doch zum Weihnachtsmarkt, genauso wie der Stern auf die Christbaumspitze", hört man dann im fast vorwurfsvollen Ton von den Standnachbarn. Außerdem, so die feste Überzeugung der Umstehenden, "friert man sich doch Hintern weg", wenn der heiße Fruchtsaft nicht einmal einen "Schuss" hat.
Mit kleinen Schlucken zum Erfolg Dieses Erfrierungs-Risiko bin ich der Wissenschaft zu Liebe eingegangen. Der Plan: Ein alkoholfreier Weihnachtsmarkt-Aufenthalt.
Das kann ja kein Problem sein, zwei Stunden gemütlich durch die Budenstadt zu schlendern und hier und da ein kleines Tässchen zu trinken. Bei einem Preis von ungefähr zwei Euro pro Tasse kommt das ja auch vergleichsweise günstig. Drei Tassen - die mir als angemessene Menge für 2 Stunden erschienen - zum Preis von sechs Euro. Human.
Eigentlich: Gleich am ersten Stand am Grünen Markt freue ich mich über die Wärme, die das Heißgetränk zurück in meine Füße weichen lässt. Freue und freue mich - aber gerade einmal vier Minuten lang. Zum ersten Mal wird mir bewusst, wie wenig doch in so eine 200-Milliliter-Tasse passt. Der Alkoholgehalt hatte mich beim Glühwein wohl immer daran gehindert, das Getränk so schnell in mich hineinzuschütten.
Während ich also schon lange zum nächsten Marktstand aufbrechen will, ist Anna-Sophia gerade einmal dabei, sich mit den ersten paar Schlucken anzuheitern.
Wirkung oder Trugschluss? Der alkoholfreie Bio-Glühwein, der am nächsten Stand in kleinen Stiefelchen ausgeschenkt wird, wärmt prompt auch den Inhalt meiner Stiefel. Und ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass mich heißes Wasser, heißer Punsch und heißer Schnaps in diesem Moment auf die gleiche Art und Weise warm halten würden. Geht es wirklich um den Inhalt der Tasse, oder nur um die Temperatur? Vielleicht lenkt ein leichter Schwips ja auch nur von der Eiseskälte ab, statt effektiv dagegen zu helfen.
"Ich denke, dass ist eine klassische Täuschung - man spürt das schlechte Wetter mit gehobenem Alkoholspiegel einfach weniger", meint eine Weihnachtsmarktbesucherin schulterzuckend, während sie an ihrer Tasse nippt. Ein anderer Glühweintrinker glaubt hingegen an die kreislaufankurbelnde Wirkung des Getränks.
Rund die Fähigkeiten von warmem Alkohol scheint ein gesundes Halbwissen vorzuliegen. Zwei Verkäuferinnen an einer Bude am Maxplatz glauben, dass "Alkohol warm hält, weil er die Venen erweitert." Inwiefern das genau einen Ausschlag gibt, ist ihnen jedoch unklar. Sie sind überzeugt: Ein bisschen Schwips hilft gegen die Kälte, um aber auf Dauer warm zu bleiben, müsste man allerdings "immer weiter trinken."
Ich trinke immer weiter, da man in den Pausen zwischen den Ständen auch alkoholfrei merklich auskühlt. Nüchtern betrachtet ist Nüchternheit eine gute Alternative.