Uwe Bossert war die fränkische Saite von Reamonn. Jetzt startet er mit Stereolove neu durch und hat auch sonst jede Nacht zu tun.
Neulich hat er mit seiner Band vor 45.000 Leuten gespielt. "What if", den aktuellen Hit aus ihrem Album. What if, was wenn - gute Frage. Was, wenn: er nicht als Bu' mit neun zu den Pfadfindern gegangen wäre? Vielleicht hätte er heute keine Platinplatten an der Wand hängen. Nachdenklich rührt Uwe Bossert in seinem Kakao mit Sahne. Hinter ihm liegt eine Karriere als Gitarrist bei Reamonn, einer der erfolgreichsten Bands Deutschlands. Vor ihm liegt Stereolove. Neue Band mit den alten Jungs plus 1. Am Dienstag, 20. November, geben sie ein Konzert im Bamberger Live-Club.
Der Bamberger und Supergirl
Wer die Musikszene der letzten Jahre verfolgt hat, wird ihn sofort im Ohr haben: Supergirl, den Superhit, mit dem Reamonn bekannt wurde.
Auf eine Anzeige des Sängers Rea Garvey, "Sänger sucht Band für Platte und Tour", hatten sich 1998 Mike Gommeringer, Sebastian Padotzke, Philipp Rauenbusch und der Bamberger Uwe Bossert gemeldet. 1999 unterschrieben sie einen Plattenvertrag, danach ging alles ganz schnell. 2000 erschien ihr Debutalbum "Tuesday" mit "Supergirl", die folgenden Platten erreichten Gold- und Platinstatus. Reamonn tourten durch ganz Europa und spielten vor bis zu 15.000 Leuten, sie arbeiteten mit internationalen Künstlern zusammen und bekamen einen Echo für soziales Engagement. Nach zwölf erfolgreichen Jahren war dann Schluss: 2010 verabschiedeten sich die Musiker in eine Pause.
Vom Konzert weg unter Vertrag
Vier von ihnen nahmen die Pause aber nicht sehr wörtlich und fanden sich vor einem Jahr als neue Band namens "Stereolove" wieder zusammen.
Ihr neuer Sänger ist Thom Hanreich (Band Vivid, solo: Thom.) "Eigentlich wollten wir einfach nur zusammen Musik machen", sagt Bossert. Aber dann, wie bei Reamonn, doch wieder hopplahopp: Bei einem Konzert in München wurde Sony auf die Jungs aufmerksam und bot ihnen Anfang 2012 einen Plattenvertrag an. "Wir waren ganz schön überrascht", sagt Bossert und schmunzelt. "Aber die waren von uns überzeugt. Es ist schön, so was zu erleben, auch wenn man schon so lange im Geschäft ist."
So kam es, dass die alte Truppe mit Padotzke, Rauenbusch, Gommeringer und Bossert plus neuem Sänger Hanreich wieder Songs aufnahm. Produziert wurde ihr Debütalbum "Stereo loves you" (seit September im Handel) in Bosserts Münchner Tonstudio. Das hat er sich schon während seiner Zeit bei Reamonn eingerichtet. "Reamonn war bis 2008 das Zentrum meines Lebens", sagt Bossert.
"Aber ich wollte auch mal was anderes machen." Das "andere" ist mittlerweile sein Beruf: Bossert hat außer seinem Studio auch eine Produktionsfirma, einen Verlag und eine Plattenfirma gegründet.
Bis er aufgezählt hat, was er dort alles macht, ist die Tasse Kakao längst leer. Mit der Sängerin Nora Grisu hat er in 'achtung music', seiner Ideenwerkstatt, "DrahtSeilAkt" konzipiert, geschrieben und produziert und wird es auf seinem eigenen Label veröffentlichen. Außerdem schreibt und produziert er ein Album mit dem rumänischen Popstar Loredana Groza, arbeitete mit Nelly Furtado und dem Grafen von Unheilig zusammen, schreibt Songs für Film und Fernsehen. "Das erlebst Du alles, weil Du Produzent bist. Das ist geil." Klar klopfen auch Bands bei ihm an, die ein Album aufnehmen und berühmt werden wollen. "Aber da muss man ehrlich sein," sagt Bossert.
"Ich erkenne sofort, ob das was wird mit denen oder nicht."
