Zwei Fliegerbomben bringen in Bamberg den Sonntag durcheinander. Menschen müssen ihre Häuser verlassen, Straßen sind gesperrt. Trotzdem läuft fast alles ganz normal weiter.
Etwas Vergleichbares hat es in Franken noch nie gegeben: 4200 Menschen mussten am Sonntag ihre Häuser verlassen, weil der Kampfmittelräumdienst unter dem Bamberger Flugplatz zwei Bomben gefunden hat. Die Maschinerie lief an: Mehr als 1000 Einsatzkräfte sperrten Straßen, versorgten Kranke und verteilen Mahlzeiten. Ein Tag Ausnahmezustand in Bamberg.
8.30 Uhr: Die ersten Einsatzbesprechungen finden gegen 8 Uhr statt. Überall in der Stadt sind Polizisten unterwegs, ziehen rot-weiße Flatterbänder und stellen Busse quer zur Fahrbahn. 45 Absperrposten bewachen den Sicherheitsbereich. Im Umkreis eines Kilometers um den Fundort der Bomben sollen ab 13 Uhr keine Menschen mehr sein. Zur Sicherheit. Falls etwas schief geht. Matthias Singer, ein Sprecher der Polizei sagt: "Die Maßnahmen werden sukzessive verdichtet."
10 Uhr: An den meisten Haustüren hängen jetzt vorgedruckte Abrisszettel.
Darauf bestätigen die Bewohner, dass sie das Haus verlassen haben. Bei vielen Häusern sind die Rollläden geschlossen, auch das ein Zeichen: niemand zuhause. Trotzdem klingelt Daniel Streetz an jeder Tür. Nachschauen. Auf Nummer sicher gehen. In seiner Brusttasche knackt ein Funkgerät. Streetz sagt: "Vereinzelt sind noch Menschen da, aber die meisten sind gegangen." Daniel Streetz und seine beiden Begleiterinnen stehen jetzt in der Reußstraße in der Gartenstadt. Vier Zettel hängen an der Tür. Alle weg. Die drei knoten eine rote Schleife an den Griff. Daniel Streetz hakt die Hausnummer ab. Dann gehen sie weiter.
11 Uhr: Udo Skrzypczak steht in gelber Leuchtweste auf dem Flugplatz. Auf der Weste steht Einsatzleiter, etwa hundert Meter hinter Skrzypczak kratzt ein Bagger das Gras weg. "Die Sprengmittel werden jetzt endgültig frei gelegt", sagt Skrzypczak.
Neben dem Bagger stehen die Sprengmeister und ein Hund. Der soll chemische Zünder aufspüren - für alle Fälle. Der Einsatzleiter sagt, sobald sie Meldung haben, dass alles evakuiert sei, lege der Sprengmeister los. Skrzypczak sagt "Sprengmittel" statt Bombe und "Meldung haben" statt Bescheid sagen. Polizeideutsch. Korrekt und unaufgeregt. Der Einsatzleiter hat die Arme auf den Rücken gelegt, schaut streng und erzählt von der Ultima Ratio: "Wenn das Ding nicht zu entschärfen ist, werden wir die kontrollierte Sprengung vorbereiten." Damit rechnet niemand.
11.55 Uhr: An einem Tisch in der Eichendorff-Schule sitzen Margot Greipl und Gisela Brunner. Beide Seniorinnen, beide aus der Gartenstadt. Und beide wohnten plötzlich in einem Sperrgebiet. Margot Greipl stickt an einer Decke, Gisela Brunner macht Kreuzworträtsel. Auf der anderen Seite des Tisches sitzen noch zwei Damen.
Die vier haben sich hier kennengelernt. "Wir werden hier gut versorgt", sagen sie. Zuständig dafür ist Stefan Knopf. Er ist der Einsatzleiter der Rettungskräfte. Insgesamt 1037 Helfer sind im Einsatz, sperren ab, verpflegen, fahren die Menschen. In den drei Sammelstellen betreuen die Helfer etwa 120 Menschen. "Es herrscht eine gute Stimmung", sagt er. Dann gibt es Mittagessen: Food-50. Eigentlich eine Verpflegung für die Einsatzgruppen. Halb Gemüse, halb Nudeln, dazu Würstchen. Kurz nach 12 Uhr sagt Gisela Bauer: "Die Hälfte der Zeit haben wir geschafft."
13.15 Uhr: Gegen 13 Uhr meldet die Leitstelle, dass alle Stadtteile evakuiert sind. Die Entschärfung beginnt. Für die erste Bombe braucht Sprengmeister Michael Weiß keine zehn Minuten. Zwischendurch sprengt das Räumkommando eine 7,5-Zentimeter-Granate.
"Die hatte schon angesprochen", sagt Andreas Heil, der Betriebsleiter des Kampfmittelräumdienstes. Das heißt: Transport unmöglich, kontrollierte Sprengung. Dann Bombe Nummer zwei: Die hat noch nicht gezündet, ist intakt, kann transportiert werden. "Es ist alles hervorragend gelaufen", sagt Heil. Entwarnung.
14.11 Uhr: Die Sperrung der Autobahn ist wieder aufgehoben. Polizisten räumen die ersten Straßensperren weg. Ulrike Siebenhaar, die Sprecherin der Stadt, sagt: "Wir waren auf das Schlimmste vorbereitet." Ganz leise sagt sie: "Wir haben ein paar Flaschen Sekt im Kühlschrank." Feierabend.