Die Idee vom gleisfreien Bamberg

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Fünf Kilometer ziehen sich die Bahngleise durch Bamberg - eine Trennlinie, die aufgehoben werden könnte, wie Stadtrat Norbert Tscherner glaubt.
Fünf Kilometer ziehen sich die Bahngleise durch Bamberg - eine Trennlinie, die aufgehoben werden könnte, wie Stadtrat Norbert Tscherner glaubt.

Der Vorschlag eines Tunnels für alle vier Bahngleise erschreckt und fasziniert zugleich. Die Teilung der Stadt wäre damit aufgehoben, aber um welchen Preis?

Könnte dieser Vorschlag die Bahn-Debatte in Bamberg kurz vor Schluss doch noch einmal auf ein neues Gleis lenken? Norbert Tscherner, der Fraktionsvorsitzende des Bürger-Blocks, fordert von der Stadt nicht weniger als den bereits ins Rollen geratenen BahnausbauZug zu stoppen und das bislang nicht Gewagte zu denken: die Komplett-Führung der Bahntrasse in einem Tunnel. Das würde bedeuten: Der Bahnhof müsste unter die Erde verlegt, der Güterbahnhof an den Stadtrand verbannt werden.

Zwei Welten stoßen bei der Bahndebatte in Bamberg aufeinander: bodenständiger Realismus und hochfliegende Zukunftsträume. Während die CSU in der Stadt und im Land mit einem S-Bahn-Halt Süd die Waagschale der öffentlichen Meinung zu Gunsten des ebenerdigen Ausbaus kippen will, möchte Tscherner die Bahn unter der Erde verschwinden lassen. Doch warum hat der Vorschlag eines einzelnen Stadtrats mit begrenzter Hausmacht überhaupt so aufhorchen lassen?

Bamberg-Kenner wundert das nicht: Der Volltunnel wäre im Unterschied zu der bislang diskutierten teilweise unterirdischen Trassenführung in der Lage, ein viel beklagtes Problem der Stadtgestaltung gewissermaßen in einem großen Wurf aus der Welt zu schaffen: die Teilung Bambergs. Konkret: Wo sich heute noch Autos, Radfahrer und Fußgänger durch schäbige Unterführungen quetschen müssen, würden die Verkehrsteilnehmer künftig ebenerdig die in der Tief liegenden Gleise überqueren. Im Herzen Bambergs könnten neue Grün- , aber auch Wohnflächen wachsen.

Tscherner hat für seinen Vorschlag Zustimmung aber auch Kritik kassiert. Manche Bamberger fürchten, dass nun noch mehr Zeit ins Land gehen könnte - mit langatmigen Diskussionen, während die Bahn "am Ende doch macht, was sie will".

Doch warum sollte man sich mit einem S-Bahn-Halt Süd zufrieden geben, wenn man einen ganzen neuen Stadtteil, ein ganz neues Bamberg haben könnte? Für Tscherners Zukunftspläne macht sich unter anderen der frühere IHK-Präsdent Heribert Trunk stark: "Mutig gedacht! Eine so schöne Stadt wie Bamberg hätte ein solches Konzept verdient und für die Finanzierung sollten alle ins Boot geholt werden", urteilt Trunk. Mancher teure Tunnel in Deutschland habe weniger exzellente Argumente und sei trotzdem gebaut.


"Ein gewisser Charme"

In der Stadtverwaltung, die sich nun mit einem Prüfauftrag für die Tschernerschen Ideen befassen muss, sieht man die Sachlage nüchtern. Zwar bescheinigt Claus Reinhardt vom Baureferat dem Vorschlag einen gewissen Charme, weil es auf diese Weise tatsächlich gelänge, alle Unterführungen auf ebenerdiges Niveau zu bringen. Auch könne, wie Tscherner vorschlägt, der Aushub für den großen Tunnel möglicherweise für einen neuen Güterbahnhof nördlich der B 22 genutzt werden. Dennoch werfe sein Einwurf mehr Fragen als Antworten auf. Ganz abgesehen von den Folgen, wenn sich ein so breites und langes Betonbauwerk gegen den Grundwassserstrom stemme, sieht Reinhardt vor allem finanzielle Probleme auf die Stadt zukommen: "Wie wird der Bauherr reagieren, wenn man ihm fünf vor zwölf sagt, dass er kein Einfamilien- sondern ein Hochhaus bauen soll? "

Technisch machbar ist das Projekt. Das bestätigt man uns auch bei der Bahn. Doch um welchen Preis? Mike Flügel, zuständiger Projektverantwortlicher, glaubt nicht daran, dass der Bund ein solches Vorhaben finanzieren würde. Schon die Mehrkosten von 300 Millionen, die der zweigleisige Tunnel gegenüber der Bestandstrasse ausmacht, seien aus derzeitiger Sicht nicht zu finanzieren. Würde das Projekt aber auf über zwei Milliarden Euro anschwellen, von denen Fachleute bereits reden, schwinden laut Flügel die Aussichten auf Realisierung durch den Bund auf null. Flügel wirbt statt dessen für die Vorteile des ebenerdigen Ausbaus: die "bessere Anbindung an den Nahverkehr", die Erneuerung der Querverbindungen in der Stadt und die Aussicht auf schnellen Lärmschutz. Ein städtebaulicher Wettbewerb solle dafür sorgen, dass die Lärmwände " zum Welterbestatus Bambergs passen", sagt Flügel.

Und Norbert Tscherner? Der gibt sich gewohnt kämpferisch. Sollte die Stadt seinen Antrag nicht ernsthaft prüfen, will er das Bahnprojekt zum Thema einer Bürgerbefragung machen.

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