Ein Plausch am Eck in Sparneck

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Wolfgang Bittner und Jürgen Käppl Fotos: Günter Flegel
Wolfgang Bittner und Jürgen Käppl Fotos: Günter Flegel
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Im Landkreis Hof stolpert man auf Schritt und Tritt über die reiche Vergangenheit. Sogar am Stammtisch vor dem Dorflädla in Sparneck geht's um Raubritter und Goldgräber.

Wer wissen will, wie spät es ist, braucht in Sparneck keine Atomuhr. Das Stehtischla am Eck ist viel genauer. Hier trifft man sich zum Elf-Uhr-Seidla. Täglich. Pünktlich. Das Dorflädla in der Münchberger Straße ist der heimliche Marktplatz des Dorfes.
Sparneck! Warum ausgerechnet Sparneck? Wäre der Dartpfeil ein paar Kilometer weiter westlich eingeschlagen, könnte der Reporter in Münchberg aus dem Vollen schöpfen. Denkt er. Münchberg ist eine Hochburg der Textilindustrie, hat mehr als 10 000 Einwohner, einen Ableger der Hochschule Hof und sogar eine Fußgängerzone.
Und Sparneck? Sparneck hat das Eck. Und da trifft man zwei der 1200 Sparnecker, die eine alte Tradition hochhalten: "Das Elf-Uhr-Seidla", erzählt Wolfgang Bittner, war immer so etwas wie eine heilige Handlung der Handwerker. Harte Arbeit, karger Lohn - die Extra-Pause macht das Leben ein wenig angenehmer.
Für den Handwerker heute ist der vormittägliche Griff zur Bierflasche freilich in der Regel tabu. Doch für Wolfgang Bittner, seinen Hund Emmi und seinen Kumpel Jürgen Käppl gehört das Seidla zum Leben wie das tägliche Brot. Zumal man am Stehtisch vor dem Dorfladen die neuesten Neuigkeiten austauschen und interessante Menschen treffen kann.

Wald und Steine
Heute zum Beispiel den Reporter aus Bamberg. "Jürgen, jetzt kummer nei die Zeitung", sagt Wolfgang. "Dann wermer ja am Ed nuch berühmt und des Fernsehn kummt", sagt Jürgen. Gut, der Weg zum Ruhm ist lang, aber jedem, der Sparneck näher kommen will, sei der Besuch am Eck zum Elf-Uhr-Seidla wärmstens empfohlen. Heute, so erfährt man, liegt Sparneck im Schatten des großen Nachbarn Münchberg. Verlassene Industriestandorte und verwaiste Bergwerke, wo einst neben Kupfer, Eisen und Silber sogar Gold gefunden wurde, sind die Zeugen dafür, dass Sparnecks große Zeit erst einmal vorbei ist.
Heute setzt die Gemeinde auf den Tourismus. Der 877 Meter hohe Große Waldstein lockt mit geologischen Besonderheiten und Ruinen. Dort findet man den einzigen erhaltenen Bärenfang Deutschlands. Ein Wanderweg lässt den Dichter und Denker auf den Spuren von Jean Paul wandeln, bei Führungen durch die Sparnecker Unterwelt taucht man in die Geschichte. Bittner ist in seinem Element. "Sparneck ist ja viel älter als Münchberg", sagt er mit einem fast mitleidigen Blick auf die 650-Jahr-Feier im Nachbarort.

Vor tausend Jahren
Zwar verliert sich Sparnecks genaues Gründungsdatum im Dunkel, aber die ersten Herren von Sparneck, die wohl Raubritter waren, ließen sich hier schon vor mehr als tausend Jahren nieder, erfährt der Reporter. Der Zeitungsmensch staunt, und Wolfgang Bittner hat sich in Form geredet. Für ein paar Minuten verlässt er sogar sein Seidla, was wirklich nur selten vorkommt, und geht mit dem Reporter ein Eckla weiter: Hier hat man einen schönen Blick auf den Ort, und der Elf-Uhr-Experte kann aus dem Vollen schöpfen: Das neue Schloss steht da, wo bis zu seiner Zerstörung im Bauernkrieg der Stammsitz der Grafen von Sparneck war. Später bauten die neuen Herren hier.

Fische unter Tage
Erhalten geblieben sind die alten Keller: ganz aus Erde gebaut, mehrere Geschosse tief, erzählt Bittner voller Stolz. "Da sind sogar Wasserbecken drin, so groß, dass man da Fische drin halten kann." Derlei versetzte die Sparnecker in die Lage, wochenlange Belagerungen auszuhalten.
Nach dieser historischen Breitseite beendet der Reporter die Belagerung der Elf-Uhr-Runde und wiederholt seinen zuvor eher ernüchternden Dorfrundgang mit einem Blick für das Geschichtliche. Und siehe, beziehungsweise horch: Die Sparnecker können den Münchbergern tatsächlich das Wasser reichen. In Münchberg lebte bis 1951 August Horch, Gründer der Automarke Audi. Sparneck ist der Geburtsort von Karl Slevogt. Der Automobilpionier fuhr viele Weltrekorde heim. Aus der Marke Laurin & Klement, für die er Chefkonstrukteur war, wurde später Skoda.