Generell versucht er aber schon, jungen Musikern zu helfen und bringt zum Beispiel einmal im Jahr an einem Wochenende dem Nachwuchs das Gitarrespielen bei. Weil er aus seiner eigenen Jugend weiß, wie wichtig Unterstützung ist. Von den Eltern zum Beispiel. Seine haben ihn, als er zu den Pfadfindern kam, zum Gitarre lernen ermuntert. Kann man ja fürs Klampfen am Lagerfeuer gut brauchen. Also ging der kleine Uwe in die Bamberger Musikschule und lernte dort "die Technik, von der ich heute noch profitiere."
Mit 18: der Größte!
Mit 13 schwenkte er auf Jazzgitarre um und lernte mit Norbert Schramm seinen langjährigen Gitarrenlehrer und Mentor kennen.
Außer ihm ist Bossert noch einem weiteren Mann in Bamberg verbunden: Volker "Wredo" Wrede vom Live-Club, "der auch mal jungen und unbekannten Musikern eine Chance gibt." Wie ihm, vor 20 Jahren. "Mit 18 dachte ich, ich bin der Größte" sagt Bossert, rückt seine markante schwarze Brille gerade und lacht. Jetzt, mit 38, weiß er es besser. "Gerade wenn Du Jazzgitarre spielst, ist das eine kompromisslose Angelegenheit. Da geht es weniger um Talent, sondern um Können und Wissen."
Das hat er längst perfektioniert, damals beim Studium in Freiburg. Danach wollte er eigentlich in New York weiter studieren, vielleicht hätte er auch sein Dasein als Gitarrenlehrer mit gelegentlichen Gigs in Jazzclubs gefristet. Aber dann kam Reamonn und ein Leben voller Hype mit ausverkauften Konzerthallen in ganz Europa.
Mit Stereolove backen die Jungs aber erst mal kleinere Brötchen.
Die 45.000 beim Festival von Bayern 3 waren eine Ausnahme, die Regel sind Auftritte in Clubs vor 300 bis 500 Leuten. Auch Europa haben Stereolove (noch) nicht im Blick, zurzeit sind sie in Deutschland, Österreich und der Schweiz gebucht. In diesen Ländern supporten sie zurzeit Alanis Morisette: "Das ist eine große Ehre", sagt Bossert. Also hin und wieder doch ein paar tausend Zuhörer mehr, "das ist schon schön."
Mit "What if" in den Charts
Mit dem Song "What if" aus ihrer ersten CD ist die Band im September auf Platz 30 in die Charts eingestiegen. Das Video dazu stand schon vorher im Internet. Die Herren sind dafür in ihre "alten Egos" geschlüpft und haben sich in Jungs zurück verwandelt.
Macht Spaß, das anzuschauen! Jetzt bereiten sie sich auf ihre zweite Single vor und "wollen dann mal sehen, wie der Stand ist", sagt Bossert.
"Im Moment fühlt sich's nach Weitermachen an."
Weitermachen wird Bossert auf jeden Fall in seinem Studio und zwischen der Arbeit in München und den Konzerten mit Stereolove immer wieder mal nach Berlin pendeln. Dort hat er neuerdings einen zweiten Wohnsitz, bei seiner Freundin. In der Hauptstadt ist Entspannen angesagt, Freunde treffen, ausschlafen. Auf einer dieser "Pendelfahrten" ist er für das Date in Bamberg ausgestiegen. Viel Zeit hat er nicht, um 21 Uhr muss er im Studio sein. Nachts arbeitet er am liebsten, "da werde ich richtig kreativ." Das Business, Büroarbeit und Mails, erledigt er tagsüber. Finanzen sind außen vor, das macht sein Vater.
Der ist dafür extra früher in Ruhestand gegangen und managte schon Reamonn, jetzt Stereolove und das Studio seines Sohnes.
Er hat's gut getroffen, das weiß Uwe Bossert. Am Ende ist er, der Preise abgeräumt und kreischende Mädels in die Knie gezwungen hat, aber einfach nur ein netter Kerl. Bodenständig. Früher war er noch heiß drauf, erkannt zu werden. Heute würde er, wenn er nicht danach gefragt wird, nicht sagen, wer er ist. Am Ende ist er nämlich nur eins: "Einfach der Typ, der Gitarrre spielt."
Konzert in Bamberg
Am Dienstag, 20. November, tritt "Stereolove" im
Bamberger Live-Club
auf. Das Konzert beginnt um 20 Uhr, Einlass ab 19 Uhr.