"Fröschli schlepp beim Bund Naturschutz", hat Erwin Pelzig gespöttelt. Wie fühlt man sich als Amphibien-Retter?
Zehn Zehen, dazwischen Schwimmhäute, stemmen sich gegen den Handballen. Weg will er, der kleine Hüpfer. Wie fest kann man zupacken, um ihn daran zu hindern? "Der hält schon was aus, er hat ja keine Rippen", beruhigt Johannes Otto Först. "Wenn wir heute höhere Temperaturen hätten, müssten Sie sogar noch etwas beherzter zugreifen, denn eine gut aufgewärmte Kröte ist eine flinke Kröte."
So fühlt sich also solch ein Stückchen Leben an. Hätte man jetzt eine Maus oder einen Vogel auf der Hand sitzen, würde man unwillkürlich lächeln. Aber bei einer warzigen Erdkröte? Der Anblick ist auf jeden Fall angenehmer, als der glückloser Artgenossen dieses Erdkrötenmännchens, die plattgefahren auf vielen Straßen im Landkreis liegen.
Erst selber machen, dann urteilen
Berichte lesen (oder druckfertig machen) von Menschen, die Amphibien ein sicheres Überqueren asphaltierter Verkehrswege ermöglichen, das reicht nicht. Ein Urteil kann sich nur bilden, wer selbst mal dabei war. Und das ist in diesem Fall tatsächlich für jeden möglich, denn der Arbeitskreis Arten- und Biotopschutz in der Bund-Naturschutz-Kreisgruppe Bamberg ist um jeden neuen Helfer froh, der mit anfasst.
Es kostet keinerlei Überwindung die kleinen, nur ganz leicht feuchten Körper mit der Hand aufzunehmen und in einen Eimer zu setzen. Man kann Handschuhe anziehen. Sollte es sogar, denn Kröten produzieren zur Abwehr von Fressfeinden ein Hautsekret, das giftig ist. Während der Fortpflanzungszeit läuft dies aber gedrosselt ab, erläutert Biologe Johannes Otto Först, der beim BN die Amphibien-Aktionen koordiniert und auch an diesem Abend, der einer Gruppe der Offenen Behindertenarbeit "gehört", am Übergang bei Sandhof dabei ist.
Wer nicht oft Kröten, Frösche und Molche rettet - oder es zuvor noch nie gemacht hat - ist voller Entdeckerfreude, wenn sich im Schein von Stab- oder Stirnlampe am Fuße der dunkelgrünen Barrieren aus Kunststoffgewebe etwas bewegt.
Erdkrötenmännchen wiegen rund 30 Gramm, Weibchen 100
Mit beiden Händen zufassen muss, wer ein Pärchen ins Transportgefäß befördern will. Viele Krötenmänner "sichern" sich schon an Land ein dreimal so großes Weibchen, umklammern es und lassen es auch im Teich nicht mehr los, bis sie ihre Aufgabe erledigt haben.
Es sei denn, einer oder mehrere Konkurrenten sind beim Belagern der Dame erfolgreicher. Im Laichgewässer kann es dann vorkommen, dass sich so viele Männchen auf und an dem Objekt ihrer Begierde versammeln, das dieses nicht mehr an die Wasseroberfläche gelangen kann. Es erstickt, weil die Hautatmung einer Kröte bei einem sehr langen Aufenthalt unter Wasser die Lungenatmung nicht ausreichend ersetzt.
"Du Depp, steig runter!"
In den Eimern rumort es. Einige männliche Kröten machen ihrem Unmut Luft. Dann, wenn sich ein Vertreter ihres eigenen Geschlechts an ihnen festhalten will. "Weibchen sind stumm. Deshalb signalisiert dieser spezielle Laut dem anderen Männchen in etwa: ,Du Depp, ich bin ein Kerl. Steig von mir runter!'", veranschaulicht Johannes Otto Först.
Die Helfer kippen die Eimer mit den Tieren in Teichnähe nicht einfach aus. Nach Geschlechtern getrennt und räumlich etwas versetzt werden die Kröten ins Gras entlassen. "Wenn wir das nicht machen würden, wäre der Weg der vielen Männchen zu den wenigen Weibchen zu kurz."
Rund 150 Menschen engagieren sich sich im Landkreis Bamberg für den Amphibienschutz. Sie sind in der Wander-Saison vom Abend bis in die Nacht und in der Morgendämmerung noch einmal an den Übergängen aktiv. Die Tiere ziehen aus ihren Winterquartieren zu den Teichen und Weihern, in denen sie ihr ersten Lebenswochen verbracht haben - und legen dabei bis zu drei Kilometern zurück.
Führt der Weg über eine vielbefahrene Straße, droht Kröten, Fröschen und Molchen der Tod unter Autoreifen. Mobile Rückhaltesysteme (Krötenzäune, die nach der Saison wieder abgebaut werden) und einige feste Verbauungen und Gittersysteme sorgen dafür, dass möglichst viele Tiere an diesen Barrieren nicht weiter kommen und eingesammelt werden können. 49.677 lebende Amphibien wurden 2016 an den 25 Übergängen registriert. 7286 waren es zum Beispiel am Übergang Kehlingsdorf, 3313 bei Burgwindheim/Schrappach und 2977 an einem der beiden Wüstenbucher Übergänge.
Ein fester Termin im Jahresprogramm ist auch für einige Mitarbeiter der Lebenshilfe Bamberg immer ein Abend am Sandhof. Hier kommen acht von 20 Amphibienarten vor: vier Frosch- und drei Molcharten, die Erdkröte und der Feuersalamander.
Die jungen Leute kennen sich aus
Zu allererst muss ein Käfer gerettet werden. Christoph besteht darauf. Auf dem Grund des Eimers, der am Anfang des Amphibienschutzzauns neben der Kapelle am Sandhof in den Boden eingegraben ist, krabbelt das große, schwarze Insekt. Schließlich sind Christoph, Tobias, Kevin, Mirjam und Marie-Therese zum Helfen gekommen. Und das schließt alle Tiere ein, die Hilfe brauchen.
Für fast keinen der junge Leute aus der Naturschutzgruppe der Offenen Behindertenarbeit Bamberg ist es der erste Einsatz dieser Art. Sie wissen viel über die Tiere - und auch, dass man diejenigen die zum Teich wollen, nicht in den gleichen Sammeleimer setzt, wie die, die schon auf dem Rückweg sind. "Immer genau schauen, in welche Richtung die Kröte unterwegs ist", erinnert Martin Wölker vom Landesbund für Vogelschutz, der den Übergang Sandhof betreut, noch einmal.
"An den Zäunen ist die Sache klar. Schwieriger wird es, wenn die Kröten auf den Waldwegen sitzen und wir nicht erkennen, wollen sie noch zum oder waren sie schon im Wasser." "Bei den Weibchen merkt man das aber daran, ob sie noch Eier im Bauch haben, oder nicht mehr", sagt Kevin.
Die Saison ist so gut wie zu Ende
In Entscheidungsnot kommt an diesem Abend niemand. Es sind nicht viele Kröten auf Achse. Mit fast elf Grad gegen 19 Uhr ist die Temperatur zwar ideal, doch die Luft ist sehr trocken. Und der größte Teil der Wanderungsbewegungen ist schon "durch". Als alle Helfer sich auf den Heimweg machen, zeigt das Thermometer am Fahrrad von Johannes Otto Först nur noch vier Grad an.
Er berichtet, dass er einige Tage zuvor bei Sandhof mehr 500 Tiere an einem Abend über die Straße getragen hat. In der Statistik tauchen übrigens nur die Amphibien auf, denen die Helfer einen sicheren Übergang zu den Laichgewässern ermöglichen. Die "Rückläufer" werden zwar genauso transportiert, auf der anderen Seite abgesetzt und gezählt, aber nicht aufgeschrieben.
Männchen in der Überzahl
39 Männchen, 39 Weibchen, und 24 Paare lautet die Bilanz an diesem Abend. "Ein eher ungewöhnliches Zahlenverhältnis", sagt Johannes Otto Först. "Normalerweise kommen auf ein Weibchen fünf Männchen, denn ein weibliches Tier produziert nicht in jedem Jahr Eier. Jetzt sind viele Männchen noch im Teich. Sie warten dort auf ihre Chance, wenn sie an Land keine Partnerin gefunden haben."
An etwas anderem sind die Kröten um diese Zeit überhaupt nicht interessiert. Ist die Sache mit der Fortpflanzung erledigt, wandern sie zu den Lebensräumen, in denen sie sich im Sommer aufhalten. Bis Mai graben sie sich dort noch mal ein. Erst danach ist fressen sie wieder